Frischer Wind in Köniz

Tanja Bauer (SP) hat sich bei der Wahl fürs Gemeindepräsidium in Köniz überraschend klar gegen Christian Burren (SVP) durchgesetzt.

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Am frischen Wind: Tanja Bauer auf dem Aussichtsturm auf dem Gurten. (Bild: Danielle Liniger)

So einen Wahlkampf muss man erst mal hinlegen: Tanja Bauer (39), neue Gemeindepräsidentin von Köniz, startete als Newcomerin und gab alles für das Amt, das sie nun erobert hat. Gefühlt ständig sah man sie in Köniz vor Einkaufszentren und auf Quartierplätzen. Sie spulte ihr Monsterprogramm nie ab, als wäre es eine Pflichtübung. Im Gegenteil: Gegenüber der «Hauptstadt» kündigte sie an, später auch als Gemeindepräsidentin regelmässig auf der Strasse unterwegs sein zu wollen.

Bauer bespielte zwar professionell die sozialen Medien, ihren Wahlsieg erarbeitete sie sich aber mit traditionellen Methoden. Analog. Draussen. Im Gespräch mit Menschen. Gut möglich, dass sie genau damit ihr anfängliches Image, eine überehrgeizige Aufsteigerin zu sein, erfolgreich widerlegte. (Siehe dazu unseren Ein-Minuten-Kommentar auf Youtube)

Angesichts der Ausgangslage muss man ihren Sieg als furios bezeichnen. Sie gewann mit 56 Prozent der Stimmen diskussionslos vor Christian Burren (SVP), der im Gemeinderat bleibt und «voll motiviert», wie er sagt, weiterhin die Direktion für Planung und Verkehr verantwortet.

Wahlkampf hinterliess Spuren

Burren wurde von der Mehrheit der Parteien (SVP, FDP, Mitte, EVP, GLP) unterstützt, er selber habe sich aber nie als Favorit gesehen, hielt er fest. Es sei eine reine Persönlichkeitswahl gewesen.

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Wollte nichts schönfärben: Christian Burren (SVP). (Bild: Danielle Liniger)

Er habe sich geschworen, im Wahlkampf «die Realität der Gemeinde Köniz ungeschminkt darzustellen und die Probleme nicht zu verschweigen». Sonst, so Burren, wäre er als bisheriger Gemeinderat nicht glaubwürdig gewesen. Gut möglich, dass ihn das Stimmen gekostet habe. Weil er damit vielleicht den Eindruck erweckt habe, das Amt gar nicht unbedingt zu wollen: «Aber ich hätte diese Verantwortung gerne übernommen», stellte er klar.

Burren verhehlte aber nicht, dass der Sieg seiner Konkurrentin ihm angesichts der Könizer Problemlast auch eine Bürde von den Schultern nehme. Der Wahlkampf sei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, bekannte er, aus seiner Sicht inakzeptable Kommentare auf Online-Portalen hätten ihm zu schaffen gemacht. Auf jeden Fall wünsche er Tanja Bauer alles Gute.

Rot-grün punktet

 Ändert sich in Köniz nach der Wahl vom Sonntag überhaupt etwas? Was klar ist: Ab dem 1. November ist die fünfköpfige Regierung wieder komplett. Sie besteht wie vorher aus einer bürgerlichen Mehrheit (SVP, FDP, GLP) und einer linken Minderheit (SP, Grüne). Präsidiert wird sie von der einzigen Frau im Gremium, einer SPlerin, doch diese heisst jetzt Tanja Bauer und nicht mehr Annemarie Berlinger. Letztere war per Ende Juni zurückgetreten, laut ihrer Begründung, weil es schwieriger geworden sei, im Gemeinderat gemeinsam Lösungen zu finden. Später bestätigte sie gegenüber Bund/BZ, dass sie auch aus der SP Köniz austrete.

Die Partei-Konstellation in Köniz bleibt also nach der Ersatzwahl ums Gemeindepräsidium exakt, wie sie war. Sie hat zur politischen und finanziellen Krise geführt, aus der sich Gemeinderat und Parlament im Mai mit der erst im dritten Anlauf gewonnenen Budgetabstimmung nur haarscharf (und wohl nur fürs Erste) retteten. Umso erstaunlicher ist, dass es Tanja Bauer trotzdem gelang, als «frischer Wind», als den sie sich im Wahlkampf anpries, derart zu punkten.

Interessant ist sicher, dass sich Rot-Grün im seit neun Jahren bürgerlichen Köniz so deutlich durchsetzte.  Es wird die Linke motivieren, bei den nächsten Gemeindewahlen 2025 die 2013 verlorene rot-grüne Mehrheit in der Regierung wieder zurückzugewinnen.

Amtliches nur noch digital

Die Könizer Stimmberechtigten sagten am Sonntag mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 67 Prozent Ja dazu, dass die amtlichen Bekanntmachungen ab dem 1. Januar 2023 nur noch digital erfolgen. Köniz ist damit die erste Gemeinde der Region Bern, die unwiderruflich aus dem gedruckten Anzeiger Region Bern aussteigt. Die deutliche Volks-Zustimmung in Köniz dürfte ein Fingerzeig für andere Gemeinden sein, diesen Schritt ebenfalls zu vollziehen. Dass der gedruckte Anzeiger Region Bern noch eine Zukunft hat, wird immer unwahrscheinlicher. Damit würde auch die Berner Kulturagenda in sehr absehbarer Zeit ihr bisheriges Trägermedium verlieren. (jsz)

Sie werte das klare Ergebnis zu ihren Gunsten als Ausdruck des Wunsches nach einem Aufbruch, einem Neuanfang, sagte Tanja Bauer. «Ich werde alles tun, um diesem Wunsch gerecht zu werden.» Ihr Flair für Kommunikation will sie beherzt einsetzen. Ihr sei bewusst, dass sie jetzt einen Rollenwechsel vornehme, von der Parlamentarierin, die Interessen vertrete, zur Exekutivpolitikerin, die auch für diejenigen Könizer*innen da sei, die sie nicht gewählt haben.

Tanja Bauer, die eher zum linken Flügel der SP zählt, habe sich für die «Stärkung der Wirtschaft und für die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen ausgesprochen, mit den Ziel, die Finanzkraft der Gemeinde und damit den Service public zu stärken»: So fasst der Gewerkschaftsbund der Stadt Bern und Umgebung zusammen, was er von der neuen Könizer Gemeindepräsidentin erwartet. Es ist nicht schwierig vorauszusagen: Der Spagat, zu dem Tanja Bauer in verschiedene Richtungen bereit sein muss, wird nicht schmerzfrei sein.

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Rund-um-die-Uhr-Job: Tanja Bauer ist ab 1. November Könizer Gemeindepräsidentin. (Bild: Danielle Liniger)

Sie sei darauf vorbereitet, was auf sie zukomme, sagt Bauer. Einerseits sei ihr bewusst, dass das Gemeindepräsidium ein Rund-um-die-Uhr-Job sei. Und anderseits habe sie Strategien entwickelt, unsachlich vorgebrachte Kritik oder persönliche Angriffe nicht an sich herankommen zu lassen. Kommentare zu ihr auf Online-Portalen zum Beispiel habe sie während des Wahlkampfs konsequent nicht gelesen, um sich zu schützen. «Das gehört für mich zum Job-Profil, damit muss man umgehen können.»

In der Kernagglomeration Bern inklusive Stadt besetzen erst in drei von zwölf Gemeinden Frauen das Präsidium, Köniz mitgezählt. So gesehen ist die Wahl von Tanja Bauer auch ein Zeichen, dass diese zaghafte Entwicklung wenigstens nicht rückläufig ist. Der nächste Termin, an dem sich in dieser Hinsicht etwas bewegen könnte, ist der 4. Dezember 2022: In Muri-Gümligen versucht Gabriele Siegenthaler Muinde (Forum) als erste Frau und erste Nicht-Bürgerliche Gemeindepräsidentin zu werden.

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Diskussion

Unsere Etikette
Hansueli Pestalozzi
27. September 2022 um 09:06

Freue mich auf die Zusammenarbeit!

Christof Jaussi
26. September 2022 um 04:19

Herzliche Gratulation!