Der rot-grüne Park
Vor 50 Jahren trotzten grüne Pionier*innen dem damaligen Bauboom den Monbijoupark ab. Jetzt ist der Grünraum für 3 Millionen Franken saniert und dabei den Bedürfnissen eines gentrifizierten Quartiers angepasst worden. Eine Begehung.
Was für eine Oase! Im geschäftigen Dreieck zwischen dem Eigerplatz, der Monbjiou- und der Schwarztorstrasse wirkt der grüne Monbijoupark wie ein unantastbarer Ort der Entschleunigung. An niederschlagsfreien Tagen verbringen Dutzende Menschen aus den zahlreichen benachbarten Büro- und Schulgebäuden ihre Mittagspause im Park. Auf dem weitläufigen Spielplatz haben Kinder des angrenzenden «Chinderchübu» grosszügigen Auslauf, die neue Kletteranlage ist teilweise sogar für Rollstuhlfahrer*innen zugänglich – und für abenteuerlustige Kids auch im Dunkeln.
Gegen Abend verlagert sich der Aktivitätsschwerpunkt im Park gerne in Richtung der öffentlichen Grillanlage, die ausschweifende Brätlereien ermöglicht. Am Rande des Rasenfeldes baumelt eine Hängematte, in der nicht nur ein Powernap oder ein Ausnüchterungsnickerchen, sondern gegebenenfalls auch ein Schäferstündchen zu zweit möglich ist.
Und ja, es gibt jetzt mitten in diesem traditionellen Berner Stadtpark auch eine schick aussehende Parkbaute – einen stylischen Holz-Pavillon in Pilzform, unter dessen Dach kleine Open-Air-Konzerte stattfinden können.
Willkommen im aufgefrischten Monbijoupark! Nach fast einjähriger Sanierung hat die Stadt den seit 1954 existierenden Erholungsraum modernisiert. Als ihn die zuständige Gemeinderätin Marieke Kruit (SP) Ende September bei einem Event vor etwa 200 Personen der Bevölkerung übergab, erwähnte sie nicht, dass die Instandstellung des Parks 3 Millionen Franken kostete.
Viel Geld – oder nicht?
Auf den ersten Blick ist das sehr viel Geld – für einen Park. Zum Beispiel, wenn man zum Vergleich die Kleine Schanze oder den Kocherpark heranzieht, die nach der Auflösung der offenen Drogenszene in den 90er-Jahren wieder für die öffentliche Nutzung hergerichtet wurden. Das kostete je höchstens einige Hunderttausend Franken.
Allerdings ist das, was die Preisentwicklung angeht, 30 Jahre her. Und der Monbijoupark hat für die gewachsene Stadt eine ganz andere Bedeutung – er ist gleichzeitig Erholungsraum und Spielplatz. Letzteres nicht nur für die Nachbarschaft, sondern für ein Einzugsgebiet, das bis in die vordere Länggasse und die Innenstadt reicht, wie Stadtgrün Bern bereits in der Kreditvorlage betonte. Abgesehen davon: Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben städtische Naherholungsräume in Fussdistanz an Bedeutung gewonnen. So gesehen entspricht ein gut unterhaltener Park zweifellos einem Bedürfnis.
Die Stadt sucht engagierte Menschen mit Ideen für die Nutzung des neuen Quartierpavillons. Stadtgrün Bern lädt dafür zum dritten Runden Tisch zur Pavillonnutzung ein. Er findet am Mittwoch, 7. Dezember 2022 um 17 Uhr statt, Interessierte melden sich per E-Mail hier.
Trotzdem kann man sich Fragen stellen: Welchen Ansprüchen muss ein moderner Park genügen, den die rot-grün regierte Stadt der Quartierbevölkerung zur Verfügung stellt? Wie stattet man ihn aus? Und wie sorgt man danach dafür, dass ihn die Menschen so nutzen, wie es geplant war?
Im Monbijoupark kann man gerade beobachten, wie aufwändig es ist, diese Fragen praktisch zu beantworten. Denn selbst bei der Instandstellung eines Parks kommen politische Präferenzen der Regierungsmehrheit – wie Klimapolitik, Barrierefreiheit, Konsumkritik oder die Beteiligung der Bevölkerung – zum Ausdruck.
Gentrifiziertes Quartier
Zumal sich der Monbijoupark nicht irgendwo befindet. Sondern im Mattenhof-Quartier, das im innerstädtischen Vergleich zu den Aufsteigern gehört, wie die Statistik belegt: Das sogenannte sozialräumliche Monitoring – das die Veränderung von Faktoren wie Sozialhilfequote, Bevölkerungszusammensetzung und Steueraufkommen auf Quartierebene vergleicht – weist den Mattenhof im jüngsten Bericht von 2021 als Quartier aus, das sich positiv entwickelt. Das bedeutet: Die Kaufkraft der Einwohner*innen steigt, die Mieten werden teurer. Man könnte es auch Gentrifizierung nennen.
Das lässt sich im Alltag zum Beispiel am Eigerplatz besichtigen, der in den letzten zwei Jahren zum Leben erwacht ist. Mittlerweile reihen sich hippe Take-aways und Cafés aneinander, und der Platz ist nicht nur während der Büroarbeitsstunden, sondern meist bis weit in die Nacht belebt. Sogar jetzt, wenn es kühler wird.
Der nahegelegene Monbijoupark – der wichtigste Erholungsraum des ganzen Stadtteils III (Mattenhof, Weissenbühl, Sulgenbach) – wirkte daneben fast vernachlässigt. Über 30 Jahre lange wurde kaum Hand an ihn gelegt. Die Toilettenanlage beispielsweise musste winters bis jetzt immer geschlossen werden, weil die Wasserleitungen bei Temperaturen unter Null Schaden genommen hätten. Der Instandsetzungsbedarf war so unbestritten, dass der Sanierungskredit von 3 Millionen Franken im Februar 2021 das Stadtparlament mit bloss einer Handvoll Gegenstimmen problemlos passierte. Obschon die Stadt schon damals in den roten Zahlen steckte und der damalige BDP-Stadtrat Philip Kohli zur Redimensionierung mahnte: «Es müsste ein Zeichen kommen, da wir aktuell andere Probleme als veraltete Spielgeräte haben.»
Grüne Geburtsstunde
Doch der Stadtrat bewilligte sogar den 300’000 Franken teuren Quartierpavillon, der im Kreditantrag als Kürzungsoption genannt wurde. Das mag damit zusammenhängen, dass der Monbijoupark eine politische Geschichte hat, die mit der Identität der rot-grün regierten Stadt in Verbindung steht.
Unter anderem die spätere Regierungsrätin Leni Robert (Freie Liste) gehörte im August 1974 zu den Gründer*innen der (nach wie vor existierenden) Vereinigung «Bern bleibt grün», die zu Beginn «Pro Monbijoupark» hiess. Die erste Mitgliederversammlung fand nicht zufällig im Monbijoupark selber statt – der Grünraum war vor 50 Jahren akut durch eine Überbauung bedroht. Die junge grüne Oppositionsgruppe bekämpfte das Wohnbauprojekt erfolgreich – es war, längst bevor es grüne Parteien gab, ein erster erfolgreicher Kampf grüner Städter*innen für die Erhaltung ihres eigenen Grünraums.
Glenn Fischer, Gesamtprojektleiter bei Stadtgrün Bern, bestätigt, dass man bei der Sanierung auch die Geschichte des Parks im Blick behielt. Er steht auf dem Picknickplatz, in seinem Rücken die Bürogebäude des Bundesamts für Umwelt, und blickt über die weite Rasenfläche hinüber zum kleinen Hügel der städtischen Villa Clairmont, deren historischer, im englischen Stil angelegter Garten ebenfalls zum öffentlichen Park gehört.
Man habe darauf geachtet, sagt Fischer, die verschiedenen aktuellen Bedürfnisse der Quartierbevölkerung mit dem historischen Bestand in Einklang zu bringen.
Bekenntnis zur Klimapolitik
Fischer erläutert auf Anfrage der Hauptstadt vor Ort, wie die Kosten für die Sanierung des Parks zustandegekommen sind. Einer der grössten Ausgabeposten seien die Werkleitungen. «Ein Grossteil der Sanierungsarbeiten», sagt er, «spielte sich im Untergrund ab und ist nicht sichtbar.»
Die unterirdischen Leitungsrohre waren leck, Wasser sickerte seit Jahren in den Untergrund. Sie mussten komplett ersetzt werden, damit das Gewässerschutzgesetz wieder eingehalten wird. Allein das machte rund 750’000 Franken aus. Die Honorare für beigezogene Landschaftsarchitekt*innen und Planer*innen schlagen laut Fischer mit rund 500‘000 Franken zu Buche.
Als Bekenntnis zur Klimapolitik hingegen kann der Einbau von zwei unterirdischen Tanks (235’000 Franken) gewertet werden, in denen nun das Regenwasser von den Bafu-Bürogebäuden gesammelt wird. Es wird – zusätzlich zum Trinkwasser – neu für die Bewässerung der Grünanlagen eingesetzt, wobei der Vorrat bei langanhaltender Trockenheit knapp werden dürfte.
Einen Leistungssprung hat im Monbijoupark die Grillanlage gemacht. Anstelle der romantischen Holzkohlengrills, die innerhalb des Parks verschoben wurden, stehen nun auf dem Picknickplatz zwei potente, 20’000 Franken teure Gasgrills zur Verfügung, wovon einer vom städtischen Energieversorger EWB beigesteuert worden ist. Als man diesen Ersatz plante, war die Ukrainekrise noch nicht ausgebrochen. Laut Fischer werden alle Grills ab Herbst über den Winter abgestellt.
Ausgeklügeltes Klettergerüst
Die Ausstattung des erneuerten Monbijouparks ist nicht nur das Resultat von finanziellen und technischen Überlegungen, sondern auch der institutionalisierten Quartiermitwirkung. Die seit 2017 in mehreren Veranstaltungen geäusserten Wünsche flossen unter anderem in die Spielplatzgestaltung ein, bei der die Barrierefreiheit hohe Priorität hat.
Das ausgeklügelte, mächtige Klettergerüst ist exakt so konstruiert, dass auch Rollstuhlfahrer*innen in den ebenerdige Tunnelbereich einfahren können. Und beim Spielbereich nebenan für die Kleineren sind die Sitzsteine genau so hoch, dass man aus dem Rollstuhl auf sie rüberrutschen kann.
Das unbestrittene Pièce de résistance des Monbijouparks ist jedoch der Holzpavillon mit dem neuen, sauberen, beheizten, behindertengängigen WC, dem wichtigsten Anliegen der Parkbenutzer*innen. In der Mitwirkung wurde von verschiedenen Quartierbewohner*innen auch der Wunsch nach einem Parkcafé geäussert, das entgegen den Annahmen noch während der Stadtratsdebatte zonenrechtlich bereits heute bewilligungsfähig wäre. Im Hinblick auf eine spätere Gastronutzung baute man dem Pavillon eine kleine Küche ein. Könnte der Monbijoupark sogar der nächste Standort eines der zahlreichen Berner Gastro-Popups werden?
Engagieren sich die Nutzer*innen?
Zweifellos würde das für eine Debatte sorgen. Katharina Gallizzi, Stadträtin des Grünen Bündnisses, verwahrte sich schon in der Parlamentsdebatte dagegen, dass im Monbijoupark Kommerz und Konsumzwang Einzug halten: «Das Schöne am Monbijoupark ist seit jeher, dass er von sehr vielen unterschiedlichen Menschen genutzt wird, die hier ohne Konsumzwang ihren Freizeitbeschäftigungen nachgehen können. Wir befürchten, dass eine Pop-up Bar die momentanen Nutzer*innengruppen verdrängen könnte», so Gallizzi.
Die Kehrseite ist allerdings, dass derzeit noch unklar ist, wer die Verantwortung für den Betrieb des Pavillons übernimmt. Angedacht ist die Gründung einer Interessengemeinschaft von Freiwilligen für die Pavillonnutzung. Obwohl diverse Ideen und Bedürfnisse existieren, sei das Interesse aus der Quartierbevölkerung, sich im Monbijoupark zu engagieren, trotz diverser Aufrufe bisher überschaubar, sagt Glenn Fischer. Man wolle aber die Jahre 2023/24 als eine Art Probezeit nutzen, um auszuloten, ob eine langfristige Trägerschaft aus der Quartierbevölkerung zustandekomme.
Die neue Herausforderung im sanierten Monbijoupark lautet so: Soll er ein kommerzfreier Ort nach rot-grüner Vorstellung bleiben, muss sich die mit der Sanierung beschenkte Bevölkerung aktiv dafür engagieren.