Riesenrad, kein Krisenrad
Was ist besser als ein Riesenrad? Zwei Riesenräder. Elise Akkerman, noch bis zum 25. Oktober auf dem Gurten zu Gast, hat mit diesem Business ihre Krisenversicherung gefunden.
«Riesenrad geht immer», sagt Elise Akkerman mit einem Akzent, der die Worte zum Rollen bringt und ihre Herkunft aus dem Norden Hollands verrät. Wie so viele Schausteller*innen war Akkerman in der Corona-Pandemie zum Nichtstun verdammt. Ihr Verkaufsstand für holländische Krapfen, sogenannte «Oliebollen», durfte nicht von Chilbi zu Chilbi touren. Auch ihre Skeeball-Attraktion blieb geschlossen.
«Riesenräder durften aber immer fahren», sagt Akkerman und gerät ins Schwärmen in Anbetracht der ökonomischen Unverwundbarkeit und Vielseitigkeit: «Alle Menschen auf der Welt kennen Riesenräder», sagt sie. Und in Riesenrädern könne man auch gut Mindestabstände einhalten.
Mindestabstände sind an diesem Oktobernachmittag auf dem Gurten ein Ding der fernen Vergangenheit. Dicht gedrängt stehen Familien vor dem Verkaufscontainer. Das Geschäft läuft. Dass deutscher Schlager-Dudel-Sound aus den Boxen scheppert – «Marmorstein und Eisen bricht», «Griechischer Wein» – tut der guten Laune keinen Abbruch.
Elise Akkerman, Pilotenbrille, fliedernes Jacket, viele glitzernde Ketten, reicht Eintrittschips durch ein kleines Fenster an die Besucher*innen. Für diese geht es dann weiter zum Eingangsbereich, wo ihnen drei Mitarbeitende Kabinen zuweisen. Der Lauf des Riesenrads ist genau programmiert, so dass Besucher*innen auf der untersten Ebene immer wieder zu- und aussteigen können.
Die Eckdaten ihres «Reuzenrads», wie das Fahrgeschäft auf Niederländisch heisst, gehen Elise Akkerman so flüssig über die Lippen, als handele es sich um ihre Telefonnummer: Es ist 39 Meter hoch, bietet maximal 144 Menschen Platz und wird von vier Motoren angetrieben. Gekostet hat es 1,1 Millionen Euro.
Für Elise und ihren Mann Jan scheint sich diese Investition auszuzahlen, denn sie haben bereits ein zweites Riesenrad in Auftrag gegeben. Riesenräder sind nicht nur eine Krisenversicherung, die Akkermans versprechen sich von ihnen auch mehr Zeit zu zweit. «Mit unseren früheren Jahrmarkt-Ständen mussten wir immerzu auf- und abbauen, hatten nie Zeit füreinander. Riesenräder aber stehen länger an einem Ort», erklärt die Holländerin.
Wunsch und Wirklichkeit klaffen aber noch auseinander: Niederglatt, Bremgarten, Aarburg, Schlieren – Elise war mit ihrem Riesenrad-Tross in der Schweiz auf Tour. Ihr Mann arbeitete dagegen daheim in Groningen Aufträge ab. Er baut auch Kulissen und Wagen für Jahrmärkte – und spürt immer noch die Spätfolgen der Pandemie, weil er damals kaum etwas verdiente.
So war Elise Akkerman weitgehend auf sich alleine gestellt, als es daran ging, das Riesenrad auf den Gurten zu transportieren: Die kurvige Bergstrasse war nass, weshalb ihr die Fahrt mit Camion und angehängtem Auflieger alles abverlangte. Den LKW-Führerschein hat sie zudem erst seit einem Jahr.
Auch Wohnwagen fanden den Weg auf den Berner Hausberg. In ihnen lebt Elise mit ihren zwei Kindern, 12- und 14-jährig. Sie besuchen ihre holländische Schule derzeit virtuell über ein Online-Tool. Nächstes Jahr sehen sie ihre Schulkolleg*innen dann auch von Angesicht zu Angesicht wieder. Am 25. Oktober ist am Gurten Schluss – dann soll das Riesenrad noch auf einem Weihnachtsmarkt in der Schweiz stehen, bevor es zurück nach Groningen geht.
Den Gurten und die Aussicht werde sie vermissen, sagt Akkerman. Wenn am Abend das Rad stillsteht und die letzten Besucher*innen gegangen sind, geht sie mit ihren Kindern häufig eine Runde spazieren. «Die Sterne sind so hell hier oben», schwärmt die Riesenrad-Besitzerin.