Barry – Hauptstadt-Brief #481
Donnerstag, 26. Juni 2025 – die Themen: Alpenpass; Legislaturziele; Stadtfest; Foto-Porträt; Handy-Experiment; Solarstrom; Entsorgung; YB Frauen; Tourismus-Bilanz; Gaswerkareal und Crowdfunding.
Alpenpässe faszinieren mich – besonders jetzt im Juni. Dann öffnen sie wieder, und auf einen Schlag offenbart sich meinen Augen eine «andere Schweiz», die man für die Wintersperre unter Verschluss gehalten hat.
Letztes Wochenende reiste ich mit meinem Sohn auf 2469 Meter über Meer – zum Grossen Sankt Bernhard im Wallis an der Grenze zu Italien.
Zum letzten Mal war ich dort als Kleinkind und bekam einen kleinen Plüschhund geschenkt, ohne damals genau zu wissen, was es damit auf sich hatte. Nun stand ich wieder auf der Passhöhe und entdeckte in einem Schaufenster eine Armada von Plüsch-Bernhardinern. Manches ändert sich wohl nie.
Was ich unterdessen herausgefunden habe: Der Bernhardiner verbindet den entlegenen Alpenpass auf direktem Weg mit Bern. Und das liegt am Rettungshund Barry. Er kam 1800 im Hospiz auf der Passhöhe des Grossen Sankt Bernhard zur Welt. Der Bernhardiner soll im Laufe seines Lebens Pilgern, die sich bei Kälte und Schnee verirrt haben, zur Hilfe geeilt sein. 1814 starb Barry und der Klostervorsteher vom Grossen Sankt Bernhard liess ihn in Bern für die Nachwelt präparieren. Barry gehört als Exponat zum Inventar des Naturhistorischen Museums, wo man ihm seit 2014 eine eigene Dauerausstellung widmet.
Wir haben am vergangenen Wochenende übrigens keinen Plüsch-Bernhardiner auf der Passhöhe gekauft und haben auch das Barryland im Tal links liegen gelassen – aber den originalen Barry werden wir bestimmt im Naturhistorischen Museum besuchen. Vielleicht im Winter, wenn die Pässe wieder geschlossen sind.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Gemeinderat: Stabile Finanzen, ein dynamischer Wirtschaftsstandort, mehr Klimaschutz und nachhaltige Mobilität – diese Akzente setzt die neue Berner Stadtregierung in ihren Legislaturzielen. Sie will ausserdem mehr Sorge zur Demokratie und zu Mitarbeitenden tragen. Die entsprechenden Eckpunkte stellte die im November gewählte Stadtregierung am Mittwoch vor. Mein Kollege Joël Widmer war an der Medienkonferenz dabei und hat eine Akzentverschiebung festgestellt: Die Wirtschaft erhält im Legislaturplan mehr Gewicht als bisher. Vor vier Jahren blieb diese noch fast unerwähnt.
- Gemeinderat II: Geht es nach der Stadtregierung, soll Bern wieder ein Stadtfest bekommen – und dies in regelmässigen Abständen. Der Gemeinderat beantragt deshalb dem Stadtrat, die geschätzten Gebühren von 407'800 Franken zu erlassen. Diese basieren auf den Kosten aus dem Jahr 2022, als das Stadtfest zum letzten Mal organisiert wurde.
- Fotoporträt: «Ich sammle querbeet», sagt Therese Schmutz aus Zollikofen. Wenn man rund 300 Kakteen und Sukkulenten sein Eigen nennt, entbehrt eine solche Aussage nicht einer gewissen Ironie. Meine Kolleginnen Danielle Liniger und Victoria Habermacher haben die 80-Jährige für die Fotokolumne getroffen und Schmutz einige Pflegetipps für die stacheligen Pflanzen entlockt.
- Handy-Experiment: Vor drei Wochen haben 40 Personen aus der Siedlung Strassweid in Mittelhäusern (Köniz) für fünf Tage ihr Smartphone abgegeben, und zwar an zwei Journalistinnen von SRF. Sie dokumentierten für die TV-Sendung Rundschau vor Ort, was der Verzicht auf Bildschirmzeit bei den Menschen auslöst. Gestern Abend wurde die Doku ausgestrahlt. Hier kannst du die entlarvende, aber auch lustige Sendung nachschauen, die aufzeigt, wie verloren wir sind, wenn das Smartphone nicht griffbereit ist.
- Solarstrom: Der Berner Energiekonzern BKW tut etwas zu Gunsten der Besitzer*innen privater Solaranlagen. Wie die BKW am Mittwoch mitgeteilt hat, führt sie die vom Bund für 2026 verlangten Mindesttarife für die Einspeisung von Solarstrom bereits rückwirkend per April 2025 ein. Rund 30’000 Besitzer*innen privater Photovolatikanlagen profitieren davon, dass der Tarif immer mindestens sechs Rappen pro Kilowattstunde beträgt. Als dieser frei mit dem Marktpreis schwankte, sank er häufig unter diese Marke.
- Entsorgung: Der Energieversorger Energie Wasser Bern (EWB) will den im Sommer anfallenden Abfall besser für die Energieproduktion nutzen. Er hat Kehricht deshalb zu Ballen gepresst und in ein Zwischenlager ausserhalb der Stadt verfrachtet, wie BZ/Bund (Abo) berichten. Sichtbar ist das entlang der A1 bei der Deponie Teuftal zwischen Bern und Murten. Im Winter werden die Müllballen laut BZ/Bund abgeholt und in die Energiezentrale im Berner Forsthaus gekarrt – genau dann, wenn die Energie zur Fernwärme- und Stromgewinnung am meisten benötigt wird.
- Fussball: Das Personalkarussell bei den YB Frauen dreht sich weiter: Die Leistungsträgerin Leana Zaugg verlässt YB in Richtung VfL Bochum, wie der Verein am Mittwoch mitteilt. Nach Naomi Luyet (zu Hoffenheim, Deutschland) und Iman Beney (zu Manchester City, England) ist es bereits der dritte personelle Aderlass für das Team von Trainerin Imke Wübbenhorst.
- Tourismus: Während die Sommersaison in Sachen Tourismus gerade Fahrt aufnimmt, blickt Bern Welcome auf das vergangene Jahr zurück. 2024 seien erneut mehr Feriengäste nach Bern als im Vorjahr gekommen, schreibt die Tourismusorganisation am Mittwoch. Mit über 1,1 Millionen Logiernächten in der Stadt Bern und insgesamt über 1,5 Millionen Übernachtungen in der ganzen Region sei sogar das bisherige Allzeithoch übertroffen worden. Steuert Bern damit auf Verhältnisse wie in Lauterbrunnen zu? Beim Hauptsachen-Talk von Anfang Jahr widersprach Bern-Welcome-CEO Manuela Angst dem noch. Im Vorjahr überschritt die Anzahl der Logiernächte die symbolische Marke von einer Million.
- Stadtentwicklung: Die Kommission des Stadtrats für Ressourcen, Wirtschaft, Sicherheit und Umwelt (RWSU) gibt grünes Licht für das neue Stadtquartier auf dem Gaswerkareal. Gemäss der Nachrichtenagentur sda hat die Kommission am Mittwoch die Abgabe von Baufeldern und eine Aufstockung des Verpflichtungskredits zuhanden des Stadtrats verabschiedet. Dieser wird das Geschäft voraussichtlich im August beraten. Ende November werden dann die Stimmberechtigten die Weichen für das Grossprojekt stellen. Auf dem Areal ist der Bau von 300 bis 500 Wohnungen geplant. Ergänzt werden sie durch öffentliche Nutzungen wie Schulraum, Gewerbeflächen sowie neue Frei- und Grünräume.
- Crowdfunding: Hat dir der Glace-Newsletter von Claudia Salzmann Abkühlung verschafft? Wenn ja, dann unterstütze uns bei unserem Crowdfunding. Noch 1700 Franken fehlen, damit dieser journalistische Newsletter aus der Berner Gastroszene zum Fliegen gebracht werden kann.
PS: Am kommenden Samstag startet in der Feuerwehr Viktoria der Viktoriamärit. Laut den Veranstalter*innen werden dort unter anderem Pflanzen und Veloteile feilgeboten. Am Abend steigt am gleichen Ort das Löscherfest.