Irrt einer durch die serbische Provinz

Ein Roadtrip zur gutschweizerischen Behäbigkeit: «Suppe Seife Seelenheil» von Matto Kämpf ist ein amüsantes Buch über den Status des mittelalten Mannes.

Illustration Kulturkritik
(Bild: Jörg Kühni)

Da reist er irgendwo in die serbische Provinz zur Hochzeit einer fast vergessenen WG-Kollegin – und wird kurz darauf mit Handschellen von der Polizei abgeführt. Der Mann ist ganz offensichtlich ein Verlierer. Und gleichzeitig der Held des neuen Romans «Suppe Seife Seelenheil» des Berner Autors Matto Kämpf. Das Buch wird dieses Wochenende im Tojo Theater getauft.

Neu ist dieser Typus Mann nicht. Anzutreffen ist er vorzugsweise in Romanen von Autoren (he/him), die im selben mittleren Alter sind und mindestens mit dem Verlierersein kokettieren. Der Grat ist schmal, dass hier ein Text entstehen könnte, der mehr lamentabel als bereichernd ist.

In Handschellen Bier trinken

Doch Kämpf, der Alleskönner, der zeichnet, schauspielert und auch mit satirischen Shows auftritt, balanciert gekonnt und mit Freude auf diesem Grat. Es scheint, als hätte er absichtlich den alternden weissen Mann zum Helden gemacht, um ihn umso genussvoller immer wieder einen neuen Steilhang hinunter zu schubsen.

Der Polizei entkommt dieser Anti-Held, doch dummerweise trägt er noch die Handschellen. Bier trinken geht zum Glück auch mit Strohhalm – und mit viel Geduld und Feile wird er sogar von den Fesseln befreit. Worauf er den folgenschweren Entschluss fällt, zu Fuss nach Hause zu laufen. Denn Geld, Handy und Ausweis liegen noch bei der Polizei, die ihn, wie er meint, doch verhaften will.

Also irrt er durch ein ihm fremdes Land – und lässt die Leser*innen an seinem inneren Monolog teilhaben, der widersprüchlich, witzig und unterhaltsam ist und immer wieder auch in die Tiefe taucht. Ab und zu verspürt der Protagonist Vorurteile, was dann etwa so klingt:

«Weil sie eine Frau ist, erhoffst du dir eine ausländerfreundliche Begegnung, bist aber selber im Grunde inländerfeindlich.»

Er übernachtet in verlassenen Waldhütten oder im Freien, stiehlt manchmal und mit schlechtem Gewissen etwas Essen – und denkt dabei über sein Leben nach als noch geduldeter, aber bereits verwarnter Mathematiklehrer. Ab und zu werden die Monologe unterbrochen von dadaesken Illustrationen, von Kämpf gezeichnet. Mal passen sie zum Thema, mal nicht. Sie können als eine Art Selbsttherapie des Protagonisten gesehen werden, sind aber auch für sich stehend unterhaltsam. Immer häufiger tauchen in diesen einsamen Tagen Gedanken auf an die erste, missratene Liebe, an die einst grossen Pläne, an die Einsamkeit, das Altern.

«Älter werden heisst zwangsläufig, sich zunehmend für Natur und Essen interessieren. Was einem jungen Menschen nie in den Sinn kommt. Jedenfalls damals nicht, zu unserer Zeit. Eigentlich zu Recht. (...) Es wird etwas in sich hineingestopft, während man etwas anderes tut. Etwas Wichtigeres. Lesen, diskutieren, Musik hören, Musik machen, Sex. Im jungen Erwachsenenleben wird dir plötzlich schlagartig klar, warum die Erwachsenen immer dauernd unentwegt über das Essen reden. Was sie gegessen haben, was sie gerade essen und was sie noch essen könnten. Kein schöner Moment.»

Suppe, Seife, Seelenheil ist das Motto der Heilsarmee seit ihren Anfängen, aus dem Gedanken heraus, dass niemand hungrig und schmutzig und ohne Dach über dem Kopf zu Gott finden könne. Tatsächlich wird der Antiheld am Schluss, nach diesem Roadtrip zu sich selbst, gelöst nach Hause reisen. Nicht, dass er sein Leben ändern würde. Aber er hat wenigstens darüber nachgedacht.

Matto Kämpf: «Suppe Seife Seelenheil», Verlag der Gesunde Menschenversand, 110 Seiten.

Buchtaufe Fr, 2. und Sa, 3.12., mit Musik von Evelinn Trouble, je 20.30 Uhr, Tojo Theater Bern.

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