Ein Zuhause für den Berner Tanz
Der Leistungsvertrag der Dampfzentrale wird neu ausgeschrieben. Beta, der Verein der Berner Tanzschaffenden, steht in den Startlöchern.
Die Dampfzentrale im Berner Marzili hat einen sehr guten Ruf. Man kennt sie – auch über Bern hinaus. Als Kulturort, als Ort mit aufregenden, zum Teil internationalen Happenings in den Bereichen Tanz und Musik. Oder etwa auch als Veranstaltungsort einer beliebten Gesprächsreihe von Philosophin Barbara Bleisch. Es gibt eine einmalige Infrastruktur mit mehreren Räumen, einer grossen Bühne und einem Tanzboden.
Nur nützt das den Berner Tanzschaffenden nicht viel. «Lokales Tanzschaffen findet fast nicht statt», sagt Sandra Forrer. Sie leitet die Geschäftsstelle von Beta, des Vereins für Berner Tanzschaffende. 110 Mitglieder hat der Verein. Das sind praktisch alle, die in Bern professionell auf Bühnen tanzen oder unterrichten.
Der Verein hat ein Tanzfestival initiiert und arbeitet seit 2020 am Projekt Tanzhaus Bern. «Es soll dem Berner Tanzschaffen eine Bühne geben und ein Daheim sein», sagt Forrer. Nur: Ursprünglich wurde die Dampfzentrale als Ort für den Berner Tanz konzipiert und wird dafür auch von der Stadt finanziert.
Der Verein Beta überlegt sich jetzt, sich für den neuen Leistungsvertrag in der Dampfzentrale zu bewerben.
Denn ab 2028 soll die Dampfzentrale, die von der Stadt mit jährlich 2,4 Millionen Franken subventioniert wird, mit einem neuen Konzept betrieben werden. Das hat die Stadt am Donnerstag in einer Mitteilung kommuniziert. In einem zweistufigen Wettbewerb werden alle Interessierten eingeladen, ihre Ideen einzugeben. Der Vertrag mit dem jetzigen Betreiber, dem Verein Dampfzentrale, wird nicht verlängert.
«Dass nun der harte Schnitt kommt, ist unerwartet und ein Stück weit ein Schock», schreibt Vereinspräsidentin Brigitte Hilty Haller auf Anfrage. Auch wenn man gewusst habe, dass es auf 2028 allenfalls Änderungen geben werde. «Wir als Vorstand stellen fest, dass es uns offenbar nicht gelungen ist, den impliziten Erwartungen der Subventionsgeberin vollumfänglich zu entsprechen, obschon die Dampfzentrale die geforderten Kennzahlen zu den Besuchendenzahlen und der Anzahl Veranstaltungen regelmässig erreichte», so Hilty weiter.
Als Misstrauensvotum gegenüber den jetzigen Betreibern will Franziska Burkhardt, Kulturbeauftragte der Stadt Bern, den Entscheid nicht verstehen. «Der Verein Dampfzentrale ist ganz klar eingeladen, ein Konzept einzugeben», sagt Burkhardt.
Was will die Stadt Bern?
Sicher ist: Das Konzept muss mehr Berner Tanz als bisher enthalten. «Es fehlt ein richtiger Ort für den Berner Tanz», sagt die Kulturbeauftragte. «Ein Ort, wo sich das Berner Tanzschaffen auch zuhause fühlt.» Ausserdem habe die Angebotsdichte im momentanen Programm der Dampfzentrale noch Luft nach oben. «Und das meine ich ganz klar quantitativ und nicht qualitativ», präzisiert sie.
Die Dampfzentrale wird von einem Verein betrieben. Das ist historisch gewachsen, denn ursprünglich wurde die Dampfzentrale 1987 besetzt. Das Ziel: sie als kulturellen Ort zu nutzen. Schon im gleichen Jahr bewilligte die damals bürgerliche Regierung der Stadt Bern den Versuchsbetrieb. Die Dampfzentrale finanzierte sich zu einem grossen Teil über Vermietungen. Ab 2008 wurde das Haus neu konzipiert als zeitgenössisches Kulturzentrum für Tanz und Musik. Seither erhält es substantiell höhere städtische Betriebsbeiträge. Seit 2016 verantworten Anneli Binder und Roger Ziegler das künstlerische Programm.
Was sagt die Dampfzentrale?
Die Ziele in den Leistungsvereinbarungen hat der Verein bisher immer erreicht. Doch auf die aktuelle Finanzierungsperiode hin hat die Stadt der Dampfzentrale Gelder gekürzt. Sie war nicht zufrieden mit der Angebotsdichte, wie Franziska Burkhardt bestätigt. «Leistungsverträge handelt man aus», sagt sie dazu. «Wir haben die Erwartungen der Stadt wiederholt formuliert und haben das Gefühl, dass die Dampfzentrale noch mehr Potential hat.»
Der Vorstand der Dampfzentrale will sich nun «mit den Optionen und Konsequenzen intensiv auseinandersetzen», wie Präsidentin Hilty schreibt. Ob der Vorstand eine Konzepteingabe machen werde, sei noch offen. Dazu, ob es zu Personaländerungen in der Geschäftsleitung kommen wird, will Hilty nichts sagen. Sie schreibt lediglich: «Nach ersten internen Gesprächen wird die Dampfzentrale voraussichtlich bis zum Ende der Leistungsvertrags-Phase Ende 2027 weiterhin ein Ort für Kultur, Austausch und Begegnung bleiben.»
Nicht nur die Stadt, auch Sandra Forrer von Beta sieht in der Dampfzentrale Potential. «Es geht stark darum, Räume zu nutzen und sie möglichst auszulasten», sagt sie. Wobei es natürlich immer leicht sei, von aussen zu kritisieren. Ausserdem sehe man in vielen Kulturhäusern, dass der Betrieb niederschwelliger werde, dass man zum Beispiel vom Top-Down-System wegkomme und vermehrt auch Künstler*innen mitbestimmen. So etwa im Tanzhaus Zürich oder in der Gessnerallee.
«Beta freut sich sehr über diese Ausschreibung», sagt Sandra Forrer. Während einer langen Zeit hätten sich die Tanzschaffenden gewehrt und organisiert. Nun gehe endlich was. Als Interessensgemeinschaft für den Tanz in Bern seien sie parat, ihren Teil zu übernehmen.