Rendite-Objekt der Burgergemeinde

Altstadt-Umbau und Neubau in der Länggasse: Die Burgergemeinde saniert mehrere grosse Liegenschaften. In der Länggasse soll der Mietertrag um 83 Prozent steigen.

Gebaeude der Stadt Bern an der Zähringerstrasse 19 fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Der Wohnblock der Burgergemeinde in der vorderen Länggasse an der Zähringerstrasse 19 soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. (Bild: Simon Boschi)

Der Burgergemeinde besitzt rund ein Drittel des Bodens in der Stadt Bern. Der grösste Teil davon ist Wald. Die bebauten Grundstücke der Burgergemeinde machen rund 4 Prozent des städtischen Bodens aus. Diesen Grundbesitz bewirtschaftet sie, indem sie Baurechte vergibt oder mit ihren eigenen Liegenschaften Mietzinseinahmen erzielt.

Damit erwirtschaftet die Burgergemeinde einen erheblichen Anteil der jährlich 50 Millionen Franken Ertrag aus ihren Besitztümern. Diesen Ertrag muss die Burgergemeinde gemäss Kantonsverfassung «zum Wohl der Allgemeinheit» einsetzen. Das Geld fliesst unter anderem an Museen, Kulturschaffende und soziale Institutionen.

Mit ihren Immobilien will die Burgergemeinde deshalb hohe Einnahmen erzielen. Wie genau, das arbeitete die «Hauptstadt» vor einem Jahr auf. 

Aber was bedeutet es konkret, wenn die Burgergemeinde Immobilien gewinnbringend bewirtschaftet? An aktuellen Umbauprojekten in der Altstadt und der Länggasse lässt sich das veranschaulichen.

Zwei Projekte mit Millionenkrediten

Kürzlich hat der Grosse Burgerrat – das Parlament der Burgergemeinde – an seiner öffentlichen Sitzung zwei Kredite gesprochen: Einen für die Sanierung mehrerer Altstadt-Häuser an der Gerechtigkeitsgasse 40/42 und der Postgasse 31/33/35. Und einen für das Abreissen und Ersetzen eines Gebäudes an der Zähringerstrasse 19 in der Länggasse. Am 11. Dezember befindet das burgerliche Stimmvolk über die beiden Vorlagen.

Die Höhe der Kredite – 21,2 Millionen Franken (Altstadt) und 14,5 Millionen Franken (Länggasse) – zeigen, dass es sich bei den Vorhaben auch für die Burgergemeinde um grosse Projekte handelt.

Neubau in der Länggasse

Wer schon einmal der Zähringerstrasse entlang gelaufen ist und die Länggasse-Umgebung kennt, weiss: Das Haus Nummer 19 reiht sich in eine Plattenbau-Häuserreihe mit älterem Baujahr ein. Aktuell sind dort bereits Installationen angebracht, die den Umfang des geplanten Neubaus andeuten und zeigen: Es wird höher und grösser gebaut.

Für das neue Gebäude sollen die Bauarbeiten in der Länggasse im September 2025 beginnen. Aktuell befinden sich im Gebäude nebst einem Schulungs- sowie einem Fitnessraum 16 Wohnungen, der Neubau wird 28 Wohnungen enthalten. Das wird möglich, indem ein Stock dazugebaut wird, so dass mehr Wohnraum entsteht. Die Hälfte der 28 Wohnungen im Neubau werden kleine 2.5-Zimmer-Wohnungen. Dazu kommen zehn 3.5-Zimmer-Wohnungen, vier 4.5-Zimmer-Wohnungen und zwei 1.5-Zimmer-Wohnungen.

Das neue Gebäude ist als reiner Holzbau geplant und wird ans Fernwärmenetz Bern angeschlossen. Auf dem Dach werden Photovoltaikanlagen installiert.

Solarenergie

Die geplante Photovoltaikanlage in der Länggasse ist Teil der Energiestrategie der Burgergemeinde. Sie ist eine von vielen Anlagen, die die Burgergemeinde in Zukunft auf ihren Gebäuden installieren will. Konkret geplant sind Anlagen auf dem Naturhistorischen Museum, auf dem Burgerspittel im Viererfeld, an der Ostermundigenstrasse 81, dem Landwirtschaftsbetrieb Rüpplisried (Mauss) sowie dem Landwirtschaftsbetrieb Angstorfgut (Düdingen) seien schon Photovoltaikanlagen geplant, schreibt die Burgergemeinde auf Anfrage.  

Laut Sitzungsunterlagen vom 21.Oktober kam eine Sanierung an der Zähringerstrasse aufgrund «struktureller Defizite» für die Burgergemeinde nicht infrage. Genannt werden geringe Raumhöhe und eine «unbefriedigende Eingangssituation» mit Tiefparterre. Eine einfache Sanierung des 1977 gebauten Hauses sei aber auch aus finanziellen Gründen nicht infrage gekommen.

Gebaeude der Stadt Bern an der Zähringerstrasse 19 fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die Photovoltaikanlage auf dem Dach des geplanten Neubaus in der Länggasse ist Teil der Energiestrategie der Burgergemeinde. (Bild: Simon Boschi)

Das Umbau-Projekt zeigt auf, wie aus einer älteren, wenig rentablen Liegenschaft ein Renditeobjekt wird. Für die vielen 2.5- und 3.5-Zimmerwohnungen finden sich in Bern offenbar viele Abnehmer*innen. Die Burgergemeinde hält fest, sie sei überzeugt, dass sich die für den Neubau höher angesetzten Mietpreise an der guten Lage realisieren lassen. Laut der Burgergemeinde wird der Durchschnittspreis einer Wohnung rund 1920 Franken pro Monat liegen.

Sanierung in der Altstadt

Die Liegenschaft in der Altstadt ist das grösste Ensemble, das sie in dem Perimeter besitzt. Darin befinden sich Läden, Galerien und Wohnungen.

Während das Gebäude an der Gerechtigkeitsgasse 40 und der Postgasse 31/33 vorher acht Wohnungen umfasst, werden es nach der Sanierung elf Wohnungen sein. An der Gerechtigkeitsgasse 42 und der Postgasse 35 bleiben die neun aktuellen Wohnungen bestehen.          

Da die Gebäude an der Gerechtigkeits- und der Postgasse sich im Perimeter des Unesco-Weltkulturerbes befinden, fallen sie unter Denkmalschutz. Die Sanierungen werden deshalb so umgesetzt, dass historische Eigenheiten in der Bauart der Grundstücke erhalten oder wiederhergestellt werden, wie der Grosse Burgerrat im Protokoll festhält. Darunter fallen unter anderem das Cheminée aus der Bauzeit um das Jahr 1800 und ein kleiner Festsaal aus der französischen Schlossarchitektur aus dem 16. Jahrhundert.

Gebaeude der Stadt Bern an der Gerechtigkeitsgasse 40/42 und Postgasse 31/33/35 fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Der Innenhof an der Gerechtigkeitsgasse 40 und der Postgasse 31/33 gehört zu den grössten privaten Innenhöfen der Berner Altstadt. (Bild: Simon Boschi)

Laut den Sitzungsunterlagen des Grossen Burgerrates vom 21. Oktober ist der Start des Umbaus in der Altstadt auf Januar 2026 angesetzt. Saniert werden unter anderem Küchen, Bäder, Oberflächen und Gebäudehüllen. Im Erdgeschoss der Gerechtigkeitsgasse 40 und der Postgasse 31/33 – wo sich bisher Ateliers befanden – soll eine neue 2.5-Zimmer-Wohnung entstehen. Zudem werden ins Dachgeschoss drei neue Mansarden eingebaut. 

Fernwärme

Gemäss ihrer Energiestrategie strebt die Burgergemeinde nachhaltige Stromversorgung in ihren Liegenschaften an. Im Altstadt-Ensemble scheitert der Anschluss an erneuerbare Energien allerdings, da ein Anschluss an das städtische Fernwärmenetz im Altstadt-Perimeter noch nicht möglich ist. Während den Sanierungsarbeiten in den Altstadt-Gebäuden der Burgergemeinde will diese aber Vorarbeiten leisten, so dass ein Anschluss an die Fernwärme in Zukunft einfacher umsetzbar wäre. 

Aktuell werden alle Wohnungen an der Gerechtigkeitsgasse 40 und der Postgasse 31 und 33 sowie an der Gerechtigkeitsgasse 42 und der Postgasse 35 mit je einer separaten Gasheizung beheizt. Im Rahmen der Sanierung wird im Erdgeschoss der Postgasse 35 ein Wärmeerzeuger installiert, der alle Wohnungen des Ensembles beheizt. Zudem wird auf Biogas umgestellt. 

Wegen des Umbaus wurde den aktuellen Mieter*innen im Juni dieses Jahres gekündigt. Für die neuen Wohnungen haben sie Vormieterrecht. Auf Anfrage teilte die Burgergemeinde mit, dass sie mit einigen Mieter*innen in Kontakt stünde, die von ihrem Vormieterrecht Gebrauch machen möchten. Andere würden sich nach einer neuen Wohnung umschauen.

Wer vom Vormieterrecht Gebrauch machen will, muss allerdings mit höheren Mieten rechnen. Denn die neuen Wohnungen sollen «auf Marktniveau» angehoben werden, heisst es in den Dokumenten. Das bedeutet konkret: Statt wie bisher 535'872 Franken will die Burgergemeinde mit den umgebauten Liegenschaften in der Altstadt künftig 838'440 Franken einnehmen. 

Gebaeude der Stadt Bern an der Gerechtigkeitsgasse 40/42 und Postgasse 31/33/35 fotografiert am Freitag, 8. November 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Blick von der Postgasse auf das Altstadtensemble: Gerechtigkeitsgasse 42/Postgasse 35 rechts und Gerechtigkeitsgasse 40/Postgasse 31/33 links. (Bild: Simon Boschi)

Dennoch wird schnell klar, dass die Einnahmen in diesem Fall nicht so stark gesteigert werden wie im Fall des Neubaus an der Länggasse. Denn während die Sanierung an der Gerechtigkeits- und Postgasse unter anderem den Anspruch hat, das Stadtbild und historische Werte zu erhalten, ist beim Neubau in der Länggasse die Renditesteigerung im Fokus.

Mit dem Länggass-Neubau will die Burgergemeinde gemäss ihren Berechnungen neu 706’820 Franken im Jahr einnehmen. Im Vergleich zu den aktuellen Einnahmen von 385’572 Franken sind das 321’249 Franken mehr oder einer Ertragssteigerung um 83 Prozent. Dennoch bezeichnet der grosse Burgerrat das Ertragssteigerungspotenzial durch den Ersatzneubau als begrenzt und im Vergleich zu den notwendigen Investitionen als mässig. Der Grund: Durch die gute und zentrale Lage seien die Mieten schon heute auf «sehr hohem Niveau».

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