Termine, Bauernjahr, Zölle
News vom Donnerstag, Hauptstadt-Brief #493
Vielleicht geht es dir gerade wie mir: Die To-Do-Liste wächst, das Hamsterrad nimmt Fahrt auf. Zurück im Alltagstrott. Wie so häufig weitet die Kunst in solchen Momenten den Horizont:
Was wäre, wenn wir plötzlich alles erledigt hätten, was es zu erledigen gibt? Wer sind wir, wenn wir nichts mehr müssen?
Diese Fragen treiben Studierende des Schauspielstudiengangs der Berner Hochschule der Künste (HKB) um. Sie haben im Stück «Scheinleistung» auf der Bühne ein Netz von Verpflichtungen gespannt.
Mit Erfolg: Diesen Sommer räumten sie beim Treffen der deutschsprachigen Schauspielschulen in Salzburg vier Preise ab. 200 Schauspielstudierende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen daran teil.
Eine der Auszeichnungen für das Berner Ensemble ging an Moritz Giese, der an der HKB im dritten Jahr Schauspiel studiert. Das Stück sei auch der theatralische Versuch, zu zehnt miteinander zu arbeiten, sagt er. Und dies im doppelten Sinne: Giese und seine Schauspielkolleg*innen tragen auf der Bühne Blaumänner mit Krawatten. In einer Bürokonstruktion zelebrieren sie die ruhelose Arbeit: Mithilfe von Stempeln und Megafon-Durchsagen.
Ein zentrales Element der Inszenierung ist laut Giese der «Mythos des Sisyphos» von Albert Camus. «Wir haben uns gefragt: Was passiert, wenn der Stein plötzlich liegen bleibt und Sisyphos’ Arbeit so beendet wird? Auf der Bühne eröffnen sich zwei Lesarten: «Sind wir dann wirklich frei oder eher hoffnungslos, weil wir keinen Antrieb mehr haben?», fasst Giese zusammen.
Im Leben der Schauspielstudierenden rollt der Stein auf jeden Fall weiter: Sie hospitieren momentan an verschiedenen deutschsprachigen Theatern und versuchen sich einen Namen zu machen. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass das Stück nach Salzburg nochmals in Bern aufgeführt werde, so Giese.
Es bleibt einem in der Mühle des Alltags also nichts anderes übrig, als selbst einmal Camus’ Sisyphos hervorzukramen.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Bauernjahr: Bio ist zumindest bei städtischen Konsument*innen in aller Munde. Doch was bedeutet die Umstellung auf eine Bio-Produktion für den jeweiligen Landwirt? Meine Kollegin Andrea von Däniken hat Stefan Niederhauser getroffen, der vor anderthalb Jahren den städtischen Bauernhof in Riedbach übernommen hat. «Ich habe es nie bereut, auf Bio umgestiegen zu sein», sagt Niederhauser. Denn letztlich nehme ein Bio-Betrieb auch den Druck weg: «Ein möglichst hoher Ertrag steht nicht im Vordergrund; es geht auch um Nachhaltigkeit und einen fairen Umgang mit Tier und Natur».
- Waldforschung: Die Klimaerwärmung verändert den Wald. Welche Baumarten hierzulande am besten mit steigenden Temperaturen klarkommen, beschäftigt zum Beispiel Waldbesitzer*innen wie die Berner Burgergemeinde. Doch der Wald besteht nicht bloss aus Bäumen, sondern auch aus Mikroorganismen am Boden. Diese hat eine internationale Forschungsgruppe mit Beteiligung der Universität Bern nun in Bezug auf die Klimaerwärmung untersucht. Die Forscher*innen kommen zum Schluss, dass Mikroorganismen ihren jahreszeitlichen Rhythmus stärker verschieben als Pflanzen. Dies kann laut den Forscher*innen das gesamte Ökosystem stören und die Widerstandsfähigkeit schwächen.
- Religionsfreiheit: Eine Primarschullehrerin hat in Worb ihre Stelle verloren, weil sie im Unterricht ein Kopftuch trug. Die Frau habe während zweieinhalb Jahren an der Schule in einem kleinen Pensum vorwiegend Sprachen unterrichtet, wie BZ/Bund am Mittwoch schreiben. Im Kanton Bern gilt gemäss der kantonalen Bildungsdirektion seit längerem eine eindeutige Weisung: «Beim Unterrichten und in der Rolle als Lehrperson darf kein Kopftuch getragen werden». In Worb hatte der Schulinspektor darauf hingewiesen, dass das Kopftuchtragen im Unterricht nicht mit den kantonalen Vorgaben vereinbar ist.
- US-Zölle: Was bedeutet der von Präsident Trump angekündigte Zollsatz von 39 Prozent für die Berner Wirtschaft? Für viele Unternehmen dürfte es einem «Ende des US-Markts» gleichkommen, sagt der Direktor des Berner Handels- und Industrievereins, Henrik Schoop, im Interview mit dem Bernerbär. Er gehe in diesem Fall davon aus, dass die Anträge auf Kurzarbeit stark zunehmen werden. Schoop sieht mittelfristig zudem Produktionsverlagerungen in andere Länder als Konsequenz. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sind in dieser Woche in die Vereinigten Staaten gereist, um erneut über die Zölle auf Schweizer Produkte zu verhandeln.
- Pilze: Im Laufe des Augusts beginnt traditionell die Pilzsaison. Auch in diesem Jahr bieten Gemeinden in der Region Pilzkontrollen an. In der Stadt Bern ist die Kontrollstelle bei der Alten Feuerwehr Viktoria seit dieser Woche geöffnet. In Köniz finden die Pilzkontrollen ebenfalls seit dieser Woche dreimal wöchentlich im Oberstufenzentrum Köniz statt. Beide Angebote sind kostenfrei. In Ostermundigen werden die Pilze im Schulhaus Bernstrasse unter die Lupe genommen. Für Bewohner*innen der Gemeinden Bolligen, Ittigen, Vechigen und Ostermundigen ist das Angebot gebührenfrei – Auswärtige müssen fünf Franken bezahlen. Im Kanton Bern ist die Menge gesammelter Pilze auf zwei Kilo pro Person beschränkt.
- Abkühlung: Hochsommerliche Temperaturen laden in diesen Tagen wieder zum Aarebad ein. Doch nach den starken Regenfällen der letzten Wochen sei zusätzlich Vorsicht geboten, schreibt die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am Mittwoch in einer Mitteilung. Flüsse und Seen führten derzeit viel Wasser. Die SUVA ruft deshalb die wichtigsten Flussregeln wieder in Erinnerung, welche die Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft ausgearbeitet hat.
- Fussball: Die YB Männer mussten am Mittwochabend eine klare Niederlage gegen den FC Basel einstecken. Sie verloren auswärts mit 1:4. Darian Males sorgte für die zwischenzeitliche YB-Führung – danach erzielte Basel vier Goals. Für YB geht es in der Liga bereits am kommenden Sonntag weiter mit einem Heimspiel gegen Sion.
PS: Keine Lust auf Camus, aber auf HKB-Theater? Am 22. August zeigt der Master-Studiengang «Expanded Theatre» seine Produktionen. Los geht es um 19 Uhr im HKB Theater am Zikadenweg 35.
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