Polizist Meier – Hauptstadt-Brief #470

Donnerstag, 29. Mai – die Themen: Telefonbetrug; autonome Paketlieferung; Gurtenfestival; Cosplay; Pinprinza; Gelateria; BEKB-Verkauf; Moutier; Simmesolar; YB-Tram; Wirtschaftsverkehr.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Die Nummer meiner Grosseltern ist nicht mehr im Telefonverzeichnis eingetragen. Ich habe sie gelöscht – auf ihren Wunsch hin.

Die beiden fürchteten sich, Opfer eines Telefonbetrugs zu werden. Mit ihren Vornamen wären sie dafür prädestiniert gewesen. Denn Betrüger*innen suchen im Telefonbuch gezielt nach älteren Menschen beziehungsweise Menschen mit alt klingenden Namen. Hinter diesen vermuten sie leichte Opfer.

Das bestätigte am Montag ein Betrüger vor dem bernischen Wirtschaftsstrafgericht in seltener Deutlichkeit. Der Mann war Teil einer Bande, die von der Türkei aus Personen in der Schweiz anrief. Dabei gab er sich unter anderem als Kantonspolizist Marco Meier aus. So gaukelte er den Angerufenen vor, ihr Geld sei zu Hause nicht mehr sicher und werde deshalb von einer Gewährsperson abgeholt.

Der Fall ist aussergewöhnlich: Erstmals stand in der Schweiz ein hochrangiger Telefonbetrüger vor Gericht. Bislang hatte die Polizei immer nur Geldabholer*innen gefasst. Diese sind oftmals über Umwege angeworbene Personen. Sie wissen nichts über die Organisation der kriminellen Banden, für die sie arbeiten.

Anders der Angeklagte jetzt in Bern. Er war geständig und gab Einblicke in das Netzwerk, wie das SRF-Regionaljournal berichtet. Im Gegenzug erhielt er eine Strafmilderung. Wegen gewerbsmässigen Betrugs und Geldwäscherei wurde er zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, davon ein Jahr unbedingt. Die Deliktsumme betrug insgesamt 430’000 Franken, 70’000 Franken davon hatte er effektiv erbeutet. Die Opfer waren zwischen 61 und 92 Jahre alt.

Wer, wie meine Grosseltern, seinen Telefonverzeichnis-Eintrag löscht, verhindert Betrugsfälle nicht per se. Sie werden jedoch deutlich erschwert. Die Löschung kannst du ganz einfach über dieses Online-Formular vornehmen.

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Bilderserie von Regine Strub (2/12): Echte Kuh Schloss Holligen. (Bild: Regine Strub)

Die weiteren Themen des Tages:

  • Autonome Lieferung: Das Berner Start-up Loxo und das Logistikunternehmen Planzer testen automatisierte Warenlieferungen. Dazu verkehrt seit Monaten ein technisch hochgerüsteter Lieferwagen auf Berns Strassen. Das Auto fährt ohne menschliche Hilfe, wird aktuell aber noch von einer Person überwacht. In Zukunft soll es sich jedoch komplett eigenständig durch die Stadt bewegen. Planzer erhofft sich, damit die zunehmende Paketflut bewältigen zu können. Mein Kollege Nicolai Morawitz hat sich das Pilotprojekt genauer angeschaut.
  • Gurtenfestival: Auf dem «Güsche» gibt es vom 16. bis 19. Juli mehr als nur Musik. Auf einer zusätzlichen Bühne finden Comedy, Live-Podcasts und Literatur ihren Platz. Dafür eingeladen wurden nationale und regionale Gäste, wie die Veranstalter*innen gestern mitteilten. So gibt es eine Lesung mit Meral Kureyshi oder einen Auftritt von Renato Kaiser. Das Programm findet jeweils nachmittags bis in den frühen Abend statt. Erstmals wird das Festivalgelände auch über einen zweiten Zugang erreichbar sein.
  • Cosplay: Gracie Schürholz wohnt im Bethlehem-Quartier und ist Cosplayerin. Sie verkleidet sich, um Charaktere aus Büchern, Animes und Games nachzustellen. Die Kostüme dazu stellt sie selbst aufwändig her. Aus Textilien, Thermoplast oder auch mal Moosgummi. Das Endergebnis kannst du dir in der Bildkolumne unserer Fotografin Danielle Liniger ansehen.
  • Pop-up: Im Alten Schloss Bümpliz gibt es diesen Sommer ein neues Pop-up-Lokal. Unter dem Namen Pinprinza sollen eine Cafébar und Kulturveranstaltungen den Schlossgarten von Mitte Juni bis Ende August beleben. Das ehemalige Restaurant im Schloss Bümpliz steht seit Anfang Jahr leer. Es gehört der Stadt Bern, die bisher keine Nachfolge-Pächter*innen gefunden hat. Das Pop-up initiiert Manuel Michel, der auch bei der «Hauptstadt» im Marketing tätig ist. Michel ist zudem Gründer des Parkonia-Festivals im Kocherpark. In Bümpliz will er einen «sommerlichen Quartiertreff für Bümpliz, Bethlehem und die ganze Stadt Bern» etablieren.
  • Gelateria: Wenn die Sonne scheint, stehen die Menschen heute bereits in Bern, Basel, Zürich, Luzern und im Engadin Schlange für die Glacés der Gelateria di Berna. Nun expandiert das Berner Erfolgsunternehmen in die Westschweiz. Dazu spannt es mit dem Kinobetreiber Pathé zusammen, wie die beiden Firmen in einer Mitteilung schreiben. Eröffnet wird die neueste Filiale am 7. Juni im Kino Pathé Flon in Lausanne.
  • Kantonsparlament: Der Grosse Rat startet am Montag zur Sommersession. Ein wichtiges Thema: Soll der Kanton seine Mehrheitsbeteiligung von heute 51,5 Prozent an der Berner Kantonalbank (BEKB) reduzieren – oder die Bank sogar ganz privatisieren? Erstaunlicherweise wird die FDP für den Status quo stimmen, obschon «das liberale Herz blutet», wie Parteipräsidentin Sandra Hess gestern bei einem Medienfrühstück sagte. Im schweizerischen Bankensystem herrsche derzeit viel Unruhe. Deshalb solle man an der BEKB, die zuverlässig Millionen-Dividenden in die Kantonskasse liefert, jetzt nicht herumschrauben. Damit wird sich die Haltung des Regierungsrats, die Mehrheitsbeteiligung nicht anzutasten, im Parlament wohl durchsetzen.
  • Kantonswechsel: Die Gemeinde Moutier wechselt erst am 1. Januar 2026 von Bern zum Kanton Jura. Trotzdem können die Stimmberechtigten der Gemeinde bereits im Herbst 2025 an den Wahlen für das jurassische Kantonsparlament und den Regierungsrat teilnehmen. Darauf haben sich die beiden Kantone geeinigt, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt. Im Gegenzug verlieren die Einwohner*innen von Moutier bereits am 1. Juli ihre Wahlberechtigung im Kanton Bern für jene Ämter, die ab dem 1. Januar 2026 besetzt werden.
  • Simmesolar: Die geplante Gross-Solaranlage auf der Rinderalp zwischen Simmental und Diemtigtal im Berner Oberland kann nicht realisiert werden. Die Stimmberechtigten der Gemeinde Erlenbach haben das Vorhaben am Montagabend mit 137 zu 2 Stimmen abgelehnt. Das berichtet das SRF-Regionaljournal. Das deutliche Nein ist der jüngste Rückschlag für die Idee, mit Solaranlagen in alpinem Gelände Strom – insbesondere für die Wintermonate – zu produzieren.
  • YB-Tram: In der Stadt Bern verkehrt über den Sommer hinaus ein Tram im YB-Look. Das hat Bernmobil am Dienstag auf Instagram verkündet. Dabei wird der Meistertitel der YB-Frauen gewürdigt. So sind auf dem YB-Tram die Jahreszahlen der zwölf bisherigen Berner Frauen-Meistertitel aufgeführt. Das Tram verkehrt ab Mitte Juni und somit pünktlich zur Frauen-EM durch Berns Gassen.
  • Wirtschaftsverkehr: Wer betrieblich oder dienstlich mit dem Auto in der Stadt Bern unterwegs ist, kann ab Montag kürzere Wegen nehmen. Dann lanciert die Stadt ihren einjährigen Pilotversuch für den Wirtschaftsverkehr. Konkret können Fahrzeuge mit entsprechender Bewilligung einfacher über die Monbijoubrücke fahren und von der nördlichen Altstadt Richtung Bahnhofplatz abbiegen. Die Stadt entwickelte das Projekt zusammen mit den Wirtschaftsverbänden. Teilnehmen dürfen etwa Logistikfirmen, Handwerksbetriebe und medizinische Dienstleistende. Bislang wurden gut 80 Bewilligungen beantragt, wie die Stadt mitteilt.

PS: Das Grafikbüro Opak aus Wabern hat jüngst mit einem YB-Sondertrikot auf sich aufmerksam gemacht. Für die «Hauptstadt» kreieren die beiden Grafiker Luca Nicolai und Silvan Zurbriggen nun einen exklusiven Print in limitierter Auflage. Wer bis Ende Juni ein Gönner-Abo für 360 Franken löst, sichert sich ein Exemplar. Hier kannst du einen ersten Entwurf sehen und das Abo lösen. Bist du dabei?

PPS: Wegen Auffahrt wird an diesem Samstag ausnahmsweise kein Hauptstadt-Brief erscheinen. Lektüre gibt es dennoch. Auf hauptstadt.be publizieren wir laufend neue Artikel.

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Diskussion

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Hanspeter Zaugg
29. Mai 2025 um 10:06

Danke für den Telefon Abmeldungstipp Ich bin sicher viele wussten gar nicht dass man sich abmelden kann, im übrigen es Lebe dass Festnetztelefon.