Arbeit – Hauptstadt-Brief #473
Samstag, 7. Juni 2025 – die Themen: Betreuungsgutscheine; Regierungsratswahlen; Hilfe für Blatten; psychische Gesundheit; Postauto; Patente; Hatepop; musikalisches Belp.
Wie wichtig ist dir Arbeit? Und wie stark stellst du sie ins Zentrum deines Lebens?
Diese Frage muss sich – auf gesellschaftlicher Ebene – auch der Berner Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) stellen. Und eine schlaue Antwort darauf finden.
Hintergrund ist ein am Donnerstag vom Berner Grossen Rat überwiesener Vorstoss. «Leistung soll sich lohnen – Gratis-Kita für Menschen mit hohen Arbeitspensen», lautet er. Eingereicht wurde er von Francesco Rappa (Mitte) und weiteren Parlamentsmitgliedern aus Mitte, SVP, FDP und GLP.
In der Ratsdebatte gab es hitzige Diskussionen zwischen dem bürgerlichen und dem linken Lager. Als Motion überwiesen wurde schliesslich nur ein kleiner Teil des Vorstosses, eigentlich nur ein einziger Satz. Er lautet: «Der Anspruch auf Betreuungsgutscheine ist so auszugestalten, dass kein Anreiz besteht, sein Arbeitspensum zu reduzieren.»
Der Ball liegt nun beim Regierungsrat, respektive der Direktion von Schnegg. Sie bestimmt, wie der entsprechende Gesetzesentwurf aussehen wird. «Das Anliegen wirft viele spannende Fragen auf», sagte Schnegg in der Debatte.
Das finde ich auch. Denn die überwiesene Motion ist eine gute Gelegenheit, eine offene Diskussion über den Wert von Arbeit zu führen. Es ist eine brisante Frage, wie viel davon «gut» ist. Und wie «gut» definiert wird. Denken wir dabei an die Wirtschaft oder an die Gesundheit? An das Familienleben oder an die Altersvorsorge? Je nachdem fällt die Antwort anders aus. Letztlich gilt es zu entscheiden, welchen Bereichen wir mehr Bedeutung zumessen.
Das sind schwierige Abwägungen. Als erwerbstätige Mutter von zwei Kindern, die einen Partner hat, der auch Teilzeit arbeitet, finde ich es durchaus eine Errungenschaft, dass Väter von kleinen Kindern heutzutage ihr Pensum reduzieren. Und dass die gesellschaftliche Akzeptanz dafür auch gestiegen ist. Würde die Umsetzung des Vorstosses dazu führen, dass Väter vermehrt wieder Vollzeit arbeiten, fände ich das einen Fehlanreiz. Nicht aus wirtschaftlicher, sondern aus familiärer und gesundheitlicher Sicht.
Denn aus dieser Sicht, finde ich, sollte es ein gesellschaftliches Ziel sein, dass sich alle Eltern Teilzeitarbeit leisten können.
Und das möchte ich dir mit ins lange Wochenende geben:
- Regierungsratswahlen: Bei den Grünen im Kanton wird langsam klarer, wer sich für die Nachfolge von Regierungsrätin Christine Häsler (Grüne) in Position bringt: Neben Lena Frank (Bieler Gemeinderätin) und Beat Kohler (Grossrat aus Meiringen) hat nun bei Tamedia auch Urs Rohrbach (Gemeindepräsident von Schwarzenburg) sein Interesse angemeldet. Nationalrätin Christine Badertscher hat abgesagt. Noch offen ist, ob die Berner Nationalrätin Aline Trede und die Thuner Gemeinderätin Andrea de Meuron antreten möchten. Beide überlegen sich eine Kandidatur.
- Hilfe für Blatten: Die Gemeinde Köniz unterstützt ihre Partnergemeinde Blatten mit einer Spende von 200'000 Franken, wie sie mitteilt. So soll Betroffenen aus dem Bergsturzgebiet Soforthilfe gewährt werden können. Zudem hat der Gemeinderat die Zivilschutzorganisation Köniz beauftragt, sich für einen Einsatz im Lötschental bereit zu halten. Als Zeichen der Verbundenheit mit Blatten plant Köniz auch ein Solidaritätsanlass. Auch die Gemeinde Burgdorf spendet 35'000 Franken an Blatten.
- Psychische Gesundheit: Die Stadt Bern will die psychische Gesundheit von Jugendlichen stärken. Für Neuntklässler*innen hat der Gesundheitsdienst einen Parcours ausgearbeitet. Er steht den Schulen seit Ende Mai fünf Wochen lang im Kirchgemeindehaus Paulus zur Verfügung. Insgesamt haben sich nach Angaben der Stadt 28 Klassen mit rund 460 Schüler*innen angemeldet. Das sind rund zwei Drittel aller neunten Klassen in der Stadt Bern. Der Parcours enthält interaktive Stationen und bietet moderierte Reflexionsrunden sowie Möglichkeiten des Austauschs an. Zwei bis drei externe Fachpersonen stehen dafür zur Verfügung.
- Postauto: In diesen Tagen startet die Hauptetappe zum Umbau der Postauto-Station am Bahnhof Bern. Sie dauert bis Ende Oktober. Der Umbau sei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit, teilt das Unternehmen mit. Der Postautobetrieb laufe während der Umbauzeit normal weiter. Die sechs Haltekanten werden nacheinander erhöht. Jährlich nutzen rund 1,65 Millionen Fahrgäst*innen die Postauto-Station in Bern. Sie gehört damit zu den grössten der Schweiz.
- Patente: Die eigene Erfindung schützen lassen oder doch nicht? Viele Startup-Gründer*innen stehen vor dieser Frage, bei der nicht nur Kosten eine Rolle spielen. Mein Kollege Nicolai Morawitz beleuchtet den aufwändigen Prozess und hat für seinen Artikel das Amt für Geistiges Eigentum im Berner Wylerareal besucht.
- Hatepop: Das in Bern gegründete Musiker*innen-Kollektiv Hatepop hat mit seinem radikalen Klang viele Menschen begeistert. Aber auch viele irritiert. Nun spielten Hatepop ein Abschiedskonzert. «Hauptstadt»-Autor Linus Küng hat sie dabei begleitet und die Fragen gestellt, die wehtun. Zum Beispiel: Seid ihr gescheitert? Was das Kollektiv geantwortet hat, kannst du im Artikel zum Phänomen Hatepop lesen.
PS: Kommen mindestens 30 Belper*innen unter 30 Jahre an die Gemeindeversammlung vom 19. Juni, wollen die Gemeinderäte Patrick Müller und Markus Müller ein Duett singen. Das teilt die Gemeinde mit. Ob das genügend junge Menschen lockt, sich mit Gemeindefinanzen, einer Teilrevision der Gemeindeordnung und der Beschaffung von IT an Schulen zu beschäftigen?