Starke Worte – «Hauptstadt»-Brief #343

Samstag, der 13. Juli 2024 – die Themen: Gleichgültigkeit; Uni-Rektorin; Inselspital; Allmenden; Fremdenpolizei; Sterben; Fussball; Betriebsferien.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Manchmal staune ich, was Worte auslösen können. Ich war diese Woche zu einem einfachen Lunch im Seminarraum eines Berner Hotels eingeladen, an dem eine kleine Delegation aus Bergkarabach auftrat. Karabach ist die fruchtbare Bergregion im Süden des Kaukasus, aus der die armenische Bevölkerung nach der Eroberung durch Aserbaidschan vertrieben wurde. Vor zehn Monaten flohen über 100’000 Menschen, oft nur mit dem Allernötigsten, innert weniger Tage aus Häusern und Heimat, vielleicht für immer.

Das Drama verschwand aus den Schlagzeilen, weil wenige Tage darauf der Angriff der Hamas auf Israel den Westen in Alarmstimmung versetzte. Die dreiköpfige Delegation aus Armenien versucht nun, die ethnische Säuberung im kleinen Bergkarabach zurück auf die Agenda der grossen Politik zu bringen. Die Schweiz ist ein wichtiger Ort für sie, weil Aserbaidschans mächtiger Öl-Konzern Socar hier Milliarden von Franken umsetzt.

Niemand machte sich im Berner Seminarraum Illusionen, dass die Einflussreichen der Welt sich plötzlich Armenien annehmen. Da ergriff die in Bergkarabach geborene Politikerin und Diplomatin Armine Aleksanyan kurz, aber eindringlich das Wort. Sie kämpfe für das Recht der armenischen Bevölkerung, nach Bergkarabach zurückzukehren, sagte sie. Wenn nicht, würde das bedeuten: Wir akzeptieren einfach achselzuckend, dass Menschen aus ihren Häusern, ihrem Land und ihrem Leben vertrieben werden. Das dürfe nicht sein, wenn wir an Menschenrechte glauben.

«Gleichgültigkeit», sagte Aleksanyan, «ist das Problem unserer Zeit. Wir interessieren uns nur, wenn wir selber unmittelbar persönlich betroffen sind.»

Diese starken Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie gelten für die Vertriebenen aus Bergkarabach. Aber sie gelten auch für unseren Umgang mit der Klimaerwärmung, mit der Kluft zwischen Arm und Reich, mit der Migrationskrise. Und sicher auch bei privaten Schicksalsschlägen.

Empathie gibt es nie zu viel. Gleichgültigkeit aber schon.

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Fotoserie von Daria Samoilova (7/12): Aspects of gloss.

Und das möchte ich dir ins Wochenende mitgeben:

Universität: Weil der bisherige Uni-Rektor Christian Leumann notfallmässig den Chefposten der wirtschaftlich angeschlagenen Insel-Spitalgruppe übernehmen musste, hat seine Nachfolgerin Virginia Richter ihr neues Amt an der Spitze der Universität früher als geplant angetreten. Meinen Kolleginnen Marina Bolzli und Mara Hofer erklärte die neue Rektorin in einem animierten Gespräch, wo sie Akzente setzen will. Zum Beispiel beim Kommunikationsstil.

Inselspital: Bis Mitte 2025 will das Inselspital rund 110 Millionen Franken einsparen. Diesen dem Personal kommunizierte Schnitt bestätigte Insel-Verwaltungsratspräsident Bernhard Pulver gegenüber Bund/BZ (Abo). Die Spitalführung will unter anderem 200 bis 300 Stellen abbauen sowie keine Lohnerhöhungen gewähren. Gleichzeitig müsse das Spital gemäss dem SRF-Regionaljournal seine Auslastung verbessern, sonst drohe umgehend das nächste Sparpaket.

Allmenden: Um die – eigentlich der Allgemeinheit vorbehaltenen – Allmenden im Berner Nordquartier toben traditionell heftige politische Auseinandersetzungen. Aktuell, weil sich der Fussballclub Young Boys Trainingsfelder auf der grossen Allmend wünscht. Der frühere SP-Stadtrat Andreas Hofmann, ein hartnäckiger Kämpfer für die Allmenden, hat in einem online frei zugänglichen «Schwarzbuch» nachgezeichnet, wie der Allmendgedanke ausgerechnet unter der rot-grünen Regierung unter Druck gekommen ist. Das Buch beruft sich unter anderem auf den Themenschwerpunkt der «Hauptstadt» zur Burgergemeinde, bei der die gemeinschaftliche Nutzung von Boden historisch eine wichtige Rolle spielt.

Fremdenpolizei: Der Berner Gemeinderat will den Namen der städtischen Fremdenpolizei beibehalten. In ihrer Antwort auf eine überwiesene Motion der GLP, die den Begriff als veraltet bezeichnet, schreibt die Stadtregierung, dass eine Umbenennung hohe sechsstellige Kosten verursachen würde. In Bern verfüge die Fremdenpolizei weitreichende Kompetenzen, etwa bei der Missbrauchsbekämpfung in der Schattenwirtschaft, im Rotlichtmilieu oder bei der organisierten Bettelei, hält der Gemeinderat laut der Nachrichtenagentur sda fest. Eine Namensänderung würde das aufgebaute Vertrauen in diesen Milieus wieder in Frage stellen.

Sterben: Unter dem Titel «endlich.menschlich» will der gleichnamige Verein ab dem 21. Oktober in Bern ein mehrtägiges Festival durchführen, das sich einem menschenwürdigen Lebensende widmet – und dabei auch das Leben feiert. Zu den Promotor*innen des Festivals gehört Claudia Zürcher, die Geschäftsführerin von «palliative bern». Erste Programmpunkte und Möglichkeiten, dich zu engagieren, findest du hier.

Fussball: Bereits am 20. Juli beginnt in der Schweiz wieder die Fussballmeisterschaft in der Männer Super League, in der die Young Boys ihren Titel verteidigen. Das Schweizer Fernsehen hat für seine Übertragungen zwei Berner Experten engagiert: den früheren Thuner Spieler und Trainer Marc Schneider sowie Ex-YB-Captain Fabian Lustenberger.

PS: Die «Hauptstadt»-Redaktion macht ab heute, wie jeden Sommer, drei Wochen Betriebsferien. Die Gründe dafür findest du hier. Du erhältst aber auch in den Ferien jeden Donnerstag einen «Hauptstadt»-Brief in dein Postfach. Damit auch du offline gehen und abschalten kannst, aber das Wichtigste aus Bern trotzdem gerafft mitgeteilt bekommst. 

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Diskussion

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Felix Adank
14. Juli 2024 um 18:53

Schöne Ferien! 😎