Weyerli – Hauptstadt-Brief #423
Donnerstag, 6. Februar 2025 – die Themen: Hallenbad&Eishalle; Radiesli; Spaghetti-Kreuzung; YB; Unverpackt; Kornhausbrücke; Polit-Forum; Repair-Café; Chor für Menschen mit und ohne Demenz.
Manchmal ist es schwierig, als Stimmberechtigte vernünftige Entscheid zu treffen. Die städtische Abstimmung zum Neubau von Hallenbad und Eishalle im Weyermannshaus ist ein Musterbeispiel dafür. Spektakuläres Projekt, hochspannende Grundsatzfragen – aber ein gut abgestützter, rationaler persönlicher Entscheid? Fast unmöglich.
Die Stadt plant eine aufsehenerregende, aber auch widersprüchliche Konstruktion: Das extrem schwere Hallenbad wird über dem Eisfeld im zweiten Obergeschoss eingebaut. Das erfordert eine komplexe Verankerung mit Stahlbeton, womit viel graue Energie (und viel Geld) verbraucht wird. Beheizt wird das Bad dafür sinnvollerweise mit der Abwärme, die durch die Kühlung des Eises entsteht. Die Stadt strebt für ein solches Bauwerk erstmalig in der Schweiz den Minergie-P-Standard an. Tönt gut. Andererseits lässt sie zusätzlich ein Ausseneisfeld bauen, dessen Betrieb angesichts der Klimaerwärmung ökologisch fragwürdig ist. Würde man aus Klimaüberlegungen nicht besser die beiden Eisbahnen übereinanderstapeln, wie es etwa in Zürich-Oerlikon gemacht wird?
So aufsehenerregend wie die Architektur sind die Kosten: Unglaubliche 107 Millionen Franken wird der Bau – Stand jetzt – verschlingen. Und das in einer Stadt, die weit davon entfernt ist, über finanzielle Polster für Rekordinvestitionen zu verfügen. Die Vernunft scheint zu gebieten, hier Nein zu sagen.
Jedoch: Bern hat viele Hockeyfans. Schwimmen und Schlöflen sind niederschwellige, gesunde Bewegungsformen, die auch Menschen zugänglich sind, die sich keine teuren Ausrüstungen – etwa fürs Skifahren – leisten können. Die Bevölkerung um das Weyermannshaus wird in den nächsten Jahren mit dem Ausbau des Entwicklungsschwerpunkts Ausserholligen stark wachsen. Ist es richtig, genau hier den Riegel zu schieben – nachdem das Stimmvolk vor wenigen Jahren 60 Millionen Franken durchgewinkt hat für die Sanierung der Ka-We-De (Ausseneisbahn und Wellenbad), die halt im nobleren Kirchenfeldquartier liegt?
Der Kopf allein hilft bei dieser Vorlage nicht weiter. Abstimmen sollte man trotzdem.
Landwirtschaft: Der Radiesli-Hof in Worb ist ein Berner Pionier der solidarischen Landwirtschaft. Konsument*innen stützen den Betrieb, indem sie fix einen jährlichen Beitrag zahlen und aktive Mitarbeit zusichern. Der Radiesli-Hof ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Landwirtschaft erfolgreich über den Stadt-Land-Graben hinweg betreiben kann – indem man die Städter*innen mit ins Boot holt. Das schreibt meine Kollegin Marina Bolzli in ihrer lesenswerten Reportage aus Worb.
Spaghetti-Kreuzung: Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat für die geplante Umgestaltung des Autobahnanschlusses Wankdorf – auch Spaghettiteller genannt – eine Informationsoffensive aufgegleist, wie die Tagesschau von SRF exklusiv berichtet. In einem neuen Besucher*innenzentrum im Wankdorf hat das Astra für vier Millionen Franken ein digitales Stadtmodell nachgebaut. Interessierten Besucher*innen sollen so die Vorteile der umstrittenen Umgestaltung ab Sommer dreidimensional nahegebracht werden.
Fussball: Was ist mit YB los? Plötzlich können sie wieder Fussball spielen. Am Mittwochabend schossen sie Tore à discretion und schlugenim Wankdorf die Mannschaft von Yverdon 6:1. YB liegt nun auf dem 7. Tabellenplatz. So gut waren das Meisterteam von 2024 in dieser Saison noch nie platziert.
Unverpackt: Im letzten Hauptstadt-Brief schrieben wir, dass auch Supermärkte wie die Migros Lebensmittel unverpackt anbieten und dies mit ein Grund sein kann, weshalb die kleineren Läden Mühe haben. Leser*innen haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Migros ihr Unverpackt-Angebot diesen Monat ebenfalls einstellt. In Bern bleibt der Altstadt-Laden Palette, der auf unverpackt setzt. Auch er jedoch mit Problemen: Wenn dieses Jahr nicht wieder mehr Kund*innen einkaufen, steht auch die Palette auf der Kippe, wie die Betreiber*innen auf Anfrage schreiben.
Kornhausbrücke: Ab übernächstem Montag (17. Februar) bis Ende November wird die Kornhausbrücke saniert. Für motorisierten Individualverkehr und ÖV ist sie während diesen neun Monaten unpassierbar, wie die Stadt mitteilt. Der Ostermundigen-Bus wird via Zytglogge-Nydeggbrücke-Aargauerstalden zum Rosengarten geführt. Das 9er-Tram verkehrt zwischen Wabern und Bahnhof sowie vom Kursaal bis Wankdorf normal. Vom Bahnhof zum Viktoriaplatz umfährt ein Ersatzbus die Kornhausbrücke.
Polit-Forum: 2024 hat das Polit-Forum mit über 17’000 Eintritten einen neuen Besucher*innenrekord erzielt, wie Geschäftsführer Tom Berger in einer Mitteilung schreibt. Berger (FDP) präsidiert aktuell auch den Stadtrat. Die Rekordzahl im Demokratieturm spiegle das wachsende Interesse an Angeboten für die politische Bildung und auch deren Wichtigkeit, schreibt er.
Nachhaltigkeit: Seit zehn Jahren bietet der Verein Repair Café die Möglichkeit, unter kundiger Hilfe defekte Geräte selber zu flicken oder flicken zu lassen. «Jedes Gerät hat einen Wert», sagt Michael Beckmann, Präsident des Vereins Repair Café, im Fotoporträt meiner Kolleginnen Danielle Liniger und Victoria Habermacher.
PS: Das finde ich ein tolles Chor-Projekt! Die Musiktherapeutin Nicole Krneta bietet ab kommendem Dienstag, 11. Februar, im Generationenhaus ein gemeinsames Singen für Menschen mit und ohne Demenz an. 14-täglich, jeweils am Dienstag, 15 bis 16.30 Uhr. Anmeldung und Infos hier.