Hochglanz-Bau mit Flecken

Frag die «Hauptstadt», Folge 10 – Der Regelbetrieb der neuen Schwimmhalle wirft nach rund zwei Monaten Fragen auf, insbesondere geht es um die Garderoben.

Frag die Hauptstadt
Beim Audioformat «Frag die 'Hauptstadt'» können Leser*innen per Sprachnachricht Fragen an die Redaktion stellen. Manchmal antwortet diese aber auch auf Leser*innenkommentare. (Bild: Jana Leu)

«Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz?», sang Janis Joplin in den 1970er Jahren mit Inbrunst und a cappella. 

Jetzt ist 2023 und Bern hat ihn, den Mercedes Benz. Zumindest im übertragenen Sinne. Den Mercedes Benz der Schwimmbäder nämlich, die Schwimmhalle Neufeld. Eine luftige Architektur mit geschwungenem Dach, 50-Meter-Edelstahlbecken und einem verschiebbaren Startblock-Element. 75 Millionen Franken liess die Stadt sich das kosten.

Die Schwimmhalle ist seit über zwei Monaten in Betrieb: Menschen sind vom Fünf Meter-Turm gesprungen, haben sich im Whirlpool entspannt oder sind mit viel zu nassen Haaren aus der Umkleide in Richtung Bus gerannt. Was man eben so macht in einem Schwimmbad. Der Regelbetrieb hat aber auch Fragen aufgeworfen. Einige davon hat unser Leser Marco Diener an uns herangetragen.

Für die «Hauptstadt» ist das die Gelegenheit, unter die Motorhaube des Mercedes Benz zu blicken. Sie hat sich dafür mit dem städtischen Sportamt ausgetauscht.

Längere Wege für Frauen

Frage 1: Warum läuft man in der Garderobe mit Strassenschuhen und barfuss im gleichen Bereich herum? 

Das Amt antwortet darauf lapidar: In jedem Bad überschneide sich nunmal die Barfusszone mit der Schuhzone, also dort, wo die Schuhe ausgezogen würden. Bei fast allen Bädern passiere dies im Umkleidebereich. «Bauliche Anpassungen» in der Schwimmhalle Neufeld seien derzeit aber in Abklärung.

Dass es auch anders geht, zeigt das schon in die Jahre gekommene Wyler Hallenbad, sozusagen der Fiat Punto unter den Bädern. Dort ziehen die Besucher*innen ihre Schuhe noch vor der eigentlichen Umkleidekabine auf einer Bank ab und laufen von da an barfuss zu ihren Spinden.

Frage 2: Warum hat es hinter der Garderobentür keinen Sichtschutz? Wenn beispielsweise die Tür der Frauengarderobe offen ist, sieht man hinein.

Das Sportamt dazu:

«Das Bedürfnis für einen zusätzlichen Sichtschutz in den Garderoben ist uns bekannt. Zurzeit laufen Abklärungen, in welcher Form ein solcher umgesetzt werden könnte.»

Bis es soweit ist, müssen Badi-Besucherinnen längere Wege einplanen als Badi-Besucher, denn ihre Garderoben wurden als vorläufige Massnahme in den hinteren Bereich des Bads verschoben. 

Frage: 3: Warum öffnen die Garderobentüren alle nach innen? Sind keine Fluchtwege vorgesehen?

Wiederum das Sportamt: Aufgrund der maximalen Anzahl an Personen im Garderobenraum sei es zulässig, dass die Türen nach innen öffnen. Die Planer*innen des Bads hätten das so konzipiert, um «Konflikte mit dem Personenverkehr im Korridor» zu vermeiden.

Zwei Mal An- und Auskleiden

Es ist eben dieser lange Korridor nach der Umkleide – mit übrigens ziemlich schmutzempfindlichen Fliesen – der Leser Marco Diener zu seiner vierten Frage führt:

Warum sind Garderoben und Duschen baulich voneinander getrennt? Wenn man nach dem Schwimmen geduscht hat, muss man durch einen öffentlichen Bereich. Das heisst: Man muss sich nach dem Duschen wieder anziehen, bevor man sich in der Garderobe dann wieder auszieht.

Die Verlautbarung des Sportamts: «Im Falle der Schwimmhalle Neufeld wurde aus baulichen Gründen entschieden, die Garderoben und den Duschbereich komplett zu trennen». Die Garderoben hätten aufgrund ihres Volumens ansonsten keinen Platz mehr im Badegeschoss gehabt und umgekehrt hätte der Duschbereich im Eingangsgeschoss keinen Platz gefunden. Das sei der für den Bau zur Verfügung stehenden Fläche geschuldet.

In dieser Hinsicht ist die Schwimmhalle also Opfer ihrer eigenen Grösse. Ein bisschen so wie ein Mercedes auf Parkplatzsuche.

PS:

Mit der Tisch-Stuhl-Komposition vor der Schwimmhalle hat sich die letzte Folge «Frag die Hauptstadt» zum Thema Kunst am Bau beschäftigt. Das sprudelnde Vergnügen währte nur kurz: Mittlerweile ist das Wasser abgestellt worden. Um Frost- und Unfallgefahren vorzubeugen, verfährt die Stadt bei der Installation genauso wie bei anderen Brunnen, und legt sie im Winterhalbjahr trocken.

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Diskussion

Unsere Etikette
Peter Birrer
28. November 2023 um 16:07

Die Kritik an der neuen Neufeld-Schwimmhalle ist gesucht und überzogen. Mir gefällt die Grosszügigkeit des Baus. Wo gibt's denn das sonst? Die Halle ist kein unsauberes Ärgernis mit zu langen Wegen, sondern ein guter Wurf, der Anerkennung verdient. Die Hygiene kann in jedem Hallenbad thematisiert werden.