Inspirationen – «Hauptstadt»-Brief #139

Donnerstag, 23. Februar 2023 - die Themen: Housi Stucki; Papagei Yerosha; Autobahnausbau; Psychiatrie; Regula Mader; Karl Rechsteiner, Bronislaw Erlich; Sternen Bümpliz.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Besuche sind mir eine Freude, besonders, wenn sie überraschend kommen. Vorgestern schneite plötzlich Hans Stucki zu mir ins Café Tscharni herein, wo ich an meinem Laptop sass, über einem Text grübelte und auf Inspiration wartete. Ich war froh, kam er ins Reden.

Housi Stucki ist eine grosse Figur in Bümpliz. Als damaliger Präsident der SP Stadt Bern gehörte er zu den Strateg*innen, die 1992 das Rot-Grün-Mitte-Bündnis einfädelten. Und er war als jahrzehntelanger Geschäftsführer der Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem (QBB) quasi der Aussenminister von Bern West.

Als pointierter Linker, der nicht gerne den Mund hält, ist Stucki in Bümpliz auch umstritten. Er hat sich damit abgefunden, dass es Leute gibt, die die Strassenseite wechseln, wenn sie ihn sehen.

Was mir an ihm imponiert: Er ist 79-jährig und voller Vorwärtsdrang. Schon vor Jahrzehnten setzte er sich gegen Widerstände dafür ein, dass in Grosssiedlungen wie dem Tscharnergut Begegnungs- und Sozialräume entstehen. Er tut es immer noch. Im Bümplizer Bienzgut zum Beispiel, aus dem auch dank ihm ein öffentlicher sozialer Ort wurde. Es ist wohl kein Zufall, entstand das erste und einzige Modi*hus der Stadt genau hier.

Wenn Bümpliz der Stadt voraus ist, gefällt das Stucki.

Zur Entspannung fährt er gerne die 15 Minuten mit dem Velo in sein Mini-Ferienhäuschen unten in der Eymatt, wo der gurgelnde Gäbelbach aus dem steilen Wald in den Wohlensee fliesst. Hier ist der Westen wild, ein ungezähmter Naturraum, hier leben Biber, Dachse, Feuersalamander – und Erdkröten (deren Augen es unserer Wildtier-Kolumnistin so angetan haben). Aber es ist genauso Bümpliz wie die Hochhaustürme im Fellergut oder im Holenacker. Einfach anders, als man gemeint hat.

So beginnt Inspiration. Danke für den Besuch!

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Die Reitschule bei leichter Bewölkung. (Bild: Marlou Thalheim)

Das möchte ich dir in den Tag mitgeben:

Ukrainischer Papagei: Morgen Freitag jährt sich Russlands Überfall auf die Ukraine. Seit letztem März lebt Papagei Yerosha in der Schweiz, Yana und Darya Kaysina sind mit ihm hierher geflüchtet. Die «Hauptstadt» besuchte die drei im April in Zollikofen. Wie geht es ihnen heute? Meine Kollegin Marina Bolzli hat sie in ihrem neuen Zuhause in Muri-Gümligen wieder getroffen.

Autobahnausbau: Der Bundesrat will zwischen 2024 und 2028 1,6 Milliarden Franken in Verkehrsmassnahmen in den Agglomerationen der Schweiz investieren, wie er gestern beschloss. Rund 170 Millionen Franken sollen in den Kanton Bern fliessen. Zu diesem Paket gehört der umstrittene Ausbau der Autobahn A1 beim Grauholz auf 8 Spuren, gegen den zahlreiche Einsprachen eingingen, unter anderem auch von Gemeinden mit bürgerlicher Mehrheit wie Zollikofen. Während der Kanton mit der Stossrichtung des Bundesrats zufrieden ist, kritisiert der Verein Spurwechsel die Ausbauabsichten als «gegen jede Klimavernunft».

Psychiatrie: Das Psychiatriezentrum Münsingen und die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern prüfen eine Fusion, wie sie mitteilen. Bis Ende Jahr wollen sie entscheiden, ob sie der Kantonsregierung das Zusammengehen vorschlagen wollen. Die Fusion soll gravierende akute Probleme wie Fachkräftemangel, Kapazitätsengpässe oder Überbelastung des Personals entschärfen.

Karl Rechsteiner: Der legendäre Berner Hackbrettspieler Karl Rechsteiner ist im Alter von 98 Jahren gestorben, wie seine Familie schreibt. Er bildete mit seinen Söhnen Christoph, Karl Johannes und Niklaus seit 1976 die populäre Stubemusig Rechsteiner, die 2006 den Soundtrack zum Film «Herbstzeitlosen» der Berner Regisseurin Bettina Oberli einspielte.

Bronislaw Erlich. Der polnische Jude Bronislaw Erlich, der in Bern wohnt, gehört zur Generation der letzten noch lebenden Überlebenden des Holocaust.  Dieser Tage wird er 100 Jahre alt. Zu seinen Ehren liest am kommenden Samstag und Sonntag, je um 17 Uhr, die Autorin Simone Müller im Elfenaupark aus ihrem Porträtbuch. Ein Kapitel, das die «Hauptstadt» gekürzt publizierte, ist Erlich gewidmet. Zudem findet am Samstag um 17 Uhr ebenda eine Ausstellungsvernissage statt. Die Berner Fotografin Annette Boutellier zeigt Porträts von Menschen, die den Holocaust überlebt haben.

Regula Mader: Das Haus der Religionen muss das Präsidium neu besetzen, weil die langjährige Präsidentin Regula Mader das Ehrenamt per Mitte Jahr aufgibt. Wie sie gegenüber den Tamedia-Zeitungen Bund/BZ (Abo) sagt, habe der Rücktritt nichts mit der Moschee im Haus der Religionen zu tun, die wegen Zwangsheiraten in die Kritik geriet.

Gastro: Über den Gaumen erlebt man die Vielfalt von Bern West. Nach der zeitgeistigen Kulinarik in der Mensa der Hochschule der Künste am Dienstag verpflegte sich die «Hauptstadt»-Redaktion tags darauf im historischen Sternen Bümpliz. Und wurde satt, sehr satt.

PS: Inspirierendes, das übers Ohr Geist und Herz erhellt: Das ist das Festival Sonohr, das von morgen Freitag bis Sonntag Audioschaffende und Höraffine in Bern zusammenbringt. Örtlich findet die Roadshow der aktuellen kreativen Hörstücke und Podcasts im und ums Kino Rex statt. Wichtiger Teil des Festivals ist der nationale Wettbewerb, für den 12 Stücke nominiert wurden, Mitglied der dreiköpfigen Jury ist meine Kollegin Marina Bolzli. 

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