Relax – Hauptstadt-Brief #441
Donnerstag, 20. März 2025 – die Themen: Ausstellung; Schiesserei; Personalpolitik; Psychische Gesundheit; Soziale Beizen; Städtische Abstimmungen; Ostermundigen-Tram; Gerechtigkeit; Hospiz für Bern.
Weisst du schon, wann du heute Pause machen wirst? Und vor allem: Wie? Dass es vielen Menschen in der heutigen Arbeitswelt schwer fällt, abzuschalten, ist mittlerweile zu einem Gemeinplatz geworden. Multitasking und Dauererreichbarkeit sind die Kehrseiten der Effizienzsteigerung des digitalen Zeitalters. Wie man in diesem Spannungsfeld Zeit zum Durchatmen findet, versucht die Ausstellung «CTRL+ALT+RELAX» am Hauptsitz der Mobiliar-Versicherung seit vergangener Woche zu ergründen. Dies geschieht nicht ohne eine Prise Ironie: Denn die Ausstellung ist nur wochentags zu Bürozeiten geöffnet – Interessierte müssen also eine Beschäftigungspause einlegen, um sie zu besuchen. Oder die Gelegenheit an der Museumsnacht diesen Freitag ergreifen.
Wie kann man sich digitale Helfer zunutze machen, anstatt dass sie Energie absaugen? Dies ist eine der zentralen Fragen der Ausstellung, die sich über verschiedene Stationen durch einen grossen Teil der Unternehmenszentrale erstreckt. Entstanden ist die Ausstellung aus einer Zusammenarbeit mit dem Mobiliar Lab für Analytik an der ETH Zürich, das unter anderem Stress am Arbeitsplatz erforscht. «Unsere Forschung zeigt, dass ein Atemtraining mit Virtual Reality besonders effektiv zur Entspannung beitragen kann», sagt Raphaël Weibel, der an dem Projekt federführend mitarbeitet.
Wie das aussehen kann, zeigt sich an einer Station mit grossem Eiersessel: Dort sitzend, blickt man über eine VR-Brille in eine virtuelle Welt und kann live mitverfolgen, wie sich der eigene Pulsschlag mit der verlangsamten Atmung beruhigt.
Ebenfalls mit einer VR-Brille arbeitet die Installation Empathy Creatures der Künstlerin und Entwicklerin Mélodie Mousset. Die Besucher*innen tauchen dort in eine quietschbunte Welt ein, in der sie mit einem niedlichen Vogel Atemübungen machen. Gibt man sich dabei ausreichend Mühe, dankt es einem die Kreatur mit Freudensprüngen – Ähnlichkeiten zu einem Tamagotchi aus den 1990er Jahren sind nicht von der Hand zu weisen.
Eine der grossen Stärken, aber auch Gefahren der Ausstellung: Man kann zugleich Mobiliar-Angestellte im Open-Space-Bereich beim Arbeiten oder in der Kantine beim Pausemachen zusehen oder wahlweise in die Inhalte aus Kunst und Wissenschaft abtauchen. Diese Doppelspurigkeit ist entweder bereichernd oder überfordernd – je nach Tagesform.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Gewalt: Am Mittwochabend sind an der Neufeldstrasse im Berner Länggassquartier aus einem Fahrzeug mehrere Schüsse auf ein Auto abgegeben worden. Dabei wurde der Autolenker schwer verletzt und ins Spital gebracht. Laut der Kantonspolizei Bern flüchtete das mutmassliche Täterfahrzeug in unbekannte Richtung. Die Polizei sucht Zeugen zu dem Vorfall.
- Stadtpolitik: Stadträtin Lena Allenspach, seit 2021 zusammen mit Meret Schindler Co-Präsidentin der SP, führt die grösste Partei der Stadt bis Ende Juni alleine. Schindler, die im Grossen Rat sitzt, arbeitet neu im Generalsekretariat von SP-Gemeinderat Matthias Aebischer, weshalb sie von ihrem Parteiamt zurücktritt. Gemäss den Unterlagen für die Parteiversammlung vom Montag wählt die SP erst Ende Juni ein neues Co-Präsidium. Lena Allenspach stehe aber als Teil einer Co-Führung weiterhin zur Verfügung, sagt sie auf Anfrage.
- Psychische Gesundheit: Das Projekt «aufsuchende Therapie für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen» wirkt nachhaltig. Zu diesem Schluss kommt eine neue Langzeitstudie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der UPD und der Universität Bern. Bei der aufsuchenden Therapie werden Jugendliche nicht stationär in einer Klinik, sondern zuhause durch ein Team behandelt. Dabei wird auch das soziale Umfeld wie Eltern und schulische Betreuungspersonen eingebunden. In Zeiten knapper Therapieplätze ausserdem von Bedeutung: Die alternative Behandlungsform benötigt gemäss den Studienautor*innen weniger Personal und verursacht weniger Kosten.
- Soziale Beizen: Viele Berner Beizen sind finanziell nicht auf Rosen gebettet – einige von ihnen leisten trotzdem neben dem Tagesgeschäft auch soziale Arbeit. Meine Kollegin Andrea von Däniken war in zwei solidarischen Beizen unterwegs. Der Augenschein im Sous le Pont und Café Kairo zeigt: Angestellte geben dort Gratis-Kaffee, Zigaretten, oder etwas Geld an Menschen in prekären Verhältnissen. Für die Betriebe ist das ein schmaler Grat.
- Städtische Abstimmungen: Die Stimmberechtigten der Stadt Bern können am 18. Mai 2025 über drei städtische Vorlagen befinden. Das teilte der Gemeinderat heute Morgen mit. Zur Abstimmung kommen der Baukredit für die Gesamtsanierung und Erneuerung des Freibads Marzili sowie die Ausführungskredite für die Gesamtsanierung Untertorbrücke und die Umgestaltung und Sanierung von Bären- und Waisenhausplatz.
- Philosophie: Was kann man von Kindern einer 3. Klasse zum Thema Gerechtigkeit lernen? Philosophie-Kolumnist Christian Budnik hat es bei einem Schulbesuch ausprobiert – mithilfe eines Zitronencakes. Budnik gelangte bei der Verteilung zur Ansicht: Allein gerechte Gesetze zu verabschieden, reicht nicht. Man muss auch dafür sorgen, dass die Umsetzung der Gerechtigkeitsideen gelingt.
- Tram: Der ursprünglich für Anfang 2026 geplante Baustart der Tramlinie Bern-Ostermundigen wird sich um mindestens ein Jahr verzögern. Das Bewilligungsverfahren benötige mehr Zeit, teilte Bernmobil am Mittwoch mit. Sie begründet dies mit hängigen Einsprachen und hoher Komplexität. Je nach Dauer der Verzögerung sei auch mit Mehrkosten zu rechnen. Gemäss Berechnungen aus dem Jahr 2020 sollte die neue Tramlinie rund 264 Millionen Franken kosten.
- Hospiz: Im Stadtberner Länggassquartier soll Anfang 2027 ein Hospiz entstehen. In diesem können schwerkranke Erwachsene am Ende ihres Lebens würdevoll Abschied nehmen – begleitet von einem professionellen Umfeld. Initiiert hat das Projekt der Verein Hospiz Bern, in dem die Stiftung Mon Soleil, die Spitex Bern, die Lindenhofgruppe und Domicil Bern zusammenarbeiten. Das Erwachsenenhospiz wäre das erste im Kanton Bern, bisher verfügen sieben andere Kantone über eine solche Einrichtung.
PS: Beim nächsten Hauptsachen-Talk in der Turnhalle im Progr geht es um die Berner Gastroszene. Was macht ihr zu schaffen? Und was gibt Hoffnung? Sei dabei am Donnerstag, 3. April um 19:30 Uhr.