Wahlen 2024

Bei der SVP fand er Freunde

Mit Janosch Weyermann kandidiert auch Thomas Fuchs ein wenig für die Berner Stadtregierung. Dennoch ist SVP-Kandidat Weyermann der GLP für die grosse Liste genehm. Wie tickt das 28-jährige Politiktalent?

Janosch Weyermann
«Ich lernte Thomas Fuchs an einer Miss-Bern-Wahl kennen»: So kam Janosch Weyermann zur SVP und zu Politik. (Bild: Manuel Lopez)

Schnell einmal spricht Janosch Weyermann von einem Schlüsselmoment, den ihn zur Partei und in die Politik brachte. Der SVP-Stadtrat sitzt in der Lobby des Restaurants Holiday Inn beim Einkaufszentrum Westside und erzählt: «Ich lernte Thomas Fuchs an einer Miss-Bern-Wahl kennen, man kam ins Gespräch, man schrieb sich auf Facebook und dann bin ich mit ihm an ein Konzert von Luca Hänni.» Nach und nach sei der dann in die Politik gerutscht. «Fuchs schleppte mich mit an Parteianlässe und motivierte mich, für die SVP zu politisieren.»

Das Berner SVP-Urgestein Fuchs, Präsident der Stadtpartei, motivierte den erst 28-jährigen Weyermann vor wenigen Wochen auch für eine Gemeinderatskandidatur. Auf der Mitte-rechts-Liste «Gemeinsam für Bern» soll er an den städtischen Wahlen vom 24. November 2024 die SVP vertreten.

Weyermann ist eine Schlüsselfigur, damit die grosse bürgerliche Liste überhaupt zustande kommt. Besonders im Hinblick auf den Dienstag nächster Woche. Am 30. Januar entscheiden die Grünliberalen an einer geschlossenen Mitgliederversammlung, ob sie neben der Mitte, der FDP und der EVP auch mit der SVP für die Gemeinderatswahlen gemeinsame Sache machen wollen.

Janosch Weyermann
Bümpliz ist seit der Abwahl von Ursula Begert vor 20 Jahren nicht mehr in der Regierung vertreten. Weyermann will dies ändern. (Bild: Manuel Lopez)

Viele GLPler*innen müssen hart mit ihrem Gewissen ringen, um mit der populistischen SVP für einen Sitz in der Stadtregierung gemeinsame Sache zu machen. Der nette und von anderen Parteien geachtete SVP-Kandidat Weyermann soll es der GLP erleichtern, über den eigenen Schatten zu springen. Weyermann sei ein Kandidat, der inhaltlich und im Auftreten gemässigt sei, sagte GLP-Präsident Michael Hoekstra im «Hauptstadt»-Interview: «Mit ihm können wir gut auf einer gemeinsamen Liste stehen.»

Wie tickt Janosch Weyermann wirklich?

Empfahl einst die SP

Die «Hauptstadt» hat ihn in seinem Stadtteil besucht, er wohnt unweit des Westside in der neuen Überbauung. Gerne würde er den Westen Berns in den Gemeinderat bringen, sagt er. Bümpliz sei seit der Abwahl von Ursula Begert vor 20 Jahren nicht mehr in der Regierung vertreten, sagt Weyermann. «Es wäre doch mal wieder Zeit, denn der Westen ist der bevölkerungsreichste Stadtteil, der Ausländeranteil ist hoch, und es geschieht viel in der Entwicklung.» Aber würde der SVP-Politiker Weyermann auch die Ausländer*innen im Gemeinderat vertreten? «Das kann ich durchaus», sagt Weyermann «meine Mutter ist Österreicherin.»

Politisch interessiert war Weyermann schon in der Schulzeit, doch noch nicht bei der SVP. «Durch mein Umfeld im Welschlandjahr stand ich mit 16 Jahren eher der SP nahe», erzählt Weyermann. 2011 habe er seinen eher unpolitischen Eltern noch empfohlen, sie sollten SP-Vertreter Hans Stöckli und nicht SVP-Haudegen Adrian Amstutz in den Ständerat wählen. Als er 2015 für eine Kandidatur auf der Nationalratsliste der Jungen SVP angefragt wurde, trat Weyermann aber der SVP bei. «Thomas Fuchs musste schon ein wenig pickeln», sagt Weyermann und grinst.

Janosch Weyermann
Die Partei habe ihm das Netz gegeben, das ihm in der Schulzeit gefehlt habe, erzählt Janosch Weyermann. (Bild: Manuel Lopez)

Warum war Grossrat Thomas Fuchs, Präsident und Strippenzieher der SVP Stadt Bern, bei Weyermann mit dem politischen Werben erfolgreich? «Ich hatte in der Schulzeit keinen grossen Freundeskreis», erzählt Weyermann, «mit Fuchs und der Partei hatte ich dann ein Umfeld, auf das ich in allen Belangen zurückgreifen konnte, auch privat.» Das habe ihm das Netz gegeben, das ihm in der Schulzeit gefehlt habe. «Und ich diskutiere gerne. Schon in der Schule habe ich immer die Gegenposition zur Mehrheitsmeinung eingenommen.» Da passe die SVP als Partei natürlich gut.

Heute ist Weyermann in der Stadtpolitik und der SVP gut verankert. Seit 2019 sitzt er im Parlament und ist derzeit Vizepräsident der Kommission für Planung, Verkehr und Stadtgrün (PVS). Weyermann hat sich im Rat Respekt erarbeitet: Wenn er ans Rednerpunkt tritt, hört man ihm zu. Er ist auch ehrenamtlicher Sekretär der SVP Stadt Bern und arbeitet seit 2022 als Immobilienverwalter in der Firma von Thomas Fuchs. Daneben amtet er als Laienrichter am Regionalgericht.

Stützpunktleiter des Bundes der Steuerzahler

Das Spektrum seines politischen Engagements ist breit. So ist Weyermann Stützpunktleiter Bern des Bundes der Steuerzahler, Präsident des Quartiervereins Brünnen und Mitglied bei Pink Cross, HAB queer Bern und in bügerlichen Interessenvereinigungen wie KMU Bern oder dem Hauseigentümerverband HEV.

«Weyermann ist ein idealer Kandidat, weil er auch eine jüngere Wählerschaft anspricht», rühmt ihn Thomas Fuchs. Er habe eine «gesunde Einstellung», vertrete die SVP-Werte und habe ein Flair für Verhandlungen. «Er erfüllt alle Anforderungen, die es für solch ein Amt braucht.» Fuchs rechnet aufgrund erhaltener Rückmeldungen fest mit der Nomination von Weyermann als SVP-Kandidat, auch wenn die Parteiversammlung vom 12. Februar natürlich anders entscheiden könne. Stadtrat Thomas Glauser etwa habe sich auch für eine Kandidatur interessiert, aber bis anhin noch kein Dossier eingereicht und seine Kandidatur nicht öffentlich publik gemacht, was ein Nachteil sein dürfte. Er selbst habe keine Lust auf eine Kandidatur, sagt der SVP-Präsident. «Und wir sind uns bewusst, dass die breite bürgerliche Liste gefährdet ist, wenn ein prominenter und dezidierter SVP-Kandidat wie ich antreten würde», so Fuchs.

Janosch Weyermann
Die «Ehe für alle» hatte Weyermann auf Twitter mit einem Post der Schwulenorganisation Pink Cross begrüsst. (Bild: Manuel Lopez)

Mit Weyermann hingegen eckt die SVP nicht an. Im Gegenteil: Auch politische Gegner*innen finden freundliche Worte. So sagt Kommissionskollege und GLP-Stadtrat Michael Ruefer, der eine gemeinsame Gemeinderats-Liste seiner Partei mit der SVP ablehnt, auf Anfrage: «Ich schätze Weyermann persönlich.» Er sei eine zugängliche Person. Und bei der Abstimmung zum Spielplatz am Untermattweg habe er gut mit ihm zusammengearbeitet. Dennoch müsse man sich bewusst sein, dass Weyermann eine Strohmann-Kandidatur sei. «Wenn man Weyermann wählt, wählt man auch ein Stück Thomas Fuchs in den Gemeinderat.»

GFL-Stadträtin Tanja Miljanović, die mit Weyermann in der PVS-Kommission sitzt, findet für den Kandidaten nette Worte: «Ich arbeite gerne mit Janosch, denn er ist immer respektvoll und gibt sich Mühe, sachlich zu argumentieren.» Man wünsche sich SVP-Politiker, wie Weyermann, sagt Miljanović. Aber man müsse sich bewusst sein, dass Weyermann am linken Rand seiner Partei stehe. Gleichzeitig vertrete er eine Partei, die gemäss Politologen rechts der AfD stehe. «Die rechtspopulistische Politik der SVP kann man nicht weglächeln.»

Wie steht Janosch Weyermann zu kontroversen SVP-Positionen? Die «Hauptstadt» wollte es von ihm im O-Ton hören:

Sie haben 2021 die «Ehe für alle» auf Twitter mit einem Post der Schwulenorganisation Pink Cross begrüsst. Die SVP war dagegen, denn die «Ehe für alle» schade dem Kindswohl. Wie geht das zusammen?

Solche Aussagen nehme ich nicht persönlich. Und in der SVP hat in den letzten Jahren ein starker Wandel stattgefunden. Früher, beim Outing von Thomas Fuchs, war in der SVP sogar noch der Parteiausschluss ein Thema. Doch kürzlich hatten wir einen schwulen SVP-Bundesratskandidaten. Die «Ehe für alle» wurde zwar von der Delegiertenversammlung abgelehnt, aber nicht mehr so klar, wie wohl vor Jahren.

Die SVP spricht bei der Klimaerwärmung von Hysterie. Wie stehen Sie zum menschengemachten Klimawandel?

Es ist ein reales Thema, das die ganze Welt beschäftigt. Das Klima hat sich wohl durch die Menschheit verändert. Die SVP findet einfach, man solle die Bürger nicht mit Verboten und Gebühren drangsalieren. Die Schweiz ist auf einem guten Weg und macht viel. Man sollte auf Eigenverantwortung und neue Technologien setzen. Und zum Beispiel nicht vorschnell aus der Atomenergie aussteigen.

Janosch Weyermann
«Im Nationalratswahlkampf gehören wohl überspitzte Formulierungen in der Schlussmobilisierung dazu.» Im Gemeinderatswahlkampf will Weyermann aber keine provokativen Flugblätter publizieren. (Bild: Manuel Lopez)

Macht die Stadt Bern in Klimafragen genug?

Die Stadt macht vieles gut, gerade mit dem Fernwärmeausbau. Einen zu schnellen Gasausstieg erachte ich hingegen nicht als sinnvoll, denn vor wenigen Jahren empfahl die Stadt den Hausbesitzern noch Gasheizungen.

Die SVP macht auch immer wieder mit unanständigen Flugblatt-Sujets Wahlkampf. So auch bei den Nationalratswahlen, als man die Zuwanderung mit einem Foto afrikanischer Männer illustrierte, obwohl statistisch die wenigsten Zuwanderer aus Afrika stammen. Befürworten sie solch falsche Zuspitzungen?

Im Nationalratswahlkampf gehören wohl überspitzte Formulierungen in der Schlussmobilisierung dazu. Ich würde so etwas nicht verschicken. Und in einem Gemeinderatswahlkampf wäre ein solches Flugblatt deplatziert und würde nicht passen.

Die SVP-Elite hat sich kürzlich mit dem umstrittenen ungarischen Staatschef Viktor Orbán getroffen. Ist das gut?

Viktor Orbán war auf Einladung von Weltwoche-Verleger Roger Köppel in der Schweiz. Mehr muss ich dazu nicht sagen.

Der Empfang des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Bern wurde von der SVP kritisiert. Nun will ein SVP-Nationalrat gar Vladimir Putin einladen. Was halten sie davon?

Man machte Selenski den Hof. Da ist es legitim, auch Putin einladen zu wollen. Vor Gericht hört man ja schliesslich auch das Opfer und den Täter an.

Viele sagen, die Ukraine verteidige die freiheitlichen europäischen Werte gegen einen Aggressor. Da sei es logisch, dass man mit der Ukraine zusammenarbeite.

Es war ein Überfallkrieg auf die Ukraine, ganz klar. Dennoch sollte man mit Putin das Gespräch suchen, um ihn davon abzubringen.

In der Spesenaffäre des Regierungsrates zeigte sich, dass SVP-Vertreter Pierre Alain Schnegg mitunter die höchsten Spesen ausweist. Was halten Sie davon?

Wenn man eine fixe Spesenpauschale hat, ist es schon unglücklich, wenn man noch andere Ausgaben geltend macht. Ich hoffe, die Regierungsräte haben gemerkt, dass dies nicht gut ankommt bei den Leuten.

Janosch Weyermann
Seine Arbeit im Stadtrat erachtet Weyermann zum Teil als frustrierend. «Oft werden Geschäfte trotz guter Gegenargumente mit einer grossen Arroganz durchgewinkt.» (Bild: Manuel Lopez)

Sorgsamer Umgang mit Steuergeldern. Das ist wohl das wichtigste politische Ziel, dem sich Janosch Weyermann verschrieben hat. «In der Stadtregierung findet – bei einem Mehrheitsverhältnis von 4 zu 1 – leider keine Auseinandersetzung um die Finanzen statt», sagt Weyermann. Wenn er sehe, wie die Geschäfte zum Teil ins Parlament kommen, frage er sich, ob da jemand kritisch draufschaue. «Wäre ich in der Regierung, hätte ich kürzlich beim Baurechtsvertrag zum Brünnengut Finanzdirektor Michael Aebersold schon ein paar kritische Fragen gestellt.»

Der Vertrag mit der Stiftung B zum Brünnengut war ein Thema in der letzten Stadtratssitzung. Er ist ein Beispiel, wie sich Weyermann in Bümplizer Dossiers kniet. Mit seinem engagierten Votum im Stadtrat habe er sogar die Mitte und die GLP dazu gebracht, spontan ins Nein-Lager zu wechseln, erzählt er stolz. «Mich hat sehr gestört, dass man eine Liegenschaft, die in den städtischen Büchern für 810 000 Franken verzeichnet ist und dem Steuerzahler gehört, für nur 200 000 Franken an eine Stiftung verkauft.» Man schreibe also 600 000 Franken Vermögen einfach ab. Das gehe angesicht der städtischen Finanzlage doch einfach nicht.

Seine Arbeit im Stadtrat erachtet Weyermann zum Teil als frustrierend. «Oft werden Geschäfte trotz guter Gegenargumente mit einer grossen Arroganz durchgewinkt.» Da wünsche er sich manchmal einen politischen Minderheitenschutz, sagt Weyermann.

Mit 200 km/h über die deutsche Autobahn

Doch seine Kandidatur für den Gemeinderat sei keine Frustkandidatur: «Das übergeordnete Ziel sind zwei bürgerliche Sitze, und wenn ich kandidiere, will ich auch gewählt werden.» Die SVP habe eine gute Basis von Stammwähler*innen. «Vielleicht gelingt es mir durch meine konziliante Art, noch andere Wählende anzusprechen», so Weyermann. Seine Wahlchancen bleiben aber gering.

Wird er nicht gewählt, bleibt Weyermann nach dem November 2024 noch genug Zeit für seine Hobbys. Dazu gehören neben der Politik das Skifahren, Kochen und ab und zu schnell Autofahren. Der Stadtrat besitzt zwei Autos. Mit seiner Schwester hat er einen VW-Bus und selbst fährt er einen Porsche Boxter. Mit letzterem beschleunigt er auf der deutschen Autobahn auch gerne mal auf 200 Stundenkilometer, wenn er im niederländischen Maastricht seine Verwandten besucht. Und dann entspricht der nette Kandidat Weyermann voll dem SVP-Klischee.

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Diskussion

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Jan Holler
02. Februar 2024 um 08:02

Einer, der prinzipiell gegen die Mehrheitsmeinung ist, hat ebenso wenig eine Meinung wie die, die der Mehrheitsmeinung blind folgen.

Anständigkeit muss hervor gehoben werden - dabei sollte sie selbstverständlich sein. Und das hier, das ist einfach nur unsäglich opportunistisch und ausweichend:

"Man machte Selenski den Hof. Da ist es legitim, auch Putin einladen zu wollen. Vor Gericht hört man ja schliesslich auch das Opfer und den Täter an. "

Ich möchte nicht gerne für dumm verkauft werden, in dem man mir lächerliche und an den Haaren herbeigezogene Vergleiche vorsetzt. Die SVP hofiert Putin und verurteilt den Angriff auf die Ukraine nicht (wirklich) und das ist alles, was diesem Menschen dazu in den Sinn kommt.

Kandidieren darf er, aber von mir würde so einer niemals gewählt. Und die GLP, die kann sich auch gleich mit ihm verabschieden. Der letzte, der so arrogant aufgetreten ist, war Bernhard Eicher von der städtischen FDP - sang und klanglos ging er unter. Das selbe geschehe wieder.

Paul Acher
27. Januar 2024 um 08:50

„ Schon in der Schule habe ich immer die Gegenposition zur Mehrheitsmeinung eingenommen“

Das kann durchaus ein nützliches rhetorisches Instrument auf dem Weg zur Wahrheitsfindung sein. Fundierte eigene Überzeugungen ersetzt es aber nicht.