Cover des Buches «Was der Fall ist» 
300 Seiten hat der Roman «Was der Fall ist» von Thomas Duarte. (Bild: Manuel Liopez)

Ein Literaturfest für Nicht-Leser*innen

Während zwei Wochen sollen möglichst viele Berner*innen das gleiche Buch lesen. In anderen Städten längst etabliert, kämpft das Format bei seiner Berner Premiere mit Startschwierigkeiten.

Vor zwei Wochen verkündete das Berner Literaturfest sein Aus. «Wer füllt die Lücke?» titelte darauf die «Hauptstadt» und warf damit die Frage auf, welche Veranstalter*innen mit welchem Format die Literatur neu in Berns Öffentlichkeit tragen.

Nun steht die erste Kandidatin bereit.

Beginnend am Montag, 28. März, will das Projekt «Bern liest ein Buch» während zwei Wochen dafür sorgen, dass möglichst viele Berner*innen sich mit demselben Buch beschäftigen. In der Kornhausbibliothek, den Unibibliotheken Münstergasse und Unitobler sowie in den öffentlichen Bücherschränken liegen Exemplare auf, damit alle Interessierten kostenlos das Buch lesen können. Dazu finden Lesungen und Diskussionsrunden zu den im Roman behandelten Themen statt.

Das Buch, um das sich alles dreht, heisst «Was der Fall ist». Es ist der Erstling des in Bern wohnhaften Basler Autor Thomas Duarte und brachte ihm letztes Jahr eine Nomination beim Schweizer Buchpreis ein. Ausgewählt hat es eine Gruppe von fünf Kulturfrauen, darunter die Rapperin Steff la Cheffe.

Unter anderem werden im Buch die Themen Migration, Polizei und Freundschaft verhandelt. Obwohl das Buch unterhaltsam ist, sind 300 Seiten ganz schön viel Lesestoff für zwei Wochen. «Unser Ziel ist nicht, dass alle, die eine Veranstaltung besuchen, das Buch ganz lesen», sagt Felix Hüppi. Er leitet die Kornhausbibliotheken und ist Präsident des Vereins «Bern liest ein Buch».

Vielmehr gehe es darum, Menschen, die sich bisher kaum mit Literatur beschäftigt haben, einen Zugang zu dieser anzubieten, so Hüppi. «Wir wollen ihnen zeigen, dass Literatur neue Perspektiven auf das Leben liefern kann und oft Themen verhandelt, die einen Bezug zum eigenen Alltag haben.»

Das Budget ist zu knapp

Doch wie wollen die Organisator*innen diese Menschen erreichen, wenn sie ihr Projekt hauptsächlich an Orten bewerben, wo literaturaffines Publikum verkehrt? Hüppi gibt zu, dass die Vorbereitungen nicht ideal gelaufen seien: «Wir wollten eine Geschäftsstelle besetzen, die sich um die Programmkoordination und die Kommunikation gekümmert hätte.» Doch mit dem Budget von 12'500 Franken sei das nicht finanzierbar gewesen.

Im Naturhistorischen Museum oder im Museum für Kommunikation etwa hätten sie gerne Veranstaltungen durchgeführt. Doch diese Institutionen planen ihr Programm rund ein Jahr im Voraus – die Anfrage von «Bern liest ein Buch» traf zu spät ein.

Das Format ist keine Berner Neuerfindung. Die Idee, dass möglichst viele Menschen einer Stadt ein bestimmtes Buch lesen und sich an Veranstaltungen darüber austauschen, wurde zum ersten Mal 1998 in Seattle umgesetzt. Es kamen weitere Städte in den USA, Kanada und Australien dazu, seit 2002 auch welche in Österreich und Deutschland. In der Schweiz haben bisher Frauenfeld, Appenzell, Basel, Thun und Zürich solche Formate durchgeführt.

Mit Aprillen kooperieren?

Felix Hüppi hofft, dass «Bern liest ein Buch» mit der Durchführung der ersten Ausgabe genügend Aufmerksamkeit von den Berner*innen und den Institutionen erhält, um in Zukunft mit mehr Ressourcen operieren zu können. «Längerfristig wollen wir, dass Vereine oder Privatpersonen das Programm mitgestalten können.» Doch dafür brauche es zuerst ein gewisses Mass an Bekanntheit.

Und den 25'000 Franken aus der Literaturförderung der Stadt Bern, die durch das Aus des Literaturfestes frei werden, ist Hüppi natürlich auch nicht abgeneigt. Er betont aber, dass «Bern liest ein Buch» kein Ersatz für ein traditionelles Literaturfestival sei. Solche würden literaturaffines Publikum ansprechen und eine breite Palette an Autor*innen präsentieren.

Vorstellen könnte sich Felix Hüppi aber eine Kooperation mit dem einzig verbleibenden Stadtberner Lesefest «Aprillen». «Soweit sind wir aber noch nicht. Erst müssen wir unser Programm durchbringen, dann denken wir weiter.»

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren