Astra – Hauptstadt-Brief #424

Samstag, 8. Februar 2025 – die Themen: Pavillon im Wankdorf; Le Corbusier; Le Ciel; Wahlen Köniz; Asylunterkunft Niederscherli; Nicole Johänntgen; Kleine Schanze; Frauen-Nati.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Beim Wankdorf steht ein Pavillon, gebaut im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra). Er hat fast vier Millionen Franken gekostet – denn die Innenausstattung war teuer. Ein digitales 3-D-Modell erlaubt es, sich virtuell durch Stadt und Region Bern führen zu lassen. Ab Sommer soll die Bevölkerung so mit viel Hightech über den Ausbau des Autobahnanschlusses Wankdorf informiert werden. Das hat die Tagesschau am Mittwoch berichtet.

Nur: Der Pavillon steht schon seit letztem Sommer dort. Fertig eingerichtet für die Begleitung der Autobahnausbauprojekte, die bekanntlich im November vom Volk abgelehnt worden sind. Das hat eine Recherche von Tamedia aufgedeckt.

Es fragt sich nun: Wofür braucht das Astra den Pavillon überhaupt noch? Will das Amt Propaganda betreiben für den Ausbau im Wankdorf? Im Tagesschau-Beitrag weist ein Mitarbeiter diesen Vorwurf zurück. «Wir haben den politischen Auftrag, innerhalb der Projekte zu kommunizieren. Und dies auf eine möglichst einfache, transparente Art und Weise.» 

Es ist wahr, dass der Ausbau des Zubringers im Wankdorf – wegen der vielen verschiedenen Linienführungen auch «Spaghetti-Teller» genannt – nicht vom Tisch ist. Im Gegensatz zu den vom Volk abgelehnten Autobahn-Ausbauten oder auch der Untertunnelung des Ostrings (Bypass Bern Ost). Letztere wird gemeinsam mit weiteren Ausbauprojekten nun noch einmal von der ETH geprüft, wie der zuständige Bundesrat Albert Rösti (SVP) letzte Woche mitgeteilt hat. 

Um den «Spaghetti-Teller» zeichnet sich eine harte Auseinandersetzung ab. Während sich vor drei Jahren Stadtregierung, Kanton und Bund klar hinter das Projekt gestellt haben, haben sich die Zeichen verändert. Seit Anfang Jahr sitzen drei andere Politiker*innen im Gemeinderat. Alle drei, Melanie Mettler (GLP), Ursina Anderegg (GB) und Matthias Aebischer (SP), hatten sich vor der Abstimmung öffentlich gegen den Autobahnausbau ausgesprochen.

Zum «Spaghetti-Teller» hat sich der neue Gemeinderat noch nicht geäussert. Das muss er allerdings bald tun, spätestens bis Ende Juli in seiner Positionierung zur Verkehrsmonster-Initiative. Sie will, dass sich die Stadtregierung gegen nationale Strassenprojekte einsetzt, die Mehrverkehr verursachen. Dazu zählen die Initiant*innen auch den «Spaghetti-Teller». 

Bisher stand der Gemeinderat hinter dem «Spaghetti-Teller» und betonte, dass die Stadt ein nationales Projekt in diesem Verfahrensstadium nicht verhindern könne. Allerdings: Stellt sich eine Mehrheit in der betroffenen Region gegen einen Ausbau, wird der Bund ihn kaum gegen den Willen der lokalen Bevölkerung durchsetzen.

Und dann wäre auch das letzte verbliebene Projekt für den teuren Astra-Pavillon hinfällig.

Foto der Jungfrau und Silberhorn aufgenommen in Wengen.
Bilderserie Romy Streit (4/12): Foto von Jungfrau und Silberhorn, aufgenommen in Wengen. (Bild: Romy Streit)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Le Corbusier für Fortgeschrittene: Das Zentrum Paul Klee widmet sich ab heute in einer Ausstellung Le Corbusier. Der Schweizer Architekt und Designer wird als kompletter und faszinierender Künstler gezeigt. Und trotzdem findet mein Kollege Jürg Steiner, der die Ausstellung schon besucht hat, dass zu viel vorausgesetzt wird und wichtige Fragen nicht beantwortet werden.
  • Ausgehlokal schliesst: Der Stadtberner Club Le Ciel am Bollwerk schliesst diesen Monat «nach 14 wunderschönen Jahren und über 2000 unvergesslichen Parties (...) für immer», wie auf der Website zu lesen ist. Die letzte Party findet am Samstag, 22. Februar statt. Im Winter 2021 war der Nachtclub aufgefallen, weil er Corona-Schnelltests zu Tiefstpreisen angeboten hatte, worauf sich regelmässig lange Warteschlangen bildeten. 
  • Wahlen Köniz: Kathrin Gilgen tritt im Herbst für die SVP als Kandidatin für den Könizer Gemeinderat an. Sie wurde an der Hauptversammlung der Partei nominiert. Gilgen ist seit 2015 im Parlament und Präsidentin der dortigen SVP-Fraktion. 2022 präsidierte sie das Parlament. Sie will am 28. September den frei werdenden SVP-Sitz von Christian Burren verteidigen und ist Spitzenkandidatin auf einer SVP-Fünferliste. Bei den Gemeinderatswahlen stellen sich nur zwei amtierende Mitglieder der Wiederwahl: Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) und der vor kurzem in einer Ersatzwahl gewählte Thomas Marti (GLP), drei Mitglieder treten nicht mehr an.
  • Asylunterkunft Niederscherli: Der Bund kann die Zivilschutzanlage in Niederscherli weiterhin als Asylunterkunft brauchen. Köniz ist einverstanden, dass die temporäre Nutzung bis Ende 2025 verlängert wird. Das Staatssekretariat für Migration rechnet angesichts des Kriegsverlaufs in der Ukraine auch in nächster Zeit mit monatlich rund 1000 bis 2000 Anträgen von Schutzsuchenden aus der Ukraine. Die unterirdische Notunterkunft Niederscherli wird seit letztem September als Bundesasylzentrum genutzt. Bis zu 150 ukrainische Schutzsuchende können hier untergebracht werden.
  • Sanierung Kleine Schanze: Am Montag beginnt die zweite Sanierungsetappe der Kleinen Schanze. Der westliche Parkbereich bleibt vom 24. Februar bis im Sommer gesperrt, wie die Stadt mitteilt. In dieser Zeit erneuert die Stadt Leitungen, installiert eine automatisierte Bewässerungsanlage und entsiegelt Belagsflächen. Auch der hindernisfreie Zugang wird erleichtert. Ausserhalb der abgesperrten Baustelle bleibt die Parkanlage offen.
  • Saxophonistin von Weltruhm: Nicole Johänntgen erobert als Saxophonistin von Bern aus die Welt. Und versucht dabei ein Gleichgewicht zwischen Karriere und Familie zu wahren. Diese Woche erschien ihr neues Album. Mein Kollege Jürg Steiner hat die Musikerin getroffen und die Begegnung in einem sorgfältigen Text festgehalten
  • Frauen-Nati in Thun: Das Fussballnationalteam der Frauen wird sich in Thun auf die Europameisterschaften vorbereiten. Dort wird das Team im Hotel Seepark wohnen und auf dem Sportplatz Strandbad des FC Dürrenast trainieren, wie der Schweizer Fussballverband mitteilt. Die Nati wird das Basecamp am 28. Juni beziehen. Los geht das Heimturnier für die Schweizerinnen dann am 2. Juli im Basler St. Jakob-Park gegen Norwegen.

PS: Der Mordfall von Kehrsatz im Jahr 1985 hat sich in meinem Gedächtnis festgesetzt, auch wenn ich damals noch sehr klein war: Die Leiche in der Kühltruhe, das Toast Hawaii, all die makabren Details. 40 Jahre später widmen Journalist Urs Gilgen und Autor Matto Kämpf dem Fall noch einmal fünf Abende im Kulturlokal Cappella. Mit prominenten Gästen wie Christine Lauterburg schauen sie zurück. Teil 1 findet morgen Sonntagabend, 17 Uhr statt (Eintritt ab 25 Franken).

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