Maja teilt aus

Beim Battle-Rap beleidigen sich meist junge Männer gegenseitig auf der Bühne. Vor zwei Jahren fand die 44-jährige Bernerin Maja Brönnimann: Da will ich mitmachen.

Maja Broennimann fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Maja Brönnimann ist die einzige weibliche Teilnehmerin am Ultimate MC Battle im Gaskessel. (Bild: Simon Boschi)

Freitagabend um halb elf in der Cafete der Reitschule. Hier wird gegen Mitternacht ein Rap-Konzert stattfinden. Jetzt ist erst der Soundcheck. El Cambio, ein 26-jähriger Rapper aus dem Glarnerland, schmettert Reime ins Mikrofon. Der Raum ist fast leer. Nur Fenton, ein anderer Rapper, beugt sich über den Bartresen und kritzelt an einem Graffiti in seinem Skizzenbuch.

Maja Brönnimann sortiert Getränke hinter der Bar. Sie ist eine der Veranstalter*innen von «Rap in der Cafete». Die 44-Jährige ist erst seit zwei, drei Jahren in der Hip-Hop-Szene dabei. Sie legt als DJ auf, sie hostet auf Radio Rabe mit anderen die Hip-Hop-Sendung Gschächnütschlimmers. Und sie nimmt unter ihrem Künstlerinnennamen Maja an Rap-Battles teil.

Es ist jene Hip-Hop-Disziplin, bei der zwei gegeneinander antreten und während der Raplines versuchen, die andere Person in einem verbalen Wettkampf fertig zu machen. Traditionell, indem das Gegenüber diskriminiert wird. Früher wurden dafür oft auch Wörter wie schwul, behindert oder Pussy benutzt. Es gibt bekannte Musiker, die einst gross im Battle-Rap waren. So etwa Knackeboul oder Lo von Lo & Leduc.

Maja ist praktisch immer die einzige Frau auf der Bühne. So auch am 22. November beim Ultimate MC Battle im Berner Gaskessel. Es ist die Schweizer Meisterschaft im Battle-Rap, nur die Besten sind dafür qualifiziert. Sie wird beleidigt werden, sie wird austeilen.

Warum macht die zweifache Mutter das? Und warum glaubt sie, dass gerade jetzt ein neues, weniger einseitiges Zeitalter im Battle-Rap ausbrechen könnte?

Bei den Coolsten

Maja Brönnimann sieht viel jünger aus als sie ist. Das ist sicher ein Vorteil, wenn sie gegen 20-jährige Typen auf der Bühne antritt. Und sie ist schlagfertig, wie etwa Fenton, der Rapper mit dem Graffiti-Skizzenbuch, bestätigt. Wobei das in seinem Slang heisst: «Sie kann gut kontern».

Gut kontern konnte Maja schon immer. Sie ging im Gymnasium in meine Parallelklasse. Sie war selbstbewusst, mutig und nie um einen Spruch verlegen. Und sie hing immer nur mit den Coolsten rum.

Maja Broennimann fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
«Sie kann gut kontern», sagen die Gegner über Maja. (Bild: Simon Boschi)

Irgendwie sei sie schon in ihrer Teenagerzeit in Langnau in Männergruppen aufgewachsen, sagt sie. Sie mochte Hip-Hop schon immer, die Musik und den Style. Ihre Passion war aber das Tanzen. Während andere nach der Matur Jura oder Wirtschaft studierten, wurde Maja Brönnimann Tänzerin. Darin ist sie auch richtig erfolgreich, bis heute ist sie bei vielen Projekten dabei, heute meist als Choreografin. Daneben ist sie Hochschuldozentin für Tanz in Zürich und arbeitet auch als Sprecherin, so verkündet sie etwa seit einem Jahr auf Zürideutsch die Aktionen der Woche bei der Migros.

Grosse regionale Unterschiede

Die Liebe zum Rap kam mit Corona. Das Kulturleben war ausgebremst. Maja Brönnimann entschied sich, bei Radio Rabe ein Moderationspraktikum zu machen. Kurze Zeit später rutschte sie ins Team der Rap-Sendung.

Gschächnütschlimmers ist eine Sendung für Insider*innen, für Menschen, die sich am liebsten Tag und Nacht mit Rap beschäftigen. Nach der Sendung verziehen sich die Hosts mit den rappenden Gäst*innen oft in ein «Rüümli», um zu freestylen. «Ich fand es doof, als Frau nur dabei zuzusehen», sagt Maja Brönnimann. Also fing sie an, mitzurappen. Es ging nicht um Beleidigungen, sondern darum, singsprechend kleine Geschichten zu erzählen. Das lag ihr. «Wobei ich merkte, dass ich schnell ins Zünden komme», sagt sie. Es ist eine Eigenschaft, die für den Battle-Rap unverzichtbar ist.

Mit dem Kampfnamen Maja nahm sie vor gut zwei Jahren in Aarau erstmals an einem Rap-Battle teil. Sie flog schnell raus und machte erst einmal Pause. Einige Monate später kamen aber immer mehr Anfragen.

Auch die Veranstalter*innen sind sich bewusst, dass die Szene diverser werden sollte. Dass sie nicht für immer von jungen heterosexuellen Männern dominiert werden kann. So gibt es bei den meisten Battles jetzt auch Briefings für die Teilnehmenden, bei denen darauf hingewiesen wird, dass Rassismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit unerwünscht seien und nicht toleriert werden.

Wobei es dabei auch stark auf den Veranstaltungsort ankommt: In Bern zum Beispiel mache man sich mit Sexismus und Rassismus keine Freund*innen. An anderen, ländlicheren Orten sei das aber oft noch anders. Das sagt nicht nur Maja, das sagt zum Beispiel auch ihr Radiokollege Tobias Kunz.

Maja Broennimann fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
«Ich war nie feministisch aktiv», sagt Maja, «doch nun merke ich, dass mein neues Hobby zwangsläufig politisch wird.» (Bild: Simon Boschi)

Wobei: Vorerst bleibt es als weiblich gelesene Person überall schwierig. Oder wie Majas Battle-Konkurrent Fenton sagt: «Es kommen schon sexistische Lines gegen sie.» So wurde Maja schon als Hexe, die auf dem Scheiterhaufen brennen solle, beleidigt. Oder ihr sprechsingend nahegelegt, dass Frauen besser nicht rappen sollten, sondern lieber zuhause Wäsche falten.

«Solange es nur gegen mich als Maja geht, ist das okay. Wenn es aber verallgemeinernd gegen alle Frauen geht, ist eine Grenze überschritten», sagt die Bernerin. Gerade im September gab es nach einem Rap-Battle in Zürich, den zwei Musikjournalistinnen besucht hatten, einen Aufschrei wegen diskriminierenden Auftritten. Auch Maja hatte – einmal mehr als einzige Frau – an diesem Battle teilgenommen.

Menschen empowern

Und bei so etwas will sie wirklich dabei sein? «Das überlege ich mir selber oft», sagt Maja. Es brauche eine dicke Haut. «Irgendwie stehe ich für alle Frauen dort. Das ist Fluch und Segen zugleich.» So fänden es manche ungerecht, dass sie als Frau Männer sexistischer beleidigen dürfe als umgekehrt.

«Ich war nie feministisch aktiv», sagt Maja, «doch nun merke ich, dass mein neues Hobby zwangsläufig politisch wird.» Oft kommen nach den Battles Menschen aus dem Publikum auf sie zu und danken ihr. Weil es inspirierend sei, eine Frau auf der Bühne zu sehen, weil es dieser männerdominierten Szene gut tue. «Ich kann Menschen empowern. Auch darum will ich weitermachen», sagt Maja.

Maja Broennimann fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
«Irgendwie stehe ich für alle Frauen dort.» (Bild: Simon Boschi)

Gerade vor ein paar Tagen sei sie in Deutschland an einem Rap-Battle gewesen. «Da gab es Auftritte, die waren smart, die waren politisch, die spielten mit diesen Klischees und entlarvten sie auch.» So sei einer mit lackierten Fingernägeln aufgetreten und habe dem Gegner gedroht, er zeige diese seinem Sohn. Das fand Maja Brönnimann sehr witzig.

So eine Entwicklung erhofft sie sich auch in der Schweiz. Erste Schritte sind schon getan: Bei einigen Battles gibt es Themenrunden, zum Beispiel «Polizist und Demonstrant». «Man beleidigt sich auch, aber es ist ein Rollenspiel und geht nicht gegen die Person», sagt Maja. Solche Formate mag sie. Und sie merke, dass viele der jungen Battler offen für Änderungen seien.

Kraft durch die Hero-Pose

Zum Beispiel El Cambio, der heutige Act in der Cafete. «Ich finde, es bräuchte mehr Frauen, die battlen», sagt er. Es fordere ihn heraus, gegen eine Frau zu rappen, weil all die Klischees nicht anwendbar seien. «Ich muss kreativ sein, das macht Spass.»

Spass. Auch Maja betont, dass ihr der Spass beim Battle-Rap wichtig sei. Dabei hilft ihr, dass sie durch ihren Beruf als Tänzerin seit über 20 Jahren gewohnt ist, auf der Bühne zu stehen. Sie möge diesen Kick. «Du stehst dort, du musst direkt auf einen Angriff reagieren, du musst witzig sein, sprachverliebt.» Die Fallhöhe sei riesig. Die Anspannung davor unglaublich gross.

Sogar bei ihr, bei der doch alles immer so leicht und mühelos wirkt. «Das täuscht», sagt sie. Vor einem Battle ziehe sie sich in eine Ecke zurück und mache die Hero-Pose. Das ist eine Yogaposition, die Kraft und Selbstbewusstsein verleihen soll.

Als nächstes am Ultimate MC Battle im Gaskessel, das sie gewinnen will. Auch wenn Gegner El Cambio sagt: «Maja ist schon nicht schlecht, aber weiter als bis zum Halbfinal kommt sie nicht.» Das Battle hat schon begonnen.

Ultimate MC Battle: Freitag, 22. November, 21 Uhr, Gaskessel.

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