Elterntaxi – «Hauptstadt»-Brief #384
Donnerstag, 31. Oktober 2024 – die Themen: Klimapolitik; Fussball-Talk; Reitschul-Beiz; Eulen; Mindestlohn-Initiative; Entlassungen.
«Zubringer gestattet, Eltern-Taxi verboten». Diese unmissverständliche Botschaft prangte an einem Schild, das ich vor ein paar Jahren in Ittigen fotografiert habe. Halb belustigt, denn der eigene Nachwuchs war noch im Säuglingsalter und musste pausenlos irgendwohin kutschiert werden.
Erst später habe ich begriffen, wie ernst das Problem der Elterntaxis vor Schulen sein kann. Das hat auch mit der menschlichen Psyche zu tun. Denn wer sein Kind mit dem Auto zur Schule fährt, sorgt dort für Mehrverkehr, was selbst Eltern, die in Velo-, ÖV- oder Gehdistanz zur Schule leben, dazu verleiten kann, ebenfalls auf das Auto zu setzen. Aus Angst um den Nachwuchs. Die Gemeinde Köniz versucht seit dieser Woche mit einem neuen Verkehrskonzept diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Neu gilt an der Schwandenhubelstrasse vor dem Schulhaus Blindenmoos in Schliern ein Fahrverbot. So solle sich die Schulwegsicherheit für alle Kinder erhöhen, schreibt die Gemeinde in einer Mitteilung.
«Die Schulleitung Blindenmoos hat festgestellt, dass die Elternfahrten gefährliche Situationen auslösen», sagt Olivia Ebinger von der Abteilung Verkehr und Unterhalt der Gemeinde Köniz. Deshalb sei zusammen mit der Schule entschieden worden, dort mit einem Pilotprojekt als erstes anzusetzen. In der einjährigen Pilotphase richtet die Gemeinde in der Gaselstrasse seitlich zum Schulhaus zwei «Kiss & Ride»-Halteplätze ein. Dort ist für Fahrzeuge ein kurzer Stopp erlaubt, um Kinder aus- oder einsteigen zu lassen. Das Konzept sieht auch Ausbuchtungen des Trottoirs und das Wort «Schule» in grossen farbigen Lettern vor.
Nach einem Jahr will die Verkehrsplanung Köniz zusammen mit der Schulleitung über die Bücher gehen und auch Anregungen aus der Bevölkerung aufnehmen. Wenn die gefährlichen Automanöver vor dem Schulhaus abnehmen, sollen die Massnahmen auch auf andere Schulstandorte in der Gemeinde übertragen werden.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Klimapolitik: Kann die Stadt ihre selbst gesteckten Klimaziele erreichen – und vor allem: kann sie es sich auch leisten? Zumindest zu ersterer Frage gab es am Mittwoch Antworten. Der federführende Gemeinderat Reto Nause (Mitte) präsentierte erstmals Zahlen aus dem noch nicht veröffentlichten Controllingbericht 2023. Und dieser zeigt – anders als in vorigen Berichten – dass die Stadt in Sachen Klima auf Kurs ist. Seit 2022 sinken die CO2-Emissionen trotz wachsender Bevölkerung. So stark, dass die Kurve sogar den strengen Kriterien des Klimareglements entspricht. Die weitere Umsetzung der Klimastrategie dürfte für die neue Gemeinderegierung aber ab 2025 eine grosse Herausforderung werden, wie mein Kollege Jürg Steiner analysiert. Denn die Stadt wird trotz angespannter Finanzlage die nötigen Mittel finden müssen, um die Energiewende stemmen zu können.
- Fussballtalk: Wohin steuert der Schweizer Frauenfussball und kann die EM im eigenen Land zusätzlichen Schub verleihen? Diese und andere Fragen diskutierten die Gästinnen am gestrigen Hauptsachen-Talk der «Hauptstadt», der von meiner Kollegin Jana Schmid moderiert wurde. Eine Art Matchbericht zu der Veranstaltung veröffentlichen wir im Laufe des Tages unter Hauptstadt.be.
- Fussball: Und nochmals Fussball, dieses Mal der Männer: Zwei Siege aus elf Spielen, Tabellenplatz 10. YB ging gestern Abend angeschlagen in den Klassiker gegen Basel. Deshalb war der 3:2 Heimsieg ein Befreiungsschlag für die Elf um Trainer Joël Magnin. Schon am Samstag steht der nächste wichtige Match für YB auf dem Programm. Dann spielt YB gegen Tabellenführer FC Zürich im Letzigrund.
- Fotoporträt: Sie gelten als weise, unnahbar und geheimnisvoll – Alexandra Hirschi aus Kriechenwil fühlt sich so sehr von Eulen angezogen, dass sie gleich 13 von ihnen besitzt. Mit den Vögeln geht sie auch spazieren, zeigt sie Besucher*innen oder fährt mit ihnen auf Mittelaltermärkte. Wie es dazu kam, erfährst du im neuesten Fotoporträt.
- Ittigen: Die Berner Vorortgemeinde ist in mancherlei Hinsicht ein Ausnahmefall: Niedriger Steuerfuss und eine relativ hohe Sozialhilfequote. Und dann wäre da noch das politische Eigengewächs, die Bürgervereinigung Ittigen (BVI). Aktuell hat sie mit vier Sitzen die absolute Mehrheit. Doch mit dieser Vorherrschaft könnte es jetzt ein Ende haben, wie mein Kollege in dieser lesenswerten Wahlanalyse zu den Berner Agglomerationsgemeinden schreibt. Am wahrscheinlichsten scheint ihm, dass am kommenden Sonntag niemand der drei Kandidat*innen das absolute Mehr erreicht und die Entscheidung, wer Gemeindepräsident*in wird, erst im zweiten Wahlgang am 24. November fällt.
- Mindestlohn: Die städtische Initiative «Ein Lohn zum Leben. Für einen Mindestlohn in der Stadt Bern.» ist zustande gekommen. Dies teilte die Stadt heute mit. Damit wird die Fristverlängerung bis 15. Januar, die gewährt worden war, weil Unterschriften abhanden kamen und in der Zwischenzeit wieder aufgetaucht sind, nicht beansprucht. Warum die linken Regierungsparteien das Mindestlohn-Anliegen auch im Parlament hätten umsetzen können, erklärt mein Kollege Joël Widmer in einem Kommentar.
- Reitschule: Kaum einer kennt die Reitschul-Beiz Sous le Pont besser als Thomas Laube. Das «Souli»-Urgestein arbeitet seit 1997 dort und hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Die aktuelle Krise übertreffe allerdings alles Dagewesene. Das ständig geschlossene Tor und das Dealen auf dem Vorplatz machen dem Restaurant zu schaffen, erklärt der Koch meiner Kollegin Jana Schmid. Das Interview zeigt, wie vielschichtig die Problematik ist und warum ausgerechnet der Winter für Entspannung sorgen könnte.
- Entlassungen: Beim E-Bike-Produzenten Flyer im bernischen Huttwil steht offenbar ein grosser Stellenabbau an. Dies berichtet die Nachrichtenagentur sda unter Berufung auf Blick und SRF. Einem bedeutenden Teil der 170 Angestellten drohe die Entlassung. Die deutsche Besitzerin Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft eG (ZEG) prüfe zudem, die Verwaltung von Flyer auf ein Minimum zu reduzieren und die Produktion ins Ausland zu verlagern.
- Bilderserie: Ihre Fotos haben die «Hauptstadt» durch den Oktober begleitet. Nun stellt sich die Fotografin Gia Han Le vor und verrät, wie sie über die Fotografie ihre Liebe zu Bern wiederentdeckt hat.
PS: Die mexikanische Botschaft in der Schweiz und das Historische Museum laden an diesem Wochenende zum «Día de Muertos» ein. An zwei Tagen sollen über Tanz, Film und Musik die Bräuche des mexikanischen Totenfests vermittelt werden. Das genaue Programm findest du hier.