Gute Rendite, wenig Klimaschutz
Die Burgergemeinde verteilt jährlich 50 Millionen Franken an die Berner Allgemeinheit. Das kann sie nur, weil sie mit Bodenbesitz und Immobilien Erträge erwirtschaftet. Wie hoch ist der Renditedruck?
Die Burgergemeinde Bern will sozial, gesellschaftlich und kulturell wirken. Das ist mittlerweile ihre Hauptlegitimation, die auch in der Kantonsverfassung verankert ist. Als öffentlich-rechtliche Gemeinde ist sie der Allgemeinheit verpflichtet. Ihre Aufgabe umschreibt die Burgergemeinde so: «Die Burgergemeinde fördert und wirkt zum Wohl der Menschen in den Lebensbereichen Kultur, Natur, Soziales und Wissenschaft.»
Die dazu nötigen Mittel beschafft sie, indem sie ihr Vermögen von 1,2 Milliarden Franken bewirtschaftet und jährlich einen Ertrag von rund 50 Millionen Franken einspielt. Diesen schüttet sie dann an burgerliche Institutionen sowie kulturelle und gesellschaftliche Organisationen aus.
Dazu hat die Burgergemeinde ihre Organisation gemäss kantonaler Vorgaben zweigeteilt in:
Ertragbringende Bereiche
Aufgabenerfüllende Bereiche
Ein Bereich für die Rendite, ein Bereich für die Wohltätigkeit. – So ist die Jahresrechnung gegliedert, so ist die Denkweise der Burger*innen strukturiert.
Die Wohltätigkeit belief sich im Jahr 2022 auf 48,2 Millionen Franken. So viel gab die Burgergemeinde für ihre aufgabenerfüllenden Bereiche aus*:
4,8 Millionen Franken gingen in die Verwaltung der Burgergemeinde
32,7 Millionen Franken flossen in die Bereiche Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, wovon 8,6 Millionen an das Naturhistorische Museum, 11 Millionen an das Casino, 2,5 Millionen an das Historische Museum oder 1,7 Millionen an das Zentrum Historische Bestände der Universität Bern
10,7 Millionen Franken gingen an Soziale Institutionen
Die Burgergemeinde betreibt und fördert so kulturelle, soziale und wissenschaftliche Berner Institutionen. Entweder gehören sie der Burgergemeinde selbst, wie das Generationenhaus, der Burgerspittel, das Naturhistorische Museum oder das soziale Beratungsangebot SORA. Oder es sind Dienste der Burgergemeinde wie der Sozialdienst, oder die eigene Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde.
Sehr weit ist das Spektrum der Institutionen oder Projekte, die von der Burgergemeinde mitgetragen oder unterstützt werden. Darunter sind grosse Player wie das Historische Museum oder die Stiftung Bühnen Bern. Aber auch kleinere bis sehr kleine wie das Kulturlokal ONO, das Schulmuseum in Köniz oder der Jazz–Veranstalter Zollyphon in Zollikofen. Auch die «Hauptstadt» erhielt von der Burgergemeinde eine Anschubfinanzierung von 135’000 Franken, verteilt auf drei Jahre.
Die Burgergemeinde dient der Allgemeinheit, indem sie Geld ausgibt.
Doch wie erwirtschaftet sie diese 50 Millionen pro Jahr? Erfüllt die Burgergemeinde auch auf der ertragbringenden Seite den Anspruch, im Interesse der Allgemeinheit zu handeln? Welche sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Kriterien werden in den ertragbringenden Bereichen der Burgergemeinde angewandt?
Diese Fragen will die «Hauptstadt» beantworten. Sie hat sich dafür in die aktuelle Jahresrechnung, alte Verwaltungsberichte und Abstimmungsunterlagen vertieft und mit Burgergemeindepräsident Bruno Wild gesprochen.
Dieser empfing die «Hauptstadt» zusammen mit seiner Kommunikationschefin im Generationenhaus in einem Raum, der bald eines der aufgabenerfüllenden Projekte beherbergt. Das burgerliche Beratungsangebot SORA wird im Rahmen eines Pilotprojekts hier ein niederschwelliges Eltern-Walk-In anbieten für Väter und Mütter, die Probleme mit ihren schulpflichtigen Kindern haben. «Das ist offenbar ein Bedürfnis», sagt Wild.
Um diese und andere Aufgaben zu erfüllen, braucht die Burgergemeinde die Finanzen aus den ertragsbringenden Bereichen. «Da wir keine Steuern erheben dürfen, können wir nur über unser Vermögen Einnahmen generieren», sagt Burgergemeindepräsident Bruno Wild.
Das Vermögen der Burgergemeinde beträgt gemäss der Jahresrechnung 2022 rund 1,2 Milliarden Franken. Es setzt sich zusammen aus:
Grundstücken im Wert von 671 Millionen Franken,
Immobilien im Wert von 412 Millionen Franken
Finanzanlagen in der Höhe von 104 Millionen Franken.
Damit erwirtschaftetete die Burgergemeinde im letzten Jahr einen Nettogewinn von 52 Millionen Franken.
Davon kamen 43 Millionen Franken aus Baurechten sowie Miet- und Pachtzinsen.
Die Finanzanlagen brachten 8 Millionen Franken ein. Die Gewinnausschüttung der burgereigenen DC Bank an die Burgergemeinde trug dazu 0,5 Millionen Franken bei.
Aus der Bewirtschaftung des burgerlichen Waldes resultierte 2023 ein Gewinn von knapp einer Million Franken.
In der obigen Grafik sieht man den burgerlichen Besitz in der Stadt Bern:
- Grün: Wald
- Orange: Burgerboden mit Baurechten
- Rot: Eigene Liegenschaften
- Blau: Bauland unüberbaut
- Braun: Landwirtschaft
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Ein Grossteil dieses Besitzes liegt in der Stadt Bern. Insgesamt gehören 32 Prozent des Bodens der Stadt der Burgergemeinde. Davon sind aber 27 Prozent Wald. 1 Prozent sind Landwirtschaftsflächen. Damit machen burgerliche Liegenschaften und Baurechte knapp 4 Prozent der Stadtfläche aus. Als grosse Bodenbesitzerin ist die Burgergemeinde seit ihrer offiziellen Gründung 1833 ein wichtiger Faktor für die Stadtentwicklung.
Wie ist die Situation heute? Prägt die Burgergemeinde mit ihren Renditeerwartungen den Wohnungs- und Bodenmarkt in der Stadt Bern? Inwiefern beeinflusst sie damit die Stadtentwicklung?
«Vernünftige» Mieten
«Als Liegenschaftsbesitzerin sind wir auf dem Platz Bern nicht ein Big Player», sagt Burgergemeindepräsident Bruno Wild. Es sei Unsinn, wenn man sage, die Burgergemeinde dominiere den Wohnungsmarkt. Die Burgergemeinde habe intern auch keine Rendite-Vorgaben. «Wir sind ja kein Immobilienfonds», so Wild. Die Renditen würden pro Einzelobjekt festgelegt. Und die Burgergemeinde habe den Anspruch, nicht preistreibend zu sein.
Auf Anfrage stellt die Domänenverwaltung – so heisst die burgerliche Liegenschaftsverwaltung – der «Hauptstadt» zur Illustration eine Liste mit durchschnittlichen Netto-Mietzinsen in Wohnungen der Burgergemeinde in verschiedenen Quartieren zu:
Kleefeld, 4,5 Zimmer, CHF 1151, vermietet seit 2010
Mattenhof, 4 Zimmer, CHF 1761, vermietet seit 2019
Wittigkofen, 4,5 Zimmer, CHF 1603, vermietet seit 2019, Sanierung 2020
Villette, 4,5 Zimmer, CHF 2384, vermietet seit 2020
Obstberg, 4 Zimmer, CHF 1843, vermietet seit 2018
Wankdorf, 4 Zimmer, CHF 1153, vermietet seit 2011
Laut Wild sind das «vernünftige Mieten». Damit gelinge es der Burgergemeinde aber, einen Überschuss zu erwirtschaften, weil man eben auch bei den Investitionen in die Wohnungen «vernünftig haushalte». Konkret: Die Burgergemeinde saniere moderat und profitiere davon, dass sie Liegenschaften schon lange besitze. «Aber wir können am Mietmarkt natürlich auch nicht «den Pestalozzi» spielen, denn die Liegenschaften müssen Geld bringen, damit die Burgergemeinde ihre Aufgaben erfüllen kann», sagt Wild.
Über das gesamte Grundstück- und Immobilienportfolio erwirtschaftete die Burgergemeinde 2022 eine Rendite von 4 Prozent. Zum Vergleich: Immobilienfonds erzielten im letzten Jahr für Anleger*innen eine durchschnittliche Rendite von rund 3 Prozent. Wobei hier zu beachten ist, dass diese 3 Prozent nach Abzug des Gewinnes des Fonds resultieren.
Laut dem Verwaltungsbericht der Burgergemeinde führt die Domänenverwaltung ein Reporting aller Grundstücke und Liegenschaften zu Leerständen, Renditen und Wertzuwächsen. Doch dieses wollte sie der «Hauptstadt» auf Anfrage nicht zur Verfügung stellen. In früheren Abstimmungsbotschaften zu Umbauprojekten der Burgergemeinde finden sich jedoch einige Zahlen zu Sanierungsprojekten. Dabei finden sich Rendite-Erwartungen von moderaten 2,7 Prozent bei der Sanierung des Zehndermätteli im Jahr 2020 bis zu 11,7 Prozent auf der Investition in eine Geschäftsliegenschaft am Berner Zikadenweg im Jahr 2013.
Ein derzeit geplantes Umbau-Projekt in Muri, das der Grosse Burgerrat am 23. Oktober an seiner öffentlichen Sitzung beschlossen hat, gibt einen kleinen Einblick in die Immobilienbewirtschaftung und zeigt, dass die Burgergemeinde die Mieten nach einer Sanierung auch mal im oberen Bereich der Marktmieten positioniert, allerdings ohne eine hohe Rendite anzustreben.
Man kann Bern nicht verstehen, wenn man die Rolle der Burgergemeinde nicht versteht. Mit ihren 18’000 Mitgliedern ist sie eine der grössten und wohlhabendsten Burgergemeinden der Schweiz, die ein Drittel des städtischen Bodens besitzt. Und das ausgerechnet in der linken Stadt Bern, der sie jedoch als grosszügige Kulturmäzenin beisteht. Wie entstand die Burgergemeinde und wie wurde sie reich? Wie funktioniert sie? Wie viel Macht übt sie aus? Und: Was wäre Bern ohne die Burgergemeinde?
Diese Fragen arbeitet die «Hauptstadt» in den nächsten Wochen aus diversen Blickwinkeln in einem mehrteiligen Schwerpunkt auf. Dieser erste Text über die burgerliche Entstehungs-Saga ist der Auftakt dazu. Zudem hast du Gelegenheit, am «Hauptsachen»-Talk vom 7. November im Progr (19.30 Uhr) live über die Burgergemeinde mitzudiskutieren – mit Burgerrats-Präsident Bruno Wild und SP-Stadtrat Halua Pinto de Magalhães, der die Burgergemeinde in Frage stellt.
Von der Gemeinde Muri hat die Burgergemeinde laut dem Vortrag an den Burgerrat an der Worbstrasse zwei Bauernhäuser erworben, die im Zugangsbereich des ebenfalls gekauften Landes auf der Schürmatt liegen. Nun sollen die günstig erworbenen und denkmalgeschützten Häuser für 3,2 Millionen Franken saniert werden. Danach werden vier Wohnungen vermietet. Damit erzielt die Burgergemeinde laut dem Projekt eine Nettorendite von 2,26 Prozent. Im Burgerrat bezeichnete Thomas Aebersold, der Präsident der Feld- und Forstkommission, diese Rendite als «selbstverständlich bescheiden». Dennoch sei das Bauprojekt wichtig für die sogenannte Arrondierung der Schürmatt.
Um die «bescheidene» Rendite zu erwirtschaften, wird die Burgergemeinde stattliche Mieten verlangen. Die 3,5-Zimmerwohnungen sollen monatlich zwischen 2300 und 2500 Franken Mietzins einbringen. Zum Vergleich: In einer Studie im Auftrag der Gemeinde Muri aus dem Jahr 2020 wurde die Marktmiete damals im Muri für vergleichbar grosse Wohnungen zwischen 1850 und 2100 Franken taxiert.
Fazit: Dass die Burgergemeinde mit diesen einzelnen hohen Mieten im Markt preistreibend wirken könnte, ist unwahrscheinlich. Dafür ist ihr Liegenschaftsbestand zu klein und zu divers.
Baurechte bringen die meisten Einnahmen
Deutlich mehr Geld als mit den Mieten verdient die Burgergemeinde mit der Vergabe von Baurechten. Diese bringen über 60 Prozent der Einnahmen der Domänenverwaltung. Bis 2021 verlangten die Burger*innen gemäss ihrem Verwaltungsbericht einen fixen Baurechtszinssatz von 4,25 Prozent. Diese Praxis hat die Burgergemeinde geändert: Nun wird die Höhe des Zinssatzes der Lage und Qualität des Grundstücks angepasst.
Baurecht ist das Recht, ein Grundstück gegen die Bezahlung eines Zinses für eine bestimmte Dauer zu nutzen und zu bebauen. Baurechte werden meist über Jahrzehnte vergeben.
Hier drängt sich ein Vergleich mit der Einwohnergemeinde auf. Auch die Stadt Bern gibt Grundstücke, die ihr gehören, im Baurecht ab. 2017 verordnete sich die Stadt neue Grundsätze für die Baurechtsabgabe: Bei marktüblichen Baurechten sei der Zins in der Grössenordnung zwischen 3 und 4,5 Prozent anzusetzen. Mit einem Zins von 4,25 Prozent bewegte sich die Burgergemeinde in den letzten Jahren im Vergleich mit der Stadt also eher im oberen Bereich der Spanne.
Ein wenig Wohnbauförderung
Die Burgergemeinde kann den Wohnungsmarkt nicht nur über Mieten und Baurechtszinse beeinflussen. Sie könnte auch preisgünstigen Wohnungsbau ermöglichen, indem sie gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften spezifisch fördert. Die Burger haben zwar schon Baurechte an Genossenschaften vergeben. Doch nicht zu einem reduzierten Zins, wie es etwa die Stadt Bern im Viererfeld tut.
Laut Bruno Wild unterhält die Burgergemeinde mit verschiedenen Wohnbaugenossenschaften über 50 ordentliche, nicht speziell vergünstigte Baurechtsverhältnisse. Da der Abschluss vieler dieser Baurechtsverträge lange zurückliege, seien die Konditionen für diese Genossenschaften inzwischen sehr attraktiv.
Wild verweist auch auf die Siedlung Baumgarten. Mit der Bebauung des Areals im Osten der Stadt wollte die Burgergemeinde Bern Ende der 90er-Jahre einen aktiven Beitrag zur Entspannung auf dem Immobilienmarkt leisten und das Wohneigentum für mittelständische Familien fördern. Über das gesamte Projekt gesehen habe die Burgergemeinde Bern rund 12 Millionen Schweizer Franken für die Verbilligung des Wohneigentums aufgewendet.
Auch im Schwabgut in Bümpliz hat die Burgergemeinde ab den 50er-Jahren preisgünstigen Wohnungsbau ermöglicht. Doch in den vergangenen Jahren packte die Domänenverwaltung keine solchen Projekte mehr an.
«Genossenschaftlichen Wohnungsbau haben wir in letzter Zeit selber nicht aktiv gefördert», bestätigt Wild. «Das ist nicht unser Hauptfokus, denn die Einnahmen müssen erhalten bleiben.» Die Burgergemeinde sei da konservativ.
Auch Thomas Aebersold, der Präsident der burgerlichen Feld- und Forstkommission, stellte sich in einem Interview mit dem «Bund» vor vier Jahren klar gegen den subventionierten Wohnungsbau: «Soll man bedürftige Menschen unterstützen oder billigen Wohnraum schaffen? Ich bin klar für Ersteres.» Aebersold begründet in dem Interview die Praxis, burgerliche Wohnungen zum Marktpreis zu vermieten: «Ohne entsprechenden Beschluss der burgerlichen Behörden dürfen wir nicht Wohnungen unter dem Marktpreis vermieten, das wäre Korruption.»
Schlüsselrolle für Stadtentwicklung
Dennoch werden die Burger*innen künftig mehr Baurechte an Genossenschaften vergeben. Grund sind die neuen Regeln der Stadt, wonach bei Ein- oder Aufzonungen ein Drittel des Landes vergünstigt abgegeben werden muss, um kostengünstigen Wohnraum zu ermöglichen. Daran ist bei der Vergabe von Baurechten auch die Burgergemeinde gebunden. «Vielleicht vergeben wir dann an gewissen Orten auch zusätzliches Land zu einem vergünstigten Zins», stellt Wild in Aussicht. Die Domänenverwaltung gehe bei den Zinsen nicht ans Limit, aber sie müsse Geld verdienen. Allerdings: «Wir sind keine Geldanhäufungsmaschine.» Alles werde wieder ausgegeben, für die Allgemeinheit. Dabei gelte das Motto: «Wir können nicht zweimal sozial sein.»
Dieses Beispiel zeigt: Ihre Rendite-Interessen kann die Burgergemeinde nur innerhalb des Rahmens realisieren, den die Stadt steckt. Grosse Bauprojekte bedingen meist Zonenplanänderungen oder Überbauungsordnungen, für die städtische Volksabstimmungen nötig sind. Auf diesem Weg wird die Burgergemeinde bei der Inwertsetzung ihrer Grundstücke demokratisch kontrolliert. Mit anderen Worten: Auch in der Gegenwart gilt, was der Historiker Martin Stuber für die Langzeitperspektive festhält: Die burgerliche Bodenpolitik ist dann erfolgreich, wenn sie die Anschlussfähigkeit an die politischen Institutionen und gesellschaftlichen Strömungen sucht und ihren Renditeanspruch nicht darüber setzt.
Noch gibt es keine burgerliche Solaranlage
Zu den wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen gehört die Klimakrise. Immerhin verursachen Gebäude in der Schweiz rund 26 Prozent des CO2-Ausstosses. Eine Nachhaltigkeitsstrategie im Gebäudebereich würde also der Allgemeinheit dienen. Welchen Stellenwert räumt die Burgergemeinde dieser Thematik ein?
Im aktuellen Verwaltungsbericht wird der Begriff Klimawandel bei den Aktivitäten der Burgerbibliothek, des Naturhistorischen Museums und der Waldbewirtschaftung erwähnt. Nicht aber bei der Liegenschaftsverwaltung. Einzig im Abschnitt zur Energiestrategie in der Domänenverwaltung finden sich ein paar Sätze zur Nachhaltigkeit.
Da erfährt man, dass die Domänenverwaltung den Verbrauch an Energie fürs Heizen in Mietliegenschaften 2020/2021 erst zum zweiten Mal erfasst hat. Laut dieser Erhebung beträgt der Anteil erneuerbarer Energien 30 Prozent (wobei die Fernwärme nur zu 50 Prozent als erneuerbar gerechnet wurde). Die Erarbeitung einer Energiestrategie wurde im Jahr 2019 initiiert, davor war sie in den Verwaltungsberichten kein Thema.
Gemäss neuestem Verwaltungsbericht hat die Domänenverwaltung nun das Potenzial für Photovoltaikanlagen auf ihren Liegenschaften erfasst. Das Resultat: Auf burgerlichen Liegenschaften könnten jährlich 6,3 Gigawattstunden Solarenergie produziert werden. Damit könnten rund 2'000 Haushalte versorgt werden. Die dazu notwendigen Investitionen betragen rund 10 Millionen Franken.
«Wir sind offen, auf erneuerbare Energien umzustellen», sagt Burgergemeindepräsident Wild. Aber auch hier müsse die Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Man wolle keine Werte vernichten. «Wenn eine Heizung noch zehn oder mehr Jahre läuft, wird sie nicht einfach aus Prinzip ersetzt – das wäre auch nicht umweltschonend.» Die Burgergemeinde hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Anteil der Versorgung mit erneuerbaren Energien in ihren Liegenschaften auf 40 Prozent zu erhöhen.
Aktuell betreibt die Burgergemeinde Bern keine Solaranlagen. Sie arbeitet laut Wild aber an zwei Vorprojekten für den Bau einer Anlage auf einer Wohnüberbauung in Kehrsatz und für eine Anlage auf einer Schul- und Büroliegenschaft in Bern. Ausserdem prüfe man die Realisierung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern von zwei grossen Verwaltungsliegenschaften.
Die Steigerung der erneuerbaren Energien auf 40 Prozent bis 2030 ist kein ambitioniertes Ziel. Und die Solar-Projekte der Burger*innen sind noch nicht weit gediehen. Dazu sagt Wild, die Burgergemeinde sei dezentral organisiert. Die Feld- und Forstkommission werde bald Vorschläge zum Solarpotenzial in den burgerpolitischen Prozess geben. Es gebe auch innerhalb der Burgergemeinde Leute, die auf mehr Klimamassnahmen drängen würden. Die Burgergemeinde stehe aber bei den erneuerbaren Energien im Immobilienportfolio nicht schlechter als die Stadt oder der Kanton da.
«Wir sind nicht an Symbolpolitik interessiert, nur weil man überall schreit, es müsse sein», sagt Wild. Eine 10-Millionen-Investition für Solaranlagen müsse im ganzen System der Burgergemeinde Sinn machen. «Wir lassen wegen der Solarinitiative also nicht alles andere einfach stehen und liegen.» Zudem müsse die Burgergemeinde dem Klimawandel in erster Linie beim Wald begegnen. Als grosse Waldbesitzerin stehe sie hier vor grossen Herausforderungen. Die grosse Verantwortung sei spürbar.
Institution fast ohne Schulden
Der eher konservative Kurs, der sich bei Klimamassnahmen ausdrückt, war jedoch über die Jahrzehnte ein Erfolgsfaktor der Burgergemeinde. Das zeigt sich exemplarisch in der langfristigen Finanzstrategie, auf welche die Burger*innen stolz sind.
Ziel der Burgergemeinde ist es, schuldenfrei zu arbeiten. Alle Investitionen will sie aus dem laufenden Betrieb oder geäufneten Spezialfonds finanzieren. Dazu plant sie laut Wild mit einem jährlich freien Cashflow von rund 20 Millionen Franken.
In den vergangenen Jahren musste die Burgergemeinde jedoch von der Maxime «keine Schulden» abweichen. Grund dafür waren drei grosse Sanierungsprojekte: Das Projekt «Alterspolitik» mit dem Burgerspittel im Viererfeld und dem Generationenhaus; die Burgerbibliothek und das Casino. Insgesamt ein Investitionsvolumen von über 200 Millionen Franken. Das konnte selbst die Burgergemeinde nicht alleine stemmen und hat 50 Millionen Franken Schulden aufgenommen.
Die burgerlichen Betriebe Burgerspittel und Casino sind in der Organisation den aufgabenerfüllenden Bereichen zugeschrieben. Sie sollen aber nicht Geld verbrennen, sondern werden laut Wild nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt und sollen jeweils Ende Jahr eine schwarze Null erreichen. Der Burgerspittel erreichte im vergangenen Jahr ein Betriebsergebnis von 0,5 Millionen Franken. Das Casino hingegen hat ein Betriebsergebnis von minus 2 Millionen Franken verzeichnet.
Doch das ist ein Klacks im Vergleich zum Schuldenberg von 1,325 Milliarden Franken der Stadt Bern. Und bei den Burger*innen sind die Schulden schon bald amortisiert. «Spätestens Ende 2024 werden wir unsere sogenannte Normalsituation wieder erreichen und schuldenfrei sein», sagt Wild. Dann ist die Burgergemeinde finanzpolitisch wieder das pure Gegenteil zur politischen Gemeinde. Und darauf sind die Burger*innen mächtig stolz.
Wobei: Ganz schuldenfrei wird die Burgergemeinde künftig nicht sein. Sie will laut Wild im Rahmen ihrer langfristigen Finanzstrategie bei der Sanierung von Rendite-Liegenschaften für diese Objekte bei Bedarf Hypotheken aufnehmen. Die Burgergemeinde modernisiert sich also im Finanzbereich ein wenig.
Im Auge bleibt dabei die «vernünftige Rendite», damit die 50 Millionen Franken auch in kommenden Jahren an die Berner Allgemeinheit verteilt werden können. Damit die Burgergemeinde zum Beispiel das Naturhistorische Museum oder das Generationenhaus als Publikumsmagnete weiterentwickeln kann. Und damit sie gemäss ihren eigenen Prinzipien zum «Wohl der Menschen» wirken kann.
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* In einer früheren Version des Textes waren die burgerlichen Ausgaben für die Bereiche Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft fälschlicherweise mit 31,1 Millionen statt korrekt mit 32,7 Millionen Franken beziffert.
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Die Artikelserie zur Burgergemeinde wurde mit Unterstützung von JournaFONDS recherchiert und umgesetzt.