Roadtrip durchs Leben

In der SRF-Serie «Donat auf Achse» erzählen Menschen Donat Hofer von ihren Höhen und Tiefen. Der Reporter selbst hadert immer wieder mit sich.

Donat Hofer fotografiert am Mittwoch, 10. September 2025 in Bern. (VOLLTOLL / Jana Leu)
Fernsehreporter Donat Hofer ist im Breitenrain aufgewachsen. (Bild: Jana Leu)

Klick, klick, klick. Der Besitzer eines Tattoostudios drückt auf dem Kugelschreiber in seiner Hand herum, während er erzählt, wie er in jungen Jahren den Tod seiner Mutter erlebte. Von Trauer, Aggressionen und dass man irgendwann lerne, damit umzugehen.

Wenige Minuten vorher. Ein gelber Oldtimer hält in Rorschach am Strassenrand. Reporter Donat Hofer steigt aus und spricht einen Mann vor dem Tattoo- und Coiffeursalon an. «Salut salut, Donat, Schwizer Fernseh, Sändig über z Läbe, chöimer inecho?» Dazu macht er eine wegwerfende Handbewegung.

Die Kamera ist Nebensache, was zählt, ist die Begegnung. Und die hat es in sich.

Von Einsamkeit bis Wrestling

Donat Hofer, 38 Jahre alt, ist aufgewachsen im Berner Breitenrainquartier, mittlerweile lebt er mit seiner Familie in Zürich. Der Altbau, in dem seine Mutter bis heute wohnt, liegt zwischen Robinson-Spielplatz, lauschigen Hinterhöfen und dem linksalternativen «Breitschträff». «Ein Paradies», sagt Hofer auf einem Spaziergang zu seinem alten Daheim.

Kürzlich erschien die zweite Staffel seiner essayistischen Reportagen-Serie «Donat auf Achse». Auf Reisen durch die Deutschschweiz befragt Hofer Menschen, die er unterwegs antrifft. Er hält auf Baustellen, in Altersheimen, auf Bauernhöfen, in Cafés, auf Parkplätzen, erfährt von Gebrechen, Geldsorgen, Verlusten, Einsamkeit, Traumata, aber auch von Liebe, Optimismus und Erfüllung.

Diese zufälligen Interviews wechseln sich ab mit geplanten Beiträgen, die Einblicke in diverse Lebenswelten und Themen geben. Häufig sind es schwere Geschichten. Da ist etwa Sanja, die in die Wrestling-Fussstapfen ihres Vaters tritt. Sie zeigt Hofer in ihrem Zimmer die Narben ihrer Selbstverletzungen und erklärt, wie die Verwandlung in ihre Showfigur «Warchild Saga» ihr Stärke verleiht. Oder da ist ein Paar, das im Swingerclub versucht, den Depressionen der Frau zu entkommen.

Sprechen über psychische Gesundheit

Fast alle der Passant*innen, die Donat Hofer anspricht, machen mit. Das hat ihn überrascht. Aber es liegt auch an ihm, seiner offenherzigen und begeisterungsfähigen Art. «Aaaah, Feuerwerk!» oder «Gross!», ruft er, wenn ihm etwas gefällt. «Die Menschen vertrauen mir, erzählen einfach.» Er wendet keine spezielle Technik an, sondern achtet auf sein Gefühl. «Ich glaube, ich spüre, wie die Energie ist und was es braucht, um diese aufzulockern und zu öffnen.»

Donat Hofer fotografiert am Mittwoch, 10. September 2025 in Bern. (VOLLTOLL / Jana Leu)
Donat Hofer ist dafür bekannt, dass er leicht Zugang zu Menschen findet. (Bild: Jana Leu)

Donat Hofer hat Psychologie an der Universität und BWL an der Fachhochschule studiert. Einmal arbeitete er als Bankenprüfer, als Psychologe derweil nie. Über das DIY-Gemeinschaftradio RaBe und ein Praktikum bei der Produktionsfirma Mediafisch ist er stattdessen im Journalismus gelandet. «Das höre ich manchmal: Gell, du bist Psychologe und darum stellst du die Fragen so?», sagt Hofer. Richtig sei, dass er dank des Studiums keine Angst habe, über psychische Gesundheit zu sprechen. Doch dafür brauche es kein Diplom. «Menschenverstand und Empathie, das reicht.»

Lächeln am Steuer

Als Donat Hofer für dieses Porträt vor der Kamera steht, wird seine Reporter-Rolle aktiviert. Er möchte gleich zu den Leuten rennen, die auf dem Trottoir vorbeigehen. «Wer bist du? Was ist der Sinn des Lebens?» Existenzielle Fragen, die den Yoga-Praktizierenden auch persönlich umtreiben, stellt er unverblümt, als wäre es so leicht, wie über das Wetter zu plaudern. Dabei geht er schnell sehr nah.

Zurück im Tattoo- und Coiffeurstudio in Rorschach. Mit dem Laden haben sich die Freunde David und Res einen Jugendtraum erfüllt. Hofer interviewt einen der beiden über den Kassentresen hinweg. «Wie war dein Leben bis jetzt? – Ein Auf und Ab. – Wann geht es runter? – Momentan geht es rauf. – Yes! Das ist schön, damit enden wir. Aber wenn es runtergeht, was ist das, das dir im Leben richtig einen reingebremst hat?» Kugelschreiber-Klicken.

Nach dieser Episode lächelt Donat Hofer am Steuer. Zu Jazztönen philosophiert er aus dem Off: «Ob Tinte, Narbe oder Falten, wir sind doch alle irgendwie gezeichnet vom Leben. Jeder auf seine Art und Weise. Und das ist doch eigentlich noch schön, nicht? Item. Wir gehen weiter, immer der Nase nach.»

Grenze am Schnittplatz

«Donat auf Achse» bewegt die Zuschauenden. Donat Hofer wird täglich darauf angesprochen und bekommt viel Post, vor allem auf Instagram. Trotz stolzer Quoten ist eine weitere Staffel wegen des Sparprogramms von SRF noch nicht entschieden. Gewiss ist, Hofer unternimmt seine Exkursionen zu den Menschen «huere gärn».

Donat Hofer fotografiert am Mittwoch, 10. September 2025 in Bern. (VOLLTOLL / Jana Leu)
An seine eigene Kindheit erinnert sich Donat Hofer nur lückenhaft. (Bild: Jana Leu)

Solche sozialen Reportagen seien allerdings eine Gratwanderung, sagt er: Zwischen dem Sichtbarmachen von Schicksalen und Problemen, die viele Leute betreffen, und Voyeurismus. «Voyeurismus ist immer dabei und das ist okay, im Sinn von menschlich.» Kippen würde es, wenn die Öffentlichkeit der Person mehr schade als nütze und sie darunter leidet. «Die Grenze setzt du auf dem Schnittplatz.» Manche Personen müssten vor sich geschützt werden, etwa wenn etwas publik würde, das die Angehörigen noch nicht wussten. Die Protagonisten geben jeweils ihr Einverständnis zum Senden.

Das Publikum ist nicht immer einverstanden. Zur Folge mit der Swingerin erhielt Donat Hofer kritische Rückmeldungen, was sonst selten vorkommt. Sie seien zu weit gegangen, weil Sexualität in Kombination mit psychischer Erkrankung gezeigt werde. «Wir und die Porträtierte sahen es anders.» Für sie sei es ein Akt der Selbstbestimmung, sich mit ihrer Lust zu akzeptieren und im Fernsehen zu zeigen.

Vorbild «Grüezi Deutschland»

Vorwerfen kann man Donat Hofer hie und da flüchtige Vorbereitung. In einem Jugendtreff zum Beispiel reduziert er die Jugendlichen auf ihren Handykonsum.

Nachher tüftelt er umso länger an seinen Filmen. Glücklich ist er, wenn «ein Mensch in seiner Kraft, mit seiner Geschichte schön rüberkommt» und in einer Szene alle Elemente harmonieren. Als Journalist bezeichnet er sich nicht, «das sind für mich diese Brains, die gescheite Sachen schreiben und Skandale aufdecken». Filmemacher ist ihm lieber.

Über seine rasante Karriere bei SRF ist er immer noch ein wenig verwundert. Seit 2021 arbeitet Hofer beim jungen Format «Rec.», nachdem er der Redaktion von «Reporter» mit einem Doku-Projekt über seine frühere Schulkollegin, die Musikerin Steff la Cheffe, aufgefallen war. 2023 stiess er ausserdem zu «Reporter» und 2024 zur Talksendung «Focus».

Mit Anfang 20 hatte er als Zuschauer «Reporter» und «Focus» verschlungen und wurde Fan der Roadtrip-Sendungen «Grüezi Deutschland» und «Müslüm TV». Der Moderator Frank Baumann und der Berner Künstler Müslüm gingen besonders über Humor auf Tuchfühlung mit den Leuten. «Donat auf Achse» gelingt nun eine eigene Balance zwischen locker und ernst.

Die Sendung ist nicht nur inspiriert von «Grüezi Deutschland», die Crew besteht auch aus demselben Kameramann Matthias Gruic und Tonmann René Alfeld. Ihre Gespräche mit Hofer werden mitgeschnitten, was eine interessante reflektierende Ebene hineinbringt.

Lücken in der Erinnerung

«Mit Mätthu und René kann ich mich selbst sein», sagt Donat Hofer. Er hadert immer wieder mit Selbstzweifeln und Unsicherheiten. Überwinden kann er sie am besten beim Meditieren. Oder wenn er keine Zeit zum Nachdenken hat. Als er an einem Drehtag auf einer künstlichen Welle surfen ging, merkte er: «Genau so muss ich drehen. Im Moment sein und auf mich und meine Skills vertrauen.»

Doch er bleibe «labil». Ob die Gründe in der Vergangenheit liegen? Das würde Reporter Donat hier fragen. An seine Kindheit erinnert er sich nur lückenhaft. Hofers Mutter hatte depressive Phasen, seine Eltern trennten sich, als er und sein Bruder noch zur Schule gingen. «Ja, da ist viel Unsicherheit, da ist Verletzung, da ist…» Er bricht ab. Es sei das erste Mal, dass er öffentlich darüber spreche.

In diesem Moment schaut seine Tante Ruth beim Haus vorbei. «Wie war ich als Kind?», fragt er. «Lieb, interessiert, wild, normal, und du hast gern Geschichten gehört», antwortet sie. Was ihn belastete, habe er für sich behalten.

In einer Folge besucht Donat Hofer eine Primarschule in Bern, in der die Schüler*innen im Fach «Ich» lernen, über Gefühle zu sprechen. Sie machen eine Übung, bei der sich die Kinder gegenseitig unter einer symbolischen «warmen Dusche» Komplimente verteilen. Hofer schlägt vor, dass heute auch die Lehrerin Komplimente erhalte. Diese ist gerührt. Nach der Lektion lehnt der Reporter draussen an einer Wand und blickt zufrieden in den Regen.

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