Auf dem Rücken der Arbeitnehmenden

Der Gemeinderat zieht das Stadtbild und Parkplätze dem Gesundheitsschutz von Angestellten vor. Das ist eine peinliche Politik für eine rot-grün regierte Stadt. Ein Kommentar zum Abfallentsorgungs-Debakel.

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Belader*innen von Kehrichtfahrzeugen werden weiterhin täglich hunderte Kehrichtsäcke in den Lastwagen hieven müssen: Der Gemeinderat will die Containerflicht nur teilweise umsetzen. (Bild: Manuel Lopez)

Im Berner Regierungsbündnis Rot-Grün-Mitte wetteifern die Parteien GFL und SP derzeit darum, wer den prestigeträchtigsten Posten des Stadtpräsidiums künftig besetzen darf. Beide Kandidat*innen Alec von Graffenried (GFL) und Marieke Kruit (SP) nehmen für sich in Anspruch, Gestaltungskraft und Umsetzungswillen für eine soziale und nachhaltige Stadt zu zeigen.

Doch beim kürzlich kommunizierten Containerpflicht-Debakel machten just die Direktionen der beiden Präsidiums-Anwärter*innen keine gute Falle.

Vor zwei Jahren – im Vorfeld der Volksabstimmung – warb der Gemeinderat für die Einführung einer Containerpflicht vor allem mit folgendem Argument: Mit der Einführung der Containerpflicht würden die Gesundheitsrisiken für die Belader*innen von Kehrichtfahrzeugen stark reduziert. Diese leiden heute durch das ständige Heben einzelner Kehrichtsäcke oft an Rückenschmerzen. 

Letzte Woche verkündete die zuständige SP-Gemeinderätin Marieke Kruit, dass die Containerpflicht nicht umgesetzt werden könne. Der sogenannte «Vorgartenland-Schutzartikel» in der städtischen Bauordnung verhindere aus Rücksichtnahme auf das Stadtbild in vielen Fällen die Platzierung eines Containers auf privatem Grund. 

Kruits Tiefbaudirektion hatte dies zusammen mit dem Denkmalschutz und dem Stadtplanungsamt erst nach der Abstimmung erkannt. Die beiden letzten Ämter gehören zu Alec von Graffenrieds Präsidialdirektion. 

Das bedeutet: Vor der Abstimmung wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Containerpflicht von der Stadtverwaltung offensichtlich nicht sauber abgeklärt.

Wenig Gestaltungswillen und keine Durchsetzungskraft

Um trotz der rechtlichen Probleme eine Containerpflicht einzuführen, hätte die Stadt deutlich mehr Parkplätze auf öffentlichem Grund abbauen müssen, als geplant. Dafür müsste man wohl die Anwohnerparkkarte rationieren. Dazu war der Gemeinderat jedoch nicht bereit. Pikant dabei: Eigentlich will die Stadt gemäss ihrer Klimastrategie die Hälfte der über 15’000 öffentlichen Parkplätze abbauen.

Gestaltungswillen und Durchsetzungskraft ist bei der Kehrichtabfuhr und dem Gesundheitsschutz nicht, was Kruit und von Graffenried an den Tag legen. 

Statt Vorschläge zu machen, wie eine Änderung des Vorgarten-Artikels  oder eine Einschränkung der Anwohnerparkkarte, kommunizierte der Gemeinderat bloss, dass er die vom Volk beschlossene Containerpflicht nur teilweise einführen möchte.

Die Konsequenz: Belader*innen von Kehrichtfahrzeugen werden weiterhin täglich hunderte Kehrichtsäcke in den Lastwagen hieven müssen.

Hier sei angemerkt: Beim diskutierten Schutz des Stadtbildes sprechen wir von den Aussenquartieren. Die Unesco-geschützte Berner Altstadt war schon in der Abstimmungsvorlage von der Containerpflicht ausgenommen. 

Ebenfalls bemerkt sei: Andere Städte, etwa Zürich, haben die Containerpflicht schon vor Jahren eingeführt. 

Für den Berner Gemeinderat sind aber unangetastete Vorgärten, das Stadtbild und der Erhalt von Parkplätzen wichtiger als der Gesundheitsschutz seiner Angestellten.

Das ist für eine links-grüne Stadtregierung eine peinliche Haltung. Gerade von den beiden Konkurrent*innen um das Stadtpräsidium.

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Diskussion

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Jürg Stettler architekturstettler gmbh
01. April 2024 um 08:36

Es ist eine Freude, dass die Vorgärten nun nich mit diversen Containern „vollgestopft“ werden. Über die umnutzung von einigen Parkplätzen kann man eher noch diskutieren.