Überwachungsgüter für Ruanda

Die Firma Plath AG mit Sitz in Ostermundigen stellt militärische Überwachungsprodukte her. Diese exportierte sie im letzten Jahr nach Ruanda, obwohl das Land in einen regionalen Konflikt verwickelt ist.

Plath AG fotografiert am Freitag, 19. September 2025 in Ostermundigen. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Unscheinbare Büros, heikles Business: Der Sitz der Plath AG in Ostermundigen, grosse Nummer im Geschäft mit Überwachungstechnologie. (Bild: Simon Boschi)

In Ostermundigen steht ein unscheinbares Bürogebäude, gleich neben alten Industriegleisen mit Blick direkt auf den Wald. Wenig deutet darauf hin, dass von hier aus millionenschwere Exporte für Überwachungstechnologie koordiniert werden. «Plath» steht nur klein angeschrieben. Doch der Schein trügt: Die Berner Firma ist dick im Geschäft. In den letzten zehn Jahren gehörte sie zu den Spitzenreiterinnen in ihrem Geschäftsfeld. Sie holte in der Zeit bei den Bundesbehörden Exportbewilligungen für fast 120 Millionen Franken ein. Eine stolze Summe in dem Sektor. Doch die Geschäfte der Firma werfen Fragen auf – zur Schweizer Exportkontrollpraxis und Unternehmensverantwortung.

Überwachungsgüter für Ruanda

Im Jahr 2024 erhielt die Plath AG vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Exportbewilligungen für Überwachungsprodukte im Umfang von 20,9 Millionen Franken. Im Abgleich mit den erfolgten Exporten sticht insbesondere ein Geschäft ins Auge: Die Berner Firma exportierte Überwachungsgüter der Kategorie ML 11 im Umfang von acht Millionen Franken nach Ruanda. Auf Nachfrage stellt das Seco klar: Es handelt sich bei den Gütern um «Ausrüstung für elektronische Gegenmassnahmen (ECM) mit militärischen Spezifikationen». Das können sowohl Radarsysteme für militärische Zwecke sein, Geräte zur Abwehr von Drohnen oder der Unterdrückung von Kommunikationssignalen, militärische Navigationssysteme für den Einsatz von Luft- und Bodenfahrzeugen oder Kommunikationsgeräte, die für den militärischen Einsatz konzipiert sind. Alles Produkte, die in militärischen Konflikten entscheidende Vorteile bringen können.

Das Berner Rüstungscluster

Die Wochenzeitung WOZ publiziert jedes Jahr den WOZ-Rüstungsreport: Eine Datenbank, die sämtliche Exportbewilligungen von Schweizer Unternehmen für Rüstungsgüter seit 2015 sichtbar macht. Die Seite erlaubt einen Blick auf das Geschäft mit Krieg, Aufrüstung und Überwachung: sie enthüllt die Namen, Adressen und Hintergründe jener rund 150 Schweizer Firmen, die Waffen, weitere militärische Güter und Überwachungstechnologie exportieren. In und um Bern sind weit mehr Unternehmen auffindbar als nur die Plath AG.

In der Stadt oder in Stadtnähe sind auch das Bundesunternehmen Ruag sowie Armasuisse, das Bundesamt für Rüstung. Rund um Thun existiert derweil eine ganze Ansammlung namhafter Rüstungsfirmen. Dazu gehört zum Beispiel Nitrochemie Wimmis, die Treibladungen herstellt und der deutschen Rheinmetall-Gruppe und der Ruag als Joint Venture gehört. Bis zum Ersten Weltkrieg befand sich die Schweizer «Kriegspulverfabrik», die Vorläuferin der Nitrochemie, unweit des Stufenbaus in Papiermühle in der Gemeinde Ittigen, in der die «Hauptstadt» kürzlich für eine Aussenwoche zu Gast war. Weil es im immer dichter besiedelten, engen Worblental zu riskant wurde, Explosiva herzustellen, wurde die Fabrik nach Wimmis verlegt. (ln/jsz)

Und in genau einen solchen Konflikt ist Ruanda verwickelt: Das ostafrikanische Binnenland unterstützt in der Demokratischen Republik Kongo die Rebellengruppe M23 – unter anderem auch militärisch. Das wusste man 2024 bereits, meint Robert Bachmann, politischer Analyst bei der nichtstaatlichen Organisation Public Eye, die sich für die Einhaltung von Menschenrechten von Unternehmen einsetzt. «Die Sicherheitslage im Osten der DR Kongo war zum Bewilligungszeitpunkt bereits katastrophal», sagt Bachmann, «auch die Rolle der M23-Rebellengruppe und deren Unterstützung durch Ruanda war bereits bekannt und wurde weitherum kritisiert.» Auf die Nachfrage, ob die Produkte aus Bern im Krieg im Kongo eingesetzt werden könnten, meint er: «Absolut, das ist nicht auszuschliessen. Der Krieg im Osten der DR Kongo fordert täglich Menschenleben, unzählige Menschen werden vertrieben, die humanitäre Lage ist katastrophal.»

Die Schweiz betreibt in der Demokratischen Republik Kongo, in Ruanda und in Burundi ein umfangreiches Programm zur Entwicklungszusammenarbeit, humanitären Hilfe und Friedensförderung. Das mache den Export umso erstaunlicher, meint Bachmann: «Die Lieferung militärischer Güter an die ruandische Armee steht im Widerspruch mit diesem Engagement der Schweiz.»

Fast 120 Millionen in 10 Jahren

Ein Blick auf die Exporte der Firma in den Vorjahren macht zudem klar, dass Ruanda nicht der einzige fragwürdige Export ist. Das zeigt der WOZ-Rüstungsreport (siehe Infobox). Zu den Kund*innen der Firma gehört seit vielen Jahren auch Vietnam. Ein Land mit einem autoritären Regime, das Oppositionelle im Ausland überwacht und verschleppt und von dem offensive Überwachungsangriffe gegen Staatsoberhäupter und UN-Offizielle ausgingen. An Vietnam exportierte die Plath AG in den letzten Jahren Produkte im Wert von über 80 Millionen Franken. Weitere Exporte gingen an die repressiven Monarchien Jordanien oder Marokko.

Plath AG fotografiert am Freitag, 19. September 2025 in Ostermundigen. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
In Blickweite des Bäretowers: Plath AG. (Bild: Simon Boschi)

Das Berner Unternehmen gehört zur deutschen Plath Gruppe mit Sitz in Hamburg. Diese zählt mindestens elf Firmen – alle vorwiegend aus dem Überwachungssektor. Zwischenzeitlich war die Gruppe gar am Intellexa-Unternehmenskonsortium beteiligt, dem zahlreiche illegale Exporte von Spionagetechnologie vorgeworfen werden, wie die internationale Recherche «Predator Files» aufzeigte. Sowohl die Mutterfirma als auch ihre Berner Tochter distanzierten sich damals von Intellexa und ihren Geschäften.

Plath AG sagt über sich selber, dass sie «präzise Sensoren und leistungsfähige Software» herstelle, die den Kunden umfangreiche Informationen liefere. Das Ziel: «Krisenfrühprävention» – an Land, auf See, in der Luft oder im Cyberspace. Mit anderen Worten: Die Firma stellt Produkte für die elektronische Kriegsführung her. Das können Radarsysteme für die Erkennung von Drohnenangriffen, Kommunikations- und Überwachungslösungen für militärische Operationen oder verschiedene Software- und Hardwarelösungen für die Überwachung oder zum Stören von Kommunikation bestimmter Ziele sein.

Mit dem Segen der Behörden

Die Produkte der Plath AG fallen in die Kategorie der besonderen militärischen Güter, weshalb ihr Export bewilligungspflichtig ist. Die Details dazu regelt das nationale Güterkontrollgesetz – und nicht etwa die neuere Verordnung für Mobilfunk- und Telefonüberwachung (VIM). Die Überwachungsprodukte aus Ostermundigen unterliegen damit einem schwächeren Kontrollregime als Produkte aus dem VIM-Bereich, dies obwohl sie teilweise ähnliche Fähigkeiten besitzen. Die Firma nutzt das voll aus, wie ein Blick auf die gewährten Exportbewilligungen zeigt: Keine VIM-Firma hat in den letzten Jahren Bewilligungen in ähnlichem Umfang wie die Plath AG eingeholt.

Plath AG fotografiert am Freitag, 19. September 2025 in Ostermundigen. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die Plath AG ersucht fleissig um Exportbewilligungen. Und erhält sie oft. (Bild: Simon Boschi)

Auf welcher Grundlage also erteilte das Seco eine Exportbewilligung für das Geschäft mit Ruanda? Das Seco sagt: «Zum Zeitpunkt der Gesuchsprüfung bestanden gegenüber dem Bestimmungsland keine Sanktionen, die von der Schweiz mitgetragen werden. Die Verweigerungskriterien der Güterkontrollverordnung wurden als nicht erfüllt betrachtet.»

Wer die Ablehnungskriterien für Exporte von besonderen militärischen Gütern im Gesetz nachschaut, merkt schnell: Die sind sehr schmal gefasst. Laut Artikel 6 des Güterkontrollgesetzes können Ausfuhren nur abgelehnt werden, wenn die Schweiz selbst Sanktionen erlassen hat. Oder wenn internationale Sanktionen existieren, die die Schweiz mitträgt. Nach der zum Gesetz gehörenden Güterkontrollverordnung bestehen zusätzlich Verweigerungsmöglichkeiten, wenn Geschäfte «zur konventionellen Aufrüstung eines Staats in einem Mass beitragen, das zu einer erhöhten regionalen Spannung oder Instabilität führt oder einen bewaffneten Konflikt verschärft». Experte Robert Bachmann urteilt: «Beides ist bei Ruanda nicht der Fall. Die Exporte haben wohl den formalen Kriterien entsprochen.»

«Grundsätzlich keine Auskünfte»

Doch auch wenn die Behörden keinen Ablehnungsgrund haben, kann eine Firma auf heikle Geschäfte verzichten. Analyst Bachmann von Public Eye vermisst in diesem Fall die Unternehmensverantwortung. Gerade weil diese laut Gesetz nicht in den Aufgabenbereich der Behörden falle, würden diese Fragen den Unternehmen überlassen. Hier scheine die Firma nach dem Prinzip «alles ist in Ordnung, was nicht verboten ist» geurteilt zu haben. Das werde dem Missbrauchspotenzial dieser Güter nicht gerecht, findet Bachmann und fordert eine Anpassung der Verweigerungskriterien: «Damit die Behörden in Zukunft prüfen müssen wie die Situation vor Ort aussieht und welche aussenpolitischen Interessen der Schweiz auf dem Spiel stehen.»

Plath wollte sich auf Anfrage weder zum Export nach Ruanda noch zur Unternehmensverantwortung äussern. Weder im Herbst 2023 bei einem Besuch vor Ort, noch auf eine schriftliche Anfrage zu den jüngsten Exporten nach Ruanda und Vietnam. Die Büros an der Güterstrasse in Ostermundigen bleiben für Medien verschlossen. Franz Gupitsch, der COO der Firma, lässt auf einen umfangreichen Fragenkatalog lediglich verlauten: «Wir bitten um Verständnis, dass wir im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie Vertraulichkeits- und Geheimschutzverpflichtungen grundsätzlich keine Auskünfte erteilen können.»

*Lorenz Naegeli ist Journalist beim WAV Recherchekollektiv (www.wav.info) und Mitautor des WOZ-Rüstungsreports.

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