Leitung bleibt, Vorstand geht

Die Wogen gehen hoch bei der Kulturinstitution Dampfzentrale. Zuletzt ist am Montag der gesamte Vorstand zurückgetreten. Ein Aufrollen der aktuellen Geschehnisse.

Dampfzentrale fotografiert am Donnerstag, 12. Juni 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Um die Dampfzentrale gibt es momentan viel Wirbel. (Bild: Simon Boschi (Archiv))

Das ist bisher passiert:

12. Juni 2025: Kurz vor der kulturellen Sommerpause wird die Dampfzentrale in einen Schock versetzt. Die Stadt Bern teilt mit, dass sie den Leistungsvertrag mit jährlichen Betriebsbeiträgen von 2,4 Millionen Franken für die Kulturinstitution ab 2028 neu ausschreiben will. Die Stadt fordert ein dichteres Programm. Insbesondere das lokale Tanzschaffen soll künftig mehr Gewicht bekommen. Das aktuelle Leitungsteam der Dampfzentrale – die künstlerische Leitung Roger Ziegler (Musik) und Anneli Binder (Tanz) sowie Karin Bitterli (kaufmännische Leitung) – fühlt sich vor den Kopf gestossen. Ebenso der Vorstand des Vereins um Präsidentin Brigitte Hilty Haller.

28. Juni 2025: Das Dampfzentrale-Team führt einen öffentlichen Nachmittag durch, um sich mit der Szene und der Berner Bevölkerung auszutauschen. Das Protokoll dieses Nachmittags wird veröffentlicht. Der Grundtenor: Die Qualität des Programms wird gelobt, ein Zuhause für den Berner Tanz fehle aber. Allgemein wird der Ruf nach mehr Kooperationen laut. Nicht offiziell anwesend an diesem Nachmittag ist der Vereinsvorstand. Denn während das Team aufs Ganze geht und in einer Social-Media-Kampagne suggeriert, dass mit dieser Ausschreibung die Dampfzentrale per se in Frage gestellt werde, will der Vorstand erst sorgfältig prüfen, ob und wie er bei einer allfälligen Ausschreibung mitmachen will.

25. August 2025: An der ordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins Dampfzentrale am Montagabend tritt der bisherige Vorstand in corpore zurück. Es ist eine spontane Entscheidung des Vorstands um Präsidentin Brigitte Hilty Haller, nachdem die Mitgliederversammlung zuvor einen Antrag angenommen hat, der zwingend festlegt, dass die Eingabe der Dampfzentrale für die Leistungsperiode ab 2028 mit dem aktuellen Team gemacht werden muss. «Der Vorstand sah sich in Anbetracht des Willens der Mitglieder nicht mehr in der Lage, die Verantwortung für das Haus, das die grösste Subventionsnehmerin in der freien Szene Berns ist, weiter zu tragen», heisst es in einer Mitteilung des zurückgetretenen Vorstands.

Mit anderen Worten: Während die operative Leitung dieselbe bleibt, wird die strategische komplett ausgetauscht. Laut der Mitteilung des alten Vorstands ist der Verein in den Wochen zuvor von etwa 100 auf 170 Mitglieder gewachsen. Rund 100 davon hätten an der Versammlung teilgenommen.

Das geschieht jetzt:

Noch am selben Abend wählt die Mitgliederversammlung einen neuen Vorstand. Es sind Menschen, die in den Wochen zuvor vom Team der Dampfzentrale ermutigt worden sind, sich für die Vorstandsarbeit zu melden. Offiziell, um den Vorstand zu ergänzen. Und nun, um ihn zu ersetzen. Neu sind im Vorstand: Die Stadträtinnen Franziska Geiser (GB) und Barbara Keller (SP), alt Grossrät*in Tabea Rai (AL), Performer Martin Schick, Musiker Grégoire Vuilleumier (Greis), Musikerin Catia Lanfranchi und Aktivist Sandro Niederer.

Die Mitgliederversammlung beschliesst, dass der neue Vorstand und das alte Leitungsteam gemeinsam eine Eingabe für die neue Leistungsperiode machen werden. Durch den Rücktritt des bisherigen Vorstands verliere man viel Know-how, bedauert die neue Vorständin Barbara Keller. «Es ist ein Schock, aber es ist trotzdem auch ein Aufbruch spürbar.» Sie nehme die Rückmeldungen aus der lokalen Tanzszene ernst. «Es gibt berechtigte Kritik, und wir wollen genau hinschauen, wie wir die Tanzszene künftig noch besser einbeziehen können.»

Dampfzentrale fotografiert am Donnerstag, 12. Juni 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die Zeit drängt: Eingabeschluss für die Bewerbung für den Leistungsvertrag mit der Stadt Bern ist Ende September. (Bild: Simon Boschi (Archiv))

Der neue Vorstand wird co-präsidiert von Tabea Rai. Rai betont, es sei zu früh, um öffentlich zu sagen, in welche Richtung das Konzept des Vereins Dampfzentrale gehe. Klar sei, «wir müssen hinhören». Bisher seien die Tanzschaffenden am lautesten gewesen, aber es gebe wahrscheinlich auch andere Gruppen, denen man zuhören müsse. Die Frage sei: «Wie können wir das Beste für den Verein, die Dampfzentrale als Mehrspartenhaus und die Berner Kulturszene herausholen?»

Dampfzentrale-Leitungsmitglied Roger Ziegler sagt im Gespräch mit der «Hauptstadt», dass er froh sei, jetzt endlich «den Fuss von der Bremse» nehmen zu können und an der Eingabe weiterzuarbeiten. «Dass wir mehr mit der lokalen Tanzszene zusammenarbeiten, ist eine Forderung, der wir gerne nachkommen. Wir müssen nun ausloten, wie es funktionieren wird.» Wichtig sei der Dampfzentrale-Geschäftsleitung, die internationalen Kulturproduktionen nicht fallen zu lassen. Und ausserdem stehe man für ein Mehrspartenhaus ein, das auch Musik umfasse. «Denn die Sparten befruchten sich gegenseitig.» Ausserdem wolle man an der Transparenz und Kommunikation gegen aussen und der Organisationsstruktur arbeiten, ergänzt Leitungsmitglied Karin Bitterli.

Und so geht es danach weiter:

In den nächsten Wochen gehe es darum, sich als Vorstand, Leitung und Team zusammenzufinden. Doch die Zeit drängt.

Eingabetermin ist Ende September.

Und dort kündigt sich auch Konkurrenz an. So bestätigt der Verein Beta der Berner Tanzschaffenden gegenüber der «Hauptstadt», dass er sich bewerben werde. «Und danach schauen wir, welche Eingaben in eine zweite Runde kommen», sagt Beta-Geschäftsführerin Sandra Forrer. Für die Berner Tanzschaffenden sei auch immer noch eine Zusammenarbeit mit anderen Bewerbungen möglich.

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