Psychiatrie – «Hauptstadt»-Brief #271

Dienstag, 23. Januar 2024 – die Themen: Abbau in der UPD; Kitas; nochmal UPD; Gemeinderatswahlen; Stäcketöri Festival.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Unser Gesundheitssystem steckt in einer Krise. Das betrifft auch die Psychiatrie: Obwohl die Schweiz eine der höchsten Dichten an Psychiater*innen in Europa hat, kann das Angebot an Behandlungen die Nachfrage nicht mehr decken. 

Wie im gesamten Gesundheitssystem herrscht in der Psychiatrie chronischer Fachkräftemangel. Gleichzeitig steigt, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, der Bedarf an Therapien. Die Folge: Aufnahmestopps und lange Wartezeiten, besonders bei ambulanten Therapien.

Niederschwellige Angebote, die sich mit psychischer Gesundheit befassen, sind unter diesen Umständen sehr wichtig. 

Sie ersetzen keine Therapien. Aber sie können für Menschen, die mit psychischen Problemen kämpfen, eine erste Anlaufstelle sein. Sie können das lange Warten auf einen Therapieplatz abfedern. Und sie können eine präventive Wirkung entfalten, sodass ambulante oder stationäre Behandlungen seltener notwendig sind. Das hilft auch dem angeschlagenen Versorgungssystem. 

Ein solches Angebot ist das Recovery College Bern. Das Projekt wurde von den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) ins Leben gerufen. Es bietet Kurse rund um die psychische Gesundheit an, die von Fachpersonen gemeinsam mit Psychiatrie-Erfahrenen geleitet wird. Die «Hauptstadt» hat letztes Jahr zwei Kursleiter*innen interviewt

Und nun ausgerechnet das: Am Montag verkündete die UPD einschneidende – und äusserst kurzfristige – Sparmassnahmen. Auch das Recovery College ist davon betroffen: Per 1. Februar 2024 stellt die UPD die personelle und finanzielle Unterstützung für das Projekt ein. Auch im psychiatrie-internen Sozialdienst werden Stellen abgebaut. Und ebenfalls per 1. Februar schliessen die beiden Angebote Freizeitzentrum metro sowie die Werkstatt Holzplatz

Die UPD schreibt seit mehreren Jahren Verluste. Bereits letztes Jahr kündigte der Betrieb Tarifverträge und kommunizierte, dass er sich mit dem Psychiatriezentrum Münsingen zusammenschliessen will. Der Entscheid dafür obliegt dem Regierungsrat. Der Verwaltungsrat der UPD verhandle zudem «seit Monaten intensiv» mit dem Kanton. Dies betrifft vor allem die Höhe der Tarife, die nicht mehr reichen, um die Kosten zu decken. Nun habe der Verwaltungsrat die zusätzlichen Massnahmen beschliessen müssen. Die UPD stehe finanziell «mit dem Rücken zur Wand», teilt der Betrieb auf Anfrage der «Hauptstadt» mit. Weitere kostensenkende Schritte seien in Planung. 

Dieser Abbau ist sehr bedenklich. Er trifft niederschwellige Projekte, die im Versorgungsengpass eine Lücke füllen konnten. Kurzfristig werden Kosten gespart. Langfristig wird in Kauf genommen, dass es noch weniger Angebote für Menschen in Krisensituationen gibt und sich die Situation in den Psychiatrien weiter zuspitzt.

Don Gato Rodriguez posiert für ein 8x10 Polaroid am 24. Juni 2021 in Bern.
Photo: Stefan Wermuth

Was bedeutet für dich Bern?
Bern hat mich auf harte Weise gelehrt, dass es Hoffnung im Leben gibt.
Don Gato Rodriguez: «Bern hat mich auf harte Weise gelehrt, dass es Hoffnung im Leben gibt.» (Bild: Stefan Wermuth)
  • Kitas: Personalmangel, höhere Preise, Fehlanreize – die Situation für Kitas ist schwieriger geworden. Sarah Pfäffli zeigt in ihrem Text für die «Hauptstadt» die Probleme anhand der Berner Kita Ahoi auf, die nach einem Jahr den Betrieb bereits wieder einstellen musste. 
  • UPD II: 2022 ereigneten sich in der UPD innerhalb weniger Monate zwei Suizide, ein Todesfall und ein bewaffneter Angriff eines Patienten. Mitarbeitende kritisierten daraufhin den Personalmangel. Der Verwaltungsrat liess die Vorfälle untersuchen, hielt den Untersuchungsbericht aber unter Verschluss. Nun zeigt sich: Im Bericht wird ein – wenn auch indirekter – Zusammenhang zwischen den Vorfällen und «systemischen Faktoren» wie der Personalsituation geortet, wie Bund/BZ aufgrund des ihnen zugespielten Berichts am Montag berichteten.
  • Gemeinderatswahlen: Stefan Jordi (SP) zieht seine Kandidatur für die Gemeinderatswahlen vom November zurück. Das teilte er am Montag mit. Letzte Woche hatte sich bereits seine Parteikollegin Katharina Altas aus dem Rennen genommen. Damit kandidiert für die SP nur der von der Parteispitze favorisierte Nationalrat Matthias Aebischer für die Stadtregierung. 
  • Gemeinderatswahlen II: Die FDP nominiert Florence Pärli Schmid als offizielle Kandidatin für die Gemeinderatswahlen. Das haben die Parteimitglieder am Montagabend an ihrer Mitgliederversammlung beschlossen. Die Stadträtin erhielt 40 der 72 Stimmen. Die Parteiführung hatte neben Pärli die Co-Parteipräsidentin Chantal Perriard als Kandidatin vorgeschlagen
  • Stäcketöri: 2023 fand erstmals das Stäcketöri Freiluft Festival in Zäziwil statt. Es schrieb ein Defizit von rund 80’000 Franken. Doch die jungen Organisator*innen (letzten Sommer von der «Hauptstadt» porträtiert) lassen sich davon nicht entmutigen. Sie führen das Musikfestival im Sommer 2024 erneut durch, wie sie am Wochenende mitteilten. Es wird dieses Mal sogar drei statt nur zwei Tage dauern – und die Tickets etwas mehr kosten. 

PS: Ist die Schweiz im Reformstau? Was steckt hinter diesem Begriff? Darüber diskutieren heute Abend Lukas Golder vom Politikforschungsunternehmen gfs.bern und die Altnationalrät*innen Christa Markwalder und Markus Notter. Ein Anlass der Neuen Helvetischen Gesellschaft Bern, moderiert von «Hauptstadt»-Redaktor Jürg Steiner. 18:15 Uhr, Falkenplatz 11, Eintritt frei.

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Diskussion

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Esther Brunner
01. Februar 2024 um 12:25

Die Petition gegen den Abbau in der Psychiatrie wird heute Nachmittag im Rathaus abgegeben.

Der Abbau MUSS rückgängig gemacht werden. Sonst haben wir jegliche Menschlichkeit verloren. Die Finanzen sind ein Fluch. Es wird mit so ungerechten Ellen gemessen.