Köniz Spezial

«Wir wollen eine rot-grüne Mehrheit in Köniz»

Trotz ihrer Niederlage bei der Ersatzwahl im Oktober 2024 kandidiert Géraldine Mercedes Boesch bei den Wahlen 2025 auf der SP-Fünferliste für den Könizer Gemeinderat. Klares Ziel: eine rot-grüne Mehrheit.

Geraldine Boesch fotografiert am Freitag, 28. Februar 2025 in Koeniz. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Géraldine Mercedes Boesch will im September für die SP einen zweiten Sitz in der Könizer Regierung holen. (Bild: Manuel Lopez)

Frau Boesch, bei der Ersatzwahl für den zurückgetretenen GLP-Gemeinderat Thomas Brönnimann im letzten Herbst wollten Sie für die SP einen zweiten Sitz holen. Sie verloren gegen Thomas Marti (GLP). Warum treten Sie jetzt wieder an?

Géraldine Mercedes Boesch: Weil mein Elan immer noch da ist und ich mich immer noch für die gleichen Anliegen einsetze: für eine lebenswerte Gemeinde mit einer vielfältigen Kultur- und Vereinslandschaft, chancengleiche Bildung, nachhaltiger Mobilität und bezahlbarem Wohnraum. Abgesehen davon: Auch wenn ich 2024 gewählt worden wäre, müsste ich mich bei den Gesamterneuerungswahlen im September 2025 zur Wahl stellen.

Die Frage war eher: 2024 wollte die Mehrheit der Stimmberechtigten nicht, dass die SP einen zweiten Sitz im Gemeinderat erhält. Warum sollte sie das jetzt wollen?

Die Konstellation ist nun eine andere. 2024 war es ein Angriff von uns auf den Sitz der GLP. Der ist gescheitert. Jetzt werden die Karten komplett neu gemischt. Drei Bisherige aus der fünfköpfigen Regierung treten nicht mehr an. Wir haben die Ambition, den zweiten Sitz, den wir vor 12 Jahren verloren haben, zurückzugewinnen. Doch dieses Mal kandidiere ich nicht alleine, um dieses Ziel zu erreichen: Die SP tritt mit einer starken Fünfer-Liste an. Eine hohe Wahlbeteiligung ist ein weiteres wichtiges Ziel. Ich sehe alle Parteien in der Pflicht, einen engagierten und fairen Wahlkampf zu machen, damit im September möglichst viele Könizer*innen wählen gehen. 

Koeniz fotografiert am Dienstag, 25. Februar 2025 in Koeniz. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Köniz Spezial

Vom 3 bis 7. März verlegt die «Hauptstadt» ihr Büro für eine Woche nach Köniz. Die Redaktion arbeitet im jungen Co-Working Workspace & More im Liebefeld. Wenn man Köniz als Agglo-Gemeinde bezeichnet, fliegt sie fast unter dem Radar. Mit 43’000 Einwohner*innen ist sie ein eigener Kosmos direkt am Stadt-Land-Graben. Gerade bewegt sich in Köniz viel. Vom Liebefeld aus ergründen wir, was jetzt mit dem lange etwas vergessenen Schloss geschehen soll, wie das Imperium von Thömus Veloshop wirklich funktioniert und warum die Könizer Guggemusik Zinökler schafft, was für Bern und Köniz undenkbar wäre.

Die Grünen verlieren derzeit national und kantonal Wähler*innen. Gefährdet die SP mit ihrer Offensive den Könizer Regierungssitz der Grünen?

Nein. Unser gemeinsames Ziel ist eine rot-grüne Mehrheit. Die Grünen sind klar die zweitstärkste Partei in Köniz. Sie ist damit neben der SP die einzige Partei, welche ohne Listenverbindung einen Gemeinderatssitz machen kann.. Und sie haben mit Grossrätin Dominique Bühler eine starke Spitzenkandidatin.

Bei den letzten Wahlen 2021 erreichten SP und Grüne gemeinsam einen Wähleranteil von 45 Prozent. Die Linke müsste stark wachsen, damit Sie den zweiten Sitz für die SP holen.

Logisch, wir wollen zulegen. Köniz braucht eine Stärkung der sozialen und ökologischen Kräfte. 2017 lag der Anteil von Rot-Grün noch bei 40 Prozent. Das zeigt: Wie im ganzen urbanen Teil der Agglomeration wird Rot-Grün auch in Köniz stärker. 

Geraldine Boesch fotografiert am Freitag, 28. Februar 2025 in Koeniz. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Zur Person

Géraldine Mercedes Boesch (Jg. 1988) arbeitet als Leiterin des Fachbereichs Kultur bei der Regionalkonferenz Bern-Mittelland. Im Parlament von Köniz ist sie Co-Präsidentin der SP-Juso-Fraktion. Auf der Gemeinderatsliste der SP tritt sie an zusammen mit Gemeindepräsidentin Tanja Bauer sowie Brigitte Rohrbach (Präsidentin Finanzkommission Könizer Parlament, stv. Geschäftsführerin BLS-Stiftung), Henrik Zimmermann (stv. Geschäftsführer Stiftung Weiterbildung Hausarztmedizin) und Lennart Koch (Gymnasiallehrer). Offiziell nominiert werden die Kandidat*innen an der Parteiversammlung Ende März.

In Köniz sind zurzeit alle grossen Parteien – SP, Grüne, GLP, FDP, SVP – mit einem Sitz in der Regierung vertreten. Warum braucht Köniz auf Kosten von GLP, FDP oder SVP eine rot-grüne Mehrheit?

Die politischen Kräfteverhältnisse sind genauso so wenig in Stein gemeisselt wie die Gesellschaft selbst. Köniz ist eine attraktive, dynamische Gemeinde, die wächst. Es ist kein Zufall, dass Rot-Grün im Gürtel um die Stadt Bern stärker wird. Wir bieten Lösungen bei Themen, die die Menschen im Alltag beschäftigen – zu sozialer Sicherheit, zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu konsequenter Klimapolitik, zu genügend Infrastruktur für Kinder und Jugendliche.

Was heisst das auf Köniz bezogen?

Köniz kommt besser vorwärts, wenn diese Themen im politischen Aushandlungsprozess mehr Gewicht erhalten. Aus meiner Sicht würde das die eigenständige Identität von Köniz stärken. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass wir in Köniz die Vereine besser unterstützen und eine lebendige Kulturszene pflegen. Damit wir uns nicht zu sehr an Bern orientieren. Das meine ich mit Stärkung der Identität. 

Parteien und Personen

Diese Personen und Parteien stehen im Könizer Wahljahr im Fokus:

FDP: Spitzenkandidat ist der Unternehmer und Gemeindparlamentarier Dominic Amacher. Mit ihm kandidieren Selin Lopez, Raphael Rutschi und Marlen Bigler. 2021 erreichte die FDP gut 15 Prozent der Stimmen. Prognose: Sitz gefährdet. Der schon im Herbst nominierte Amacher ist aber mit seiner Crew bereits als Wahlkämpfer auf der Strasse unterwegs.

SVP: Spitzenkandidatin ist die Gemeindeparlamentarierin Kathrin Gilgen aus Oberwangen. Neben ihr kandidieren Reto Zbinden, Florian Moser, Beat Roth und David Holenstein.  2021 erreichte die SVP gut 15 Prozent der Stimmen. Prognose: Sitz gefährdet. Starke, gut vernetzte Kandidatin.

GLP: Der 2024 in den Gemeinderat gewählte Thomas Marti stellt sich der Wiederwahl.  2021 erreichte die GLP 12 Prozent der Stimmen, mit der Listenverbindung mit EVP und Mitte deckt sie über 20 Prozent ab. Prognose: Sitz gefährdet, aber Marti hat nach dem Wahlkampf von 2024 einen Bekanntheitsvorsprung. 

Grüne: Spitzenkandidatin ist die aktuelle Grossratspräsidentin Dominique Bühler. Neben ihr kandidieren Christina Aebischer, David Müller, Lukas Erni und Monika Röthlisberger. 2021 holten die Grünen 19 Prozent der Stimmen. Prognose: Sitz bei Stimmenverlust von mehreren Prozent gefährdet. Starke, prominente Kandidatin.  

SP: Gemeindepräsidentin Tanja Bauer und Géraldine Mercedes Boesch sind die Favoritinnen. 2021 holte die SP 26 Prozent der Stimmen. Prognose: Ein Sitz ist sicher, für einen zweiten braucht es einen Stimmenzuwachs von mehreren Prozent.

Wenn man rot-grüne Mehrheit hört, denkt man an die Finanzlage in der Stadt Bern. Sie kann die hohen Kosten des Wachstums nur stemmen, indem sie sich hoch verschuldet. Würden Sie das in Köniz auch in Kauf nehmen?

Unter der Führung von Gemeindepräsidentin Tanja Bauer und mit dem 2022 erzielten Budgetkompromiss haben wir in Köniz eine finanzielle Stabilisierung erreicht. Der Preis für diese Stabilisierung besteht jedoch darin, dass wir Investitionen nicht tätigen, die überfällig sind. Für Schulraum zum Beispiel. Aus meiner Sicht sind pauschale Rezepte in der Finanzpolitik nicht hilfreich, sondern Regierung und Parlament und je nach Kredithöhe die Bevölklerung müssen immer wieder neu abwägen.

Was heisst immer neu abwägen? Köniz wird in den nächsten Jahrzehnten stark wachsen und um Investitionen gar nicht herumkommen.

Das ist so. Es gibt Investitionen, die auf uns zukommen und solche, die wir nachholen müssen. Wir müssen fähig sein, sie vorausschauend und mit Umsicht zu planen und sie sinnvoll zu priorisieren.

Geraldine Boesch fotografiert am Freitag, 28. Februar 2025 in Koeniz. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Eine rot-grüne Mehrheit würde die Könizer Identität stärken, sagt Boesch. (Bild: Manuel Lopez)

Falls Sie im Herbst gewählt würden, ist klar, dass Sie als Teil der rot-grünen Mehrheit starker Kritik der bürgerlichen Opposition ausgesetzt wären. Wie gehen Sie mit Kritik um?

So lange Kritik sachlich ausfällt, stelle ich mich ihr gerne. Wer das nicht kann, holt sich in der Politik schnell blaue Flecken. Wenn man ein Amt ausübt, muss man sich stets in Erinnerung rufen, dass Kritik mit diesem zusammenhängt. 

Wie ruppig wird in Köniz politisiert?

Ich finde, in der Regel werden politische Diskussionen sachlich geführt. Natürlich gibt es Geschäfte, bei denen – je nach DNA einer Partei – die Emotionen hochgehen. Aber ich erlebe die Politik in Köniz so, dass man sich auf Augenhöhe begegnet und der Respekt gewahrt bleibt, auch wenn die Meinungen weit auseinander gehen. Und: Auch nach hitziger Debatte kann man gemeinsam ein Bier trinken.

So wird in Köniz gewählt

Am 28. September werden in Köniz das Gemeindepräsidium, die fünfköpfige Regierung und das 40-köpfige Parlament neu gewählt. Die Regierungswahl wird aussergewöhnlich spannend. Ausser Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) kann sich niemand eines Sitzes sicher sein. Sehr wahrscheinlich ist einzig: In der Könizer Regierung wird es ab 2026 eine Frauenmehrheit geben.

Aktuell haben im Könizer Gemeinderat 5 Parteien (SP, Grüne, GLP, FDP, SVP) je einen Sitz. Drei Gemeinderäte – Hansueli Pestalozzi (Grüne), Hans-Peter Kohler (FDP), Christian Burren (SVP) – treten nicht mehr an. Die bisherigen Wählerstimmenanteile liegen so, dass kleinste Verschiebungen Auswirkungen auf die Sitzverteilung haben können.

Wie in der Stadt Bern, wählt auch Köniz die Regierung im Verhältniswahlsystem (Proporz). Das bedeutet: Die Sitze gehen nicht einfach an diejenigen Personen, die am meisten Stimmen holen. Sondern: Im ersten Schritt werden die Sitze den Parteien entsprechend dem erzielten Wähleranteil vergeben. Im zweiten Schritt gehen die Sitze an die jeweils Bestklassierten auf den Parteilisten.

Eine Partei braucht einen Stimmenanteil von 16,6 Prozent, um einen Sitz auf sicher zu haben.

Im Unterschied zu Bern sind in Köniz Listenverbindungen zugelassen. Bedeutet: Es gibt nicht breite Wahllisten mit Kandidierenden mehrerer Parteien (wie zum Beispiel Rot-Grün-Mitte in Bern). Sondern jede Partei tritt selber mit einer 5er-Liste an und verbindet diese allenfalls mit befreundeten Parteien. 

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