«Ich war nie ein Mann in diesem Business»
Die 22-jährige Autotune-Rapperin Soukey ist weiblich, Schwarz, queer und in der Hip-Hop-Szene hoch im Kurs. Für sie finden weiblich gelesene Personen immer noch zu wenig öffentlich statt.
Eigentlich ist es ein turbulenter Tag für Soukey: Zuerst hat sie einen Gastauftritt beim Konzert des Trap-Musikers Pronto im ISC. Sie haben zusammen das Lied Skylines herausgebracht. Später, um 23.30 Uhr etwa, tritt sie im SRF-Gebäude im Monbijou an der Museumsnacht auf. An diesem Morgen ist ausserdem ihr Computer kaputt gegangen, was fatal sein könnte: Darüber läuft ihre Stimme, damit ein Effekt in den Liedern entsteht.
Trotzdem wirkt Soukey null gestresst, ist sogar in Feierlaune. Bei ihren Freund*innen, die in der Nähe an einem Tisch sitzen, fragt sie nach einem Prosecco Mate.
«Das Konzert im ISC macht mich nervös, der Auftritt bei SRF hingegen wenig», sagt sie. Zumal sie eine Lösung für das Computerproblem gefunden hat: Jemand aus ihrer Crew, Devi (Teil des Hyperpop-Kollektivs Hatepop), leiht ihr einen Computer.
Die 22-Jährige, mit vollem Namen Soukeyna MBoup, ist in Murten aufgewachsen. Heute lebt sie in Bern und ist seit fünf Jahren fester Teil der Hip-Hop-Szene. Ihr Kennzeichen: In allen Liedern verändert Soukey durch sogenanntes Autotune ihre Stimme.
Die Marktlücke
Soukey ist eine Frau, Schwarz und spricht offen über ihre Homosexualität. Sie sei deshalb für Flinta-(Frauen, Lesben, Inter, non-binäre, Trans-, Agender)-Personen ein Vorbild, schreibt das Lyrics Magazin.
«Es tschuderet mich, wenn ich das höre», sagt Soukey. Sie wolle keine Galionsfigur für etwas sein. Stattdessen freue sie sich einfach, wenn ihre Musik anderen Menschen etwas gebe.
In ihren Texten verarbeitet Soukey Themen wie Ausgrenzung, mentale Gesundheit oder den täglichen Kampf einer jungen, queeren Person of Color. Für sie ist das normal, weil es zu ihrem Leben gehört. Deshalb sieht sie hinter den Texten keine aktivistische Absicht, mit Tabus zu brechen. «Mein Lebensstil ist für gewisse Menschen tabu. Und wenn ich dementsprechend Musik mache, kommen diese Themen auf den Tisch.»
Bodenständig bleibt sie auch beim Thema, dass sie eine von wenigen Frauen in der männerdominierten Hip-Hop-Szene ist. Sie kenne nichts anderes und habe keinen Vergleich: «Ich bin kein Mann in diesem Business.» Mittlerweile komme sie gut klar in «diesem Kuchen». Am Anfang könne es aber sehr schwierig sein, den Anschluss zu finden.
Die Hip-Hop-Szene in der Schweiz habe einen Wandel nötig, findet Soukey. Von Männern dominierte Line-Ups seien zum Beispiel «extrem anstrengend». Ebenso anstrengend findet sie es, wenn Bands nur gebucht würden, um eine Quote zu erfüllen. Oder Orte, an denen viel zu wenig weiblich gelesene Personen sind – sowohl auf der Bühne und im Publikum. Das sei etwas, das sie immer wieder nerve.
Jung, erfolgreich – und unter Druck
Soukey ist mit Musik gross geworden. Ihr Vater ist Perkussionist, spielt Djembe und singt. Sie besuchte als Kind viele seiner Konzerte. Sie selbst begann in der dritten Klasse Klarinette zu spielen und lernte später Saxophon. Irgendwann wollte sie nicht mehr nach Noten spielen, lernte Klavier und Gitarre und begann zu singen. Weil sie fand, dass sie selbst auch etwas zu erzählen hat, begann Soukey, selbst Texte zu schreiben. «Das Schreiben hilft mir, meine Gedanken zu ordnen», sagt sie.
Im Alter von rund 15 Jahren nahm sie mit Hilfe von Geldspenden ihre ersten Demos auf. Mit 17 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Track «Tüffuskreis».
2022, mit 19 Jahren, gewann Soukey den M4Music-Award mit dem Lied «Fuck». «Damit hatte ich null gerechnet», sagt sie rückblickend. Soukey hatte so wenig damit gerechnet, dass sie gar nicht erst an der Award-Show teilnahm und schon im Bett war, als sie die Nachricht von ihrem Gewinn erhielt.
Mit 19 Jahren den M4Music Award zu gewinnen, habe aber auch Druck aufgebaut. «Es war eine schöne Zeit. Aber es gab auch viele Momente, in denen ich nicht genau wusste, wohin mit mir.»
Vom Fan zum Featuring
Soukey hätte am liebsten gleich losgelegt und nur noch Musik gemacht. Aber gleichzeitig wollte sie ihre Ausbildung abschliessen. Sie absolvierte damals eine kaufmännische Lehre am Schlachthaustheater. «Wenn eines Tages nicht mehr alles glänzt und schön leuchtet, habe ich wenigstens einen Boden unter meinen Füssen», sagt sie. Deshalb hat sie 2023 ihre Lehre abgeschlossen und erst danach vermehrt auf die Karte Musik gesetzt.
Die Musikerin arbeitet weiterhin in der Kulturbranche. «Das gibt mir einen guten Ausgleich, und ich bin immer noch nahe an dem, was ich selber mache: an der darstellenden Kunst», sagt Soukey. Dadurch könne sie ihre Rechnungen bezahlen und auch mal selektiv sein, welche Konzerte sie spielen wolle.
Die Lehre im Kulturbereich hat Soukey in vieler Hinsicht geholfen. «Alles, was auf der Bühne stattfindet, finde ich so faszinierend.» Dabei hat sie auch gelernt, wie man ein Förderdossier ausfüllt und Subventionen bekommt: «Das ist so wichtig für meine Branche.»
Doch auch heute, mit 22, sei sie noch auf Identitätssuche: «Es gibt so viel, das ich machen könnte, da fällt mir die Entscheidung nicht leicht.» Sie sei eine langsame Entscheiderin, sagt Soukey.
Teil des Preises des M4Music-Awards war ein bezahltes Coaching. Die entsprechende Person konnte Soukey selbst auswählen. Ihre Wahl fiel – nach langer Überlegung – auf Luc Oggier vom bekannten Berner Duo Lo & Leduc. «Ich war früher ein grosser Lo & Leduc-Fan», sagt Soukey. Heute sind sie gut befreundet.
Oggier coacht sie seit Anfang Jahr und hat ihr bei ihrem ersten Album, das Ende März herausgekommen ist, geholfen. «Luc spiegelt, was ich schreibe oder singe und sagt nicht, wie er es machen würde», beschreibt Soukey den Prozess. Dabei gehe es oftmals um grundlegende Sachen, von denen sie aber sehr profitiere.
Wohl kein Zufall: Soukey hat mit Lo & Leduc Anfang 2025 das Lied «Hold Up» herausgebracht.
Kein Rap
Mit dem Autotune und ihrer teils undeutlichen Aussprache sind Soukeys Texte nicht so einfach zu verstehen, was der Musikerin aber gefällt: «Die Leute verstehen die Texte zum Teil anders als ich, aber das finde ich voll schön.» Musik kann für sie frei interpretiert werden.
Dabei ist Soukey klar, dass nicht alle etwas mit ihrer Musik anfangen können: «Das neue Album ist für mich poppig, für andere Leute ist es immer noch speziell», sagt sie und lacht.
In ein bestimmtes Genre will sich Soukey denn auch nicht einordnen: «Das ist das Schöne bei der Musik. Du kannst so viele verschiedene Elemente zusammenmischen und dein eigenes daraus machen.» Zum Beispiel verbindet sie selbst afro-rhythmische Klänge immer wieder mit elektronischen Elementen.
Musik müsse nicht immer tanzbar sein, findet Soukey. Aber es sei schön, wenn sie etwas in den Menschen auslöse – egal was. «Musik verbindet, aber jede*r hat einen anderen Bezug.»
Live: Soukey tauft ihre Platte «Bijou» mit einem Konzert im Dachstock der Reitschule. Freitag, 11. April, 21 Uhr. Mit Soukey auf der Bühne stehen Débikatesse, Badnayi, Saharaa und Selima.