Zwei alte Männer suchen nach Visionen

Der Film «Planet of Hope» präsentiert auf unterhaltsame Weise verschiedene Visionen für unsere Welt und ihre Zukunft. Gemacht wurde er von zwei Bernern.

Portraitserie für Hauptstadt  Daniel Farine und Dieter May, macher von "Planet of Hope" Dokufiction Film

© Marco Frauchiger
«Planet of Hope»: Zwei Freunde, viele Ideen, ein Film. (Bild: Marco Frauchiger)

Wir schreiben das Jahr 2430. Eine privilegierte Oberschicht lebt im All und herrscht über den Rest der Menschheit, der auf der Erde schuftet. Mit einer Zeitmaschine reisen zwei Astronauten ins Jahr 2023 auf die Erde zurück, in der Hoffnung, Ideen für eine gerechtere Welt zu finden. Dort treffen sie auf viele bekannte Schweizer Persönlichkeiten, die ihnen ihre Vision erzählen.

So beginnt der Dokumentarfilm «Planet of Hope» der Berner Daniel Farine und Dieter May, der ab 24. Oktober im Kellerkino zu sehen ist. Premiere ist am 20. Oktober im Kino Rex.

Zwei Freunde - eine Vision 

Beim Treffen mit den beiden Freunden Daniel Farine und Dieter May wird schnell klar: Sie sind sich nicht ähnlich. Farine, der ruhige und interessierte Dokumentarfilm-Macher, und May, der sich selbst als «Bär» bezeichnet und gerne mal einen Spruch klopft. Die beiden Berner waren früher zusammen in der Jugendarbeit tätig und haben sich dabei angefreundet. Heute nennen sie sich Seelenverwandte. Zukunftsvisionen haben sie aber ganz unterschiedliche. 

Die Idee, mit seinem Kollegen einen Film zu drehen, kam Dieter May (65) während des Lockdowns. Als Tiere in urbane Gebiete vordrangen, weil die Städte plötzlich menschenleer waren. May dachte, das könnte ein Weckruf für die Gesellschaft sein. «Aber heute wird genau gleich weitergefahren wie vorher. Deshalb glaube ich, dass wir erst richtig gegen eine Wand fahren müssen, bevor etwas Neues entstehen kann», sagt er. Während May also eher dystopische Vorstellungen hat, beschreibt sich Farine als Optimist.

Portraitserie für Hauptstadt  Daniel Farine und Dieter May, macher von "Planet of Hope" Dokufiction Film

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Als Astronaut Teddy Demay befragt Dieter May in «Planet of Hope» Menschen aus der Vergangenheit über ihre Zukunftsvisionen. (Bild: Marco Frauchiger)

«Konsum, Umwelt, Menschlichkeit, wie wir miteinander umgehen: das sind meine Lebensthemen», sagt Daniel Farine. «Schon vor 40 Jahren habe ich für diese Anliegen demonstriert.» Deshalb wollte der 70-jährige Filmemacher in seinem vermutlich letzten Film Zukunftsvisionen zum Thema machen. Für Star-Trek-Fan May wiederum war das Science-Fiction-Element zentral. Denn, wie er findet, sorgt die fantasievolle Verpackung für mehr Offenheit im Gespräch. May beschreibt das so: «Im Märchen öffnen sich die Leute viel lieber. Man vergisst die Realität ein bisschen, aber sie bleibt der Kern des Ganzen.» 

Irgendwo zwischen dem Ernst einer Doku und der fantasievollen Sci-Fi-Atmosphäre ist mit «Planet of Hope» ein skurriles, witziges Dialogformat entstanden, das zuweilen den Charakter einer Comedy-Show oder einer Austauschrunde einer linken Aktivist*innen-Gruppe hat. Das extra-trashige Set mit Metallelementen, blau-rosa Licht und Glitzer-Discokugel unterstützt den humoristischen, fantastischen Unterton.

Progressive Ideen 

Im Film treten die beiden alten Freunde selbst auf. Als Astronauten Teddy Demay und Dan Brave kehren sie zurück in die Vergangenheit und hören sich nach Zukunftsvisionen um. Dazu sprechen sie unter anderem mit Schweizer Politiker*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen, die von ihren Ideen und Visionen erzählen. 

Unter den Visionär*innen befinden sich vorwiegend bekannte Deutschschweizer*innen. Darunter die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, der Mundart-Rapper Tommy Vercetti, die Satirikerin Patti Basler oder Alt-Bundesrat Adolf Ogi. Vor allem für das Berner Publikum dürfte der Film schon nur deshalb sehenswert sein, weil es spannend ist, die Zukunftsvisionen der lokalen Aktivistin zu erfahren, die man in der Stadt auf dem Velo rumdüsen sieht. Oder des Musikers, dessen Songs man ab und zu hört. 

Der Berner Mundart Rapper Tommy Vercetti zum Beispiel berichtet in «Planet of Hope» von der Idee des unveräusserbaren Eigentums, das an den Eigengebrauch gebunden ist. «Mini Chleider, mis Zahnbürstli oder d Wohnig woni drin wohne, ghöre mir u niemerem wo da no Zinse ikassiert», sagt er. 

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«Planet of Hope» funktioniert mit extra-trashigem Set: Alurohre, farbige Lichter und Zukunftsgespräche an der Bartheke. (Bild: Titus Stern)

Europaparlamentarier Andreas Gross wiederum schlägt den kontinentalen Föderalismus vor: Ein demokratisches System für den ganzen Planeten. Denn er findet, aktuell gleiche die nationale Demokratie einem Schiff mit einem Steuerruder, das nicht bis ins Wasser reicht. «Mä cha mit däm länkä und heblä aber ds Schiff ghorcht ganz anderne Chräft» sagt er. Der Nationalstaat sei zu schwach geworden. 

Ähnlich wie diese beiden Ideen drehen sich viele der Themen in «Planet of Hope» um soziale Gerechtigkeit, die Ermächtigung der Menschen und die Erhaltung der Demokratie und der demokratischen Mitbestimmung. 

Die Linkslastigkeit des Films ist den beiden Regisseuren von Gesprächspartner*innen, die im Film vorkommen, auch mal negativ ausgelegt worden. Während der Dreharbeiten fragten sich manche, weshalb vorwiegend linke Personen in «Planet of Hope» mitmachen. May und Farine finden das auch schade. Angefragt hätten sie Menschen mit Ideen – egal aus welchem Lager, berichtet Farine. Bloss der Rücklauf sei unterschiedlich ausgefallen. Farine interpretiert das so: «Vielleicht haben Linke mehr Visionen. Wer an der Macht ist und mit diesem System Geld verdient, braucht keine zu haben.» 

Mit Herzblut

In ihrem Film kommen May und Farine trotz dem Dialogformat selbst kaum zu Wort. Sich im Hintergrund zu halten, war ihnen wichtig. Denn der Film soll ein Abbild der Gesellschaft sein. «Planet of Hope» funktioniert deshalb so, dass er verschiedene Blitzlichter wirft. Nacheinander lässt er alle Gesprächspartner*innen zu Wort kommen. Was durch diese Entscheidung auch passiert: Der Film ist sehr textlastig. Denn er ist quasi eine Aneinanderreihung von kleinen Monologen. Lockerheit und Witz sorgen aber dafür, dass sich «Planet of Hope» dennoch gut verdauen lässt.

Portraitserie für Hauptstadt  Daniel Farine und Dieter May, macher von "Planet of Hope" Dokufiction Film

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Daniel Farine blickt als Visionär in die Zukunft. (Bild: Marco Frauchiger)

Eigentlich sei geplant gewesen, noch mehr Bildmaterial zu verwenden, berichten May und Farine. Das wäre allerdings zu kostspielig gewesen. Weil viele ihrer Finanzierungsgesuche abgelehnt worden seien, stemmten die beiden Berner ihr Filmprojekt mit rund 30’000 Franken. Ein kleiner Betrag, der durch viele unbezahlte Arbeitsstunden aller Beteiligten aufgewogen wurde. 

Stoff für Gespräche

Mit den Zukunftsvorstellungen, die «Planet of Hope» in den Raum stellt, wollen Farine und May das Publikum anregen. Daniel Farine hofft, dass Menschen, die den Film sehen, durch diesen inspiriert werden, eigene Visionen zu entwickeln und sich mit anderen darüber auszutauschen. «Im besten Fall entsteht daraus ein Bewusstsein für die Möglichkeiten, die wir haben. Oder einfach ein gutes Gespräch.» 

Diskussionen mit Menschen, die den Film geschaut haben, würden die beiden Filmemacher auch selbst gerne beiwohnen. Dafür könnten sie sich auch vorstellen, den Film bei verschiedenen Anlässen zu zeigen: «Das kann in der Schule sein oder an einem Parteitag der SVP», findet Farine. 

All die Ideen für eine bessere Zukunft geben eine gute Portion Optimismus und Tatendrang mit auf den Weg und lassen einen in einem utopischen Schwebezustand zurück. So ist es gut vorstellbar, sich den Film gemeinsam mit Freund*innen anzuschauen und später über eigene Zukunftsvorstellungen zu diskutieren. Und wer weiss, was aus solchen Gesprächen entstehen kann. Denn zuerst kommt die Idee, dann die Umsetzung. 

Premiere: So, 20.10., 11.30 Uhr, Kino Rex (in Anwesenheit des Filmteams und Protagonist*innen, moderiert von «Hauptstadt»-Redaktorin Marina Bolzli), Ab 24.10. im Kellerkino, jeweils 19 Uhr. 

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