Solarstrom – Hauptstadt-Brief #425

Dienstag, 11. Februar 2025 – die Themen: Abstimmungen Bern, Pop, Abstimmungen Muri, Brass, Köniz, Skisport.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Die Berner Solarinitiative hatte an der Urne keine Chance. Bei der Abstimmung von Sonntag erreichte sie nicht einmal 30 Prozent Ja-Stimmen. Die kantonale Volksinitiative wurde mit 71,2 Prozent der Stimmen abgelehnt. 

Erwartungsgemäss kam der Gegenvorschlag durch, für den die bürgerlichen Parteien und der Hauseigentümerverband geworben hatten. Er erreichte eine Mehrheit von knapp 67 Prozent.

Damit ist klar: Das Berner Stimmvolk will die Solarenergie zwar ausbauen, aber mit mehr Freiwilligkeit statt Vorschriften. Während die Initiative eine Solarpflicht auf bestehenden Dächern forderte, sieht der Gegenvorschlag nur für Neubauten eine solche vor. Bei bestehenden Bauten müssen Hauseigentümer*innen sich künftig lediglich über mögliche Solarzellen auf ihrem Dach informieren. Ob sie diese installieren, bleibt ihnen weiterhin selbst überlassen. 

Gemäss Berechnungen des Regierungsrates ist damit auch klar, dass der Kanton Bern seine eigenen Ziele zum Solarausbau nicht erreichen wird. Konkret prognostiziert er, dass mit der Umsetzung des Gegenvorschlags bis im Jahr 2050 bloss ein Viertel so viel Solarstrom produziert wird, wie sich der Kanton in seiner Energiestrategie vorgenommen hat. Mit der Initiative hätte der Zielwert hingegen locker übertroffen werden können. 

2021 hat das Berner Stimmvolk den Klimaschutz-Artikel in der Kantonsverfassung deutlich angenommen. Mit ihm hat sich der Kanton zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Geht es aber um konkrete Massnahmen, wie jetzt bei einer möglichen Solarpflicht, ist das Stimmvolk offenbar doch nicht mehr so entschlossen. 

Die Stadt Bern hat der Solarinitiative als einzige Gemeinde zugestimmt. Doch auch hier fiel der Anteil Ja-Stimmen mit 57,6 Prozent gemessen am sehr grossen links-grünen Wähler*innenpotenzial nicht allzu hoch aus. 

Momentan sammeln die Grünen auf nationaler Ebene Unterschriften für eine Solarinitiative, die fast gleich lautet wie der gescheiterte kantonale Vorstoss. Nach der Berner Niederlage sehen die Erfolgsaussichten dafür düster aus.

Foto des Axalphorn, Hütte und Spuren von einem Schneehase aufgenommen von Chrutmettli, Axlap
Bilderserie von Romy Streit (5/12): Axalphorn, Hütte und Spuren von einem Schneehasen, aufgenommen von Chrutmettli, Axalp. (Bild: Romy Streit)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Pop: Der Berner Musiker Edb startet gerade durch. Seinen richtigen Namen will der 22-Jährige trotzdem nicht verraten. Meine Kollegin Andrea von Däniken hat mit ihm aber über viele andere Dinge gesprochen: über sein Leben in Deutschland und im Keller seiner Eltern, über seine Generation und Vorbilder. Hier geht's zum Porträt.
  • Abstimmungen: Alle städtischen Vorlagen wurden bei den Abstimmungen von Sonntag deutlich angenommen. Vier Kredite über insgesamt 145 Millionen Franken hat das Stimmvolk genehmigt: den Ersatzneubau Hallenbad und Kunsteisbahn Weyermannshaus (107,2 Millionen), die Weiterentwicklung der Schulinformatik (21,8 Millionen), das öffentliche Veloverleihsystem Publibike (7,6 Millionen) sowie den Ausbau des Kindergartens Schlossmatt (8,4 Millionen). Angenommen wurde auch die neue Regelung, dass sich Stadträt*innen künftig an Sitzungen vertreten lassen können. 
  • Muri: Das Stimmvolk von Muri hat sich am Sonntag gegen eine Steuersenkung entschieden. Indem es das Gemeindebudget mit fast 62 Prozent Prozent der Stimmen annahm, erteilte es der FDP eine Abfuhr. Diese wollte mit einem Referendum gegen das Budget erreichen, dass der Steuersatz von 1,14 auf 1,09 gesenkt wird. Muri gehört bereits jetzt zu den steuergünstigsten Gemeinden im Kanton. Das solle auch weiterhin so bleiben, betont der neue Gemeindepräsident Jan Köbeli (SP) gegenüber Bund/BZ
  • Brass: Die Brasserie Lorraine muss sich wegen Rassendiskriminierung vor Gericht verantworten. Seit gestern findet gegen die Betreiber*innen des Berner Kulturlokals ein Strafprozess am Regionalgericht Bern statt. Dieser geht auf eine Strafanzeige der Jungen SVP zurück, nachdem die Brass im Sommer 2022 ein Reggae-Konzert abgebrochen hatte. Konzertbesucher*innen hatten Unwohlsein geäussert, weil die weissen Musiker der Band Dreadlocks trugen. Daraufhin brachen eine schweizweite Debatte um kulturelle Aneignung und ein Shitstorm gegen die Brass aus. Die Berner Staatsanwaltschaft stellte der Brass laut Bund/BZ ein Jahr nach der Anzeige der JSVP einen Strafbefehl aus. Dagegen erhob das Kollektiv Einsprache, weshalb das Regionalgericht nun den Fall behandelt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung der Genossenschaft und eine Busse von 3000 Franken. Ein Urteil wird voraussichtlich nächsten Montag gefällt.
  • Köniz: Das Könizer Parlament hat gestern Abend über eine umstrittene Vorlage debattiert und dem Gemeinderat eine Abfuhr erteilt. In Köniz werden wie in der Stadt Bern bisher Gemeinderat und Parlament im Proporzsystem gewählt. Das System bevorzugt grosse Listen. Dies wollen die Könizer Mitte-Rechts-Parteien ändern. Mit einer Motion, die das Parlament 2023 überwies, verlangen sie ein neues Wahlsystem. Die Parlamentsmehrheit hat nun die ausgearbeitete Vorlage mit mehreren Änderungsaufträgen an den Gemeinderat zurückgewiesen, wie es in einer Medienmitteilung schreibt. Das ursprüngliche Ziel, das neue System bei den Wahlen im September 2025 anzuwenden, ist damit nicht mehr erreichbar. In jedem Fall muss die Vorlage vor der Einführung des neuen Systems noch vors Volk.
  • Skisport: Franjo von Allmen wurde am Sonntag Abfahrtsweltmeister. Der Berner Oberländer triumphierte im österreichischen Saalbach vor dem Österreicher Vincent Kriechmayr. Bronze holte mit Alexis Monney ebenfalls ein Schweizer. Der Weltmeistertitel in der Königsdisziplin Abfahrt ist der bisher grösste Erfolg des erst 23-jährigen von Allmen aus Boltigen. Schau dir hier seine fulminante Fahrt an.

PS: Unser Format Bärner Nachtläbe kennst du sicher: Jede Woche sorgfältig kuratierte Ausgehtipps von «Hauptstadt» und Bewegungsmelder. Bald feiern wir drei Jahre Jubiläum. Höchste Zeit, endlich selbst eine Party zu schmeissen. Schreib dir also schon mal dick in deine Agenda ein: Samstag, 8. März ab 20 Uhr im Boulderbad Muubeeri (Maulbeerstrasse 14). Weitere Infos folgen.

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Diskussion

Unsere Etikette
Toni Menninger
15. Februar 2025 um 14:51

I’m das noch mal zu vertiefen, worum es bei diesem Vorwurf geht: das Publikum eines Konzerts war mit der Performance der Band unzufrieden und die Veranstalterin brach das Konzert ab. Dazu hat sie selbstverständlich das Recht (es sei denn die Band mache Vertragsbruch geltend, was ja nicht der Fall ist).

Der Vorwurf, das sei diskriminierend, ist unsinnig. Erstens ging es nicht um die Hautfarbe, sondern um Auftreten, Aufmachung und Selbstdarstellung der Band.

Zweitens steht es einem privater Veranstalter sowieso frei, wen sie als Band auftreten lassen und in welcher Aufmachung. Da hat das Gesetz nichts mitzureden und da gibt es auch kein Diskriminierungsverbot. Das sind ästhetische Entscheidungen und da Vorgaben zu machen, wäre ein Eingriff in die künstlerische Freiheit der Veranstalterin.

Selbstverständlich hat die Band auch eine künstlerische Freiheit, so aufzutreten wie sie wollen, mit oder ohne Dreadlocks. Aber eben nur da, wo sie auch willkommen sind.

Toni Menninger
14. Februar 2025 um 13:57

Dass die Staatsanwaltschaft diesen PR-Stunt der SVP mitmacht, mutet orwellianisch an. Wieso ist überhaupt eine Organisation klagenberechtigt, die nicht dabei war und den Sachverhalt nur vom Hörensagen kennt? Der Strafbefehl der STA beruht offenbar nur auf Hörensagen. Der Rechtsstaat wird zur Farce.