Wahlen 2024

Unternehmen und Reiche sollen Klimaschutz zahlen

Das Grüne Bündnis lanciert auf den Wahlkampf hin eine Volksinitiative zur Finanzierung städtischer Klimamassnahmen. Vorgesehen sind höhere Steuern und höhere Gebühren.

Grünes Bündnis
Das Grüne Bündnis will den städtischen Wahlkampf mit einer Klima-Initiative bestreiten, wie das Co-Parteipräsidentin Ursina Anderegg in der «Hauptstadt» ankündigte. Anderegg selber hat gute Chancen, als Gemeindratskandidatin nominiert zu werden. (Bild: Pascale Amez)

Die Klimapolitik der Stadt Bern ruft Kritik von links bis weit in die politische Mitte hervor. Bei der Behandlung einer Interpellation vergangene Woche im Stadtrat gab etwa Gabriela Blatter (GLP) ihrer Frustration Ausdruck, dass die rot-grüne Stadtregierung «Commitment und Priorisierung» vermissen lasse bei der Umsetzung von Klimamassnahmen. Thomas Hofstetter (FDP) bemängelte fehlende Strategie und Verzettelung.

Nun will das linksstehende Grüne Bündnis (GB) der Klimapolitik in der Stadt Bern neue Konturen geben. An der Mitgliederversammlung heute Dienstagabend wird das GB voraussichtlich eine Volksinitiative «für eine konsequente Klimapolitik» beschliessen. Das Hauptziel des Begehrens: einen gut dotierten Geldtopf zu schaffen, mit dem in der Stadt Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels finanziert werden. Ab Sommer – auf den Wahlkampf hin, Wahlsonntag ist der 24. November – will das GB laut Co-Parteipräsidentin Rahel Ruch die nötigen Unterschriften sammeln.

Finanzielle Umverteilung

Die GB-Mitglieder haben die Initiative bereits ausführlich diskutiert, nun soll der Initiativtext verabschiedet werden. Kernpunkt ist laut dem Argumentarium, das der «Hauptstadt» vorliegt, eine sozialverträgliche Finanzierung von Klimamassnahmen durch Umverteilung von Reich zu Arm. Den Initiant*innen schwebt ein mit mindestens 20 Millionen Franken jährlich alimentierter Klimafonds vor, zu dem hauptsächlich Grossverbraucher*innen, Unternehmen und reiche Einwohner*innen beitragen. Wenig Verdienende sollen durch die ambitioniertere Klimapolitik nicht zusätzlich belastet werden.

In der Stadt existieren zwar bereits mehrere Töpfe zur Finanzierung von Klimamassnahmen, es gibt etwa den Ökofonds oder den Rahmenkredit zur Entsiegelung von Böden. Trotzdem brauche es unbedingt einen weiteren Geldkanal, findet das GB. Weil der Spardruck und falsche Prioritätensetzung der Stadtregierung die Umsetzung von Massnahmen behindere. So erwähnt das GB im Argumentarium, die Stadt habe in der Vergangenheit Vorhaben aus der Energie- und Klimastrategie wie die klimaneutrale Vermögensbewirtschaftung oder den Wechsel auf Ökostrom für Strassenbeleuchtung aus finanziellen Gründen gestrichen.

Höhere Unternehmenssteuern

Unbestritten ist: Der bisher einzige Controllingbericht zur städtischen Energie- und Klimastrategie zeigt auf, dass die Stadt hinter den vom Gemeinderat festgelegten Zielen bei der Emissionsreduktion zurückliegt. Diese Ziele sind nicht einmal besonders ambitioniert: Netto Null will die Stadt gemäss Klimareglement erst 2045 erreichen. Das Grüne Bündnis verlangt, dass Bern wie Zürich das Netto-Null-Ziel auf 2040 vorverlegt.

Grünes Bündnis
Will Klimamassnahmen klarer priorisieren: Ursina Anderegg. (Bild: Pascale Amez)

Aber wie genau sollen die Geldmittel eingetrieben werden, die das Erreichen erst noch höher gesteckter Ziele realistisch machen sollen? Dafür brechen die grünen Initiant*innen zum Start ins Wahljahr ein Tabu: Sie schlagen auch Steuererhöhungen vor, allerdings ausschliesslich für juristische Personen.

Konkret macht das Grüne Bündnis verschiedene Vorschläge. Der Gemeinderat könnte gemäss dem Initiativtext, welcher der «Hauptstadt» ebenfalls vorliegt, neben Beiträgen aus dem ordentlichen Budget folgende Geldquellen erschliessen:

  • die Unternehmenssteuern in der Stadt anheben;

  • eine Förderabgabe in Form eines Zuschlags auf den Gebühren für Elektrizitätslieferungen erheben;

  • bestehende Gebühren erhöhen oder neue Gebühren erlassen;

  • einen Teil der Gewinnablieferung von Energie Wasser Bern (ewb) verwenden und diese bei Bedarf erhöhen

Würze für Wahlkampf

Damit dereinst über die «Klimagerechtigkeitsinitiative» abgestimmt wird, müssen die Initiant*innen innert sechs Monaten 5000 Unterschriften sammeln. Das will das Grüne Bündnis nicht alleine tun. Ziel ist laut Co-Präsidentin Ruch ein breites Bündnis für die Anliegen: «Nach dem Beschluss der GB-Mitglieder werden wir alle Partner*innen von Rot-Grün-Mitte, die Umweltorganisationen und den Klimastreik dazu einladen, die Initiative mitzutragen.» 

Dass das GB seine pointierte Initiative zu einem Wahlkampfvehikel macht, würzt jedoch auch den Wahlkampf – in verschiedener Hinsicht. Mit dem Vorschlag, die Wirtschaft mit der Erhöhung der Unternehmenssteuer für Klimamassnahmen zur Kasse zu bitten, liefert man den Bürgerlichen ein Gegenargument auf dem Serviertablett. Seit jeher werfen diese Rot-Grün vor, die Interessen von Gewerbe und Wirtschaft zu wenig zu beachten.

Herausfordernd ist die Initiative aber auch für das Rot-Grün-Mitte-Bündnis. Das GB hat selber einen Sitz in der linken Stadtberner Regierung, und nun treibt es diese mit einer Volksinitiative zu mehr Entschlossenheit in einem Kernthema von Rot-Grün an. Das ist zumindest erklärungsbedürftig. Offenbar genügte RGM die 4:1-Mehrheit im Gemeinderat nicht, um die Klimapolitik stärker zu priorisieren.

Kandidatin Anderegg?

Ursina Anderegg, wie Rahel Ruch GB-Co-Präsidentin, hielt in einem Interview mit der «Hauptstadt» im letzten Sommer kritisch fest, dass Klimafragen im aktuellen Gemeinderat offenbar nicht oberste Priorität hätten: «Wir haben nur eine Person in der Regierung.» Anderegg macht klar, dass sie im Klimadossier «höhere Erwartungen an die politische Führung» habe, was man auch als Kritik an den SP-Gemeinderät*innen sowie an Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) verstehen kann.

Apropos GB-Vertretung in der Stadtregierung: Am Dienstagabend nominiert das GB auch die Person, die kandidiert, um den Sitz der abtretenden Franziska Teuscher zu verteidigen. Wen die Parteileitung der Partei als Kandidatin vorschlägt, werde erst an der Versammlung bekannt gegeben, sagt Ruch. Gute Chancen hat gemäss Parteiinsidern Ursina Anderegg. Sie hat ihr Interesse an einer Kandidatur bereits letzten Sommer in der «Hauptstadt» öffentlich gemacht.

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Diskussion

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Thomas Schneeberger
26. März 2024 um 10:28

Merkwürdig, dass die SP diese Initiative nicht mitträgt.