Wie geht es weiter mit der Berner Kulturagenda?
Frag die «Hauptstadt», Folge 3 – Bern will eine Kulturstadt sein. Trotzdem ist das Schicksal des Veranstaltungskalenders, der «Berner Kulturagenda», in der Schwebe. Wie weiter? Bei der Beantwortung dieser Frage geht es um «Online first», Hoffnungen und das liebe Geld.
Frage von Leserin Theres:
«Wie geht es weiter mit der Berner Kulturagenda?»
Antwort von der «Hauptstadt»:
Treue Leser*innen des «Anzeiger Region Bern» werden sie kennen: Die historische Fotografie auf der Frontseite. Bern, so wie es einmal war und wie es erstaunlicherweise an vielen Ecken immer noch aussieht.
Nun könnte aber der gedruckte Anzeiger selbst bald das Schicksal der Gebäude und Sehenswürdigkeiten auf den Schwarz-Weiss-Bildern teilen. Aus der Zeit gefallen, zu Geschichte erstarrt.
Denn die Tage des gedruckten Anzeigers scheinen gezählt. Schon 2024 könnte Schluss sein, weil sich mit der Stadt Bern und Zollikofen zwei grosse Player aus dem defizitären Geschäft verabschieden wollen. Köniz macht das bereits ein Jahr früher.
Die Gemeinden tragen den Anzeiger und veröffentlichen in ihm ihre amtlichen Publikationen, Baugesuche zum Beispiel. Ein kantonales Gesetz will aber, dass diese behördlichen Anzeigen künftig auch nur noch digital veröffentlicht werden können. Das gibt den Gemeinden die Möglichkeit, Geld zu sparen, indem sie aus dem gedruckten Anzeiger aussteigen, was sie bisher nicht durften.
Warum dieser weite Bogen? Weil er entscheidend ist, damit wir Theres‘ Frage nach der Zukunft der «Berner Kulturagenda» beantworten können. Die liegt ja bekanntermassen dem Anzeiger bei und ist je nach Betrachtungsweise Herzstück oder Trittbrettfahrerin des Anzeigers. Medienfachleute sprechen davon, dass der Anzeiger das «Trägermedium» der Kulturagenda ist.
Die Kulturagenda ihrerseits könnte man als selbstverwalteten Veranstaltungsanzeiger der Berner Kulturszene bezeichnen. 265 Berner Veranstalter*innen sind in einem Verein organisiert, der die Kulturagenda herausgibt. Dieser Verein möchte die Online-Präsenz der Agenda ausbauen, aber vor allem diese auch weiterhin in gedruckter Version herausgeben
Meine Kolleg*innen Marina Bolzli und Jürg Steiner haben sich unlängst in einer Recherche für die «Hauptstadt» mit dem Schicksal der Kulturagenda befasst. Die grosse Frage ist, ob es möglich ist und Sinn ergibt, die Kulturagenda im Print-Format zu erhalten. Denn mit dem Anzeiger fällt das Medium weg, mit dem die Kulturagenda zu guten Konditionen in die Berner Haushalte verteilt wurde. Selbst Verleger Christof Ramseier, der heute den Anzeiger samt Kulturagenda im Auftrag der Gemeinden produziert, hält fest, dass es eine riesige Herausforderung wäre, die Kulturagenda in ihrer heutigen Form ohne gedruckten Anzeiger zu erhalten.
Wir müssen also eine Prognose wagen: Segnet der gedruckte Anzeiger das Zeitliche, würde das Überleben der gedruckten Kulturagenda an ein Wunder grenzen. Oder anders gesagt: Es bräuchte die ganze Kreativität der Berner Kulturszene samt ihrer Fähigkeiten im Fundraising, damit dieses gedruckte Wunder Realität würde.
Bleibt die Frage, ob die Kulturagenda rein als digitaler Veranstaltungskalender eine Zukunft hat. Aktuell ist die Online-Version veraltet. Verleger Ramseier will sie aber nun auf Vordermann bringen. Die Stadt Bern machte den Vorschlag, eine identische Lösung wie beim Online Veranstaltungskalender in Zürich anzustreben. Die Züri-Connection wurde von den Berner Kulturveranstalter*innen aber abgelehnt.
Um auf die Frage von Theres zurückzukommen: Das Bedürfnis des Berner Kultur-Publikums nach einer möglichst kompletten, übersichtlichen, praktischen Kulturagenda im Netz ist zweifellos da. Dass dieses in absehbarer Zeit befriedigt wird, hoffen alle. Ob es wirklich passiert, kann im Moment niemand mit Sicherheit sagen. Nicht einmal wir.
Im Tram, auf dem Weg ins Marzili oder am Wochenmärit – plötzlich taucht eine Frage auf und lässt einen nicht mehr los. Das Online-Magazin Hauptstadt hat deshalb ein Audioformat geschaffen, bei dem die Leser*innen ihre Fragen in eine Sprachnachricht verpacken und an die Redaktion schicken können.
Frag auch du die «Hauptstadt», jetzt hast du die Gelegenheit und schick uns dein Audiofile über WhatsApp oder Signal an: 078 205 46 89. Auch per Mail können Audiodateien an uns gesendet werden: [email protected]