Clabi – Hauptstadt-Brief #461

Donnerstag, 8. Mai – die Themen: Classe Bilingue; Seeländer-Spargeln; BEKB-Verkauf; Campus Biel/Bienne; Bärnoise-Kolumne; Pusterum-Schliessung und Polit-Forum.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Die Stadt Bern hat entschieden, ihre zweisprachigen Schulklassen abzuschaffen. Seither gehen die Wogen hoch: Bürgerliche Vertreter*innen äussern sich erzürnt. FDP-Grossrätin Claudine Esseiva etwa nennt den Entscheid «eine Katastrophe auf dem Buckel der Kinder». Esseiva ist die Präsidentin von Bernbilingue, ihr Sohn besucht selbst die zweisprachige Primarschule.

Die Stadt hatte am Dienstag mitgeteilt, dass das Pilotprojekt «Classe Bilingue» – kurz Clabi – nur noch bis zum Sommer 2026 weitergeführt wird. Danach müssen die heute 91 Schüler*innen in die jeweilige Schule ihres Quartiers wechseln.

Die FDP und die Mitte bezeichnen den Entscheid in Mitteilungen als «falsches Signal» und «bedauernswert». Sie kritisieren, dass für die Zweisprachigkeit in der grössten Stadt des bilingualen Kantons Bern kein Platz mehr bleibt. Beide Parteien planen Vorstösse im Stadtparlament.

Verantwortlich für den umstrittenen Entscheid ist Ursina Anderegg (Grünes Bündnis). Die Gemeinderätin verteidigt das Clabi-Ende im «Hauptstadt»-Interview unter anderem mit einem jährlichen Sparpotenzial von rund 800’000 Franken.

Es ist eine für Bern ungewohnte Rollenverteilung: Da ist einerseits die Vertreterin der rot-grünen Regierungsmehrheit, die ein Herzensprojekt ihrer Amtsvorgängerin stoppt und Kürzungen im Bildungsbereich rechtfertigt. Und da sind andererseits Vertreter*innen bürgerlicher Parteien, die sich an einer kostensparenden Massnahme stören – obwohl sie die Regierung regelmässig zu mehr Sparsamkeit anhalten.

Die Clabi-Debatte zeigt so eine der grössten Herausforderungen in der Lokalpolitik auf: Die Vielfalt an guten Ideen und Projekten ist gross. Ebenso die Uneinigkeit darüber, welche davon angesichts finanzpolitischer Realitäten umgesetzt werden sollen.

Joggerin auf der Wankdorfallee
Bilderserie von Thomas Kaspar (5/12): Joggerin auf der Wankdorfallee. (Bild: Thomas Kaspar)

Die weiteren Themen des Tages:

  • Spargeln: Es ist Spargelsaison. In Hofläden und vereinzelt auch in Supermärkten sind Spargeln aus heimischem Anbau erhältlich. Sie stammen von Betrieben wie dem Seelandhof in Worben. Hier ernten zurzeit fünf Saisonarbeiter*innen aus Polen täglich Spargeln – an Spitzentagen von 6 Uhr morgens bis 17 Uhr. Meine Kollegin Andrea von Däniken hat den Betrieb der Familie Lanz besucht. Was mir vor der Lektüre des Artikels nicht bekannt war: Grüne und weisse Spargeln sind dieselbe Pflanze.
  • BEKB: Die Berner Kantonalbank (BEKB) befindet sich mehrheitlich im Besitz des Kantons Bern – und das soll auch so bleiben. Die Finanzkommission des Grossen Rates will an der Mehrheitsbeteiligung festhalten. Sie folgt damit der Empfehlung der Kantonsregierung. Ein Verkauf der Beteiligung würde aktuell keine Vorteile bringen, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Zudem wäre ein Verkauf wohl nur über eine Verfassungsänderung mit Volksabstimmung möglich. Der Erfolg einer solchen Abstimmung sei ungewiss.
  • Defizit: Die Universität Bern schliesst ihre Rechnung für das Jahr 2024 mit einem Verlust von 37,1 Millionen Franken ab. Dies gab die Universität gestern bekannt. Der Gesamtumsatz der Universität belief sich 2024 auf rund 983 Millionen Franken. Der Kanton Bern beteiligte sich mit 334 Millionen Franken. Bereits in den Vorjahren hatte die Universität Bern Defizite verzeichnet. Im Geschäftsjahr 2023 waren es über 34 Millionen Franken. Dies berichtet die Nachrichtenagentur SDA.
  • Campus: In Biel ist am Dienstag der Grundstein für den neuen Fachhochschul-Campus gelegt worden. Damit beginnt die Phase der intensiven Bauarbeiten, wie der Kanton mitteilt. Der Campus soll 2028 in Betrieb genommen werden und die Departemente Technik und Informatik sowie Architektur, Holz und Bau beheimaten. Der Kanton Bern rechnet damit, dass dereinst rund 2’400 Personen auf dem Bieler Campus studieren werden. Ursprünglich sollte der Campus bereits 2021 eröffnet werden. Ein langwieriger Rechtsstreit verhinderte jedoch den Start des 400-Millionen-Baus.
  • Bärnoise: Patricia Michaud ist gerne im Bremgartenwald unterwegs. Dabei hat sie festgestellt, dass längst nicht jeder Baum in dieser «grünen Lunge der Stadt Bern» gleich ist. Was sie damit meint, kannst du in der französischsprachigen Bärnoise-Kolumne der «Hauptstadt» nachlesen.
  • Pusterum: Das Lokal Pusterum im Berner Mattenhof-Quartier schliesst Ende Juni. Das berichten Bund/BZ und berufen sich dabei auf einen Instagram-Post. In diesem verkündet Betreiber Kristoffer Rasmussen, er wolle künftig mehr für seine Familie da sein. Das sei nicht möglich, wenn er gleichzeitig «Woche für Woche 130 Prozent ins Pusterum steckt», schreibt er auf Englisch. Rasmussen hatte das Lokal 2019 eröffnet. Ein letztes Mal ist das Pusterum am 27. Juni geöffnet.
  • Polit-Forum: Die Stadt Bern hat den Leistungsvertrag mit dem Polit-Forum Bern verlängert. Der Gemeinderat beantragt dazu dem Stadtrat für die Jahre 2026 bis 2029 insgesamt 1,3 Millionen Franken. Das Polit-Forum trage zur Förderung der politischen Kultur in Bern bei und biete eine Plattform für politisches Wirken, schreibt der Gemeinderat in seiner Mitteilung von heute Morgen. Finanziert wird das Forum gemeinsam von Stadt und Kanton Bern sowie der Burgergemeinde und den Landeskirchen.

PS: Kriege, Klima, Trump und Co: Das aktuelle Weltgeschehen kann Angst machen. Gerade junge Menschen blicken mit Sorge in die Zukunft. Wie gehen wir mit diesen Ängsten um? Und was gibt uns Hoffnung? Um diese Fragen dreht sich der nächste Hauptsachen-Talk am 21. Mai (19.30 Uhr, Progr). Moderiert wird das generationenübergreifende Gespräch von der «Hauptstadt»-Journalistin Jana Schmid.

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