Zukunftsangst – Hauptstadt-Brief #467
Donnerstag, 22. Mai – die Themen: Hauptsachen-Talk; Ursina Anderegg; Gleis 49; Bee-Flat; Tour de Berne; Kita-Schliessung; Ypsomed; Extremismus und Jura-Sitz.
Wie gehen wir mit Zukunftsangst um? Was gibt uns Hoffnung, und wie resignieren wir trotz allem nicht? Um diese Fragen ging es gestern Abend im generationenübergreifenden Hauptsachen-Talk der «Hauptstadt» im Progr.
«Jede Angst ist zukunftsgerichtet», sagte Dorothee Schmid gleich zu Beginn des Gesprächs vor rund 50 Besucher*innen. Die 67-Jährige ist Fachpsychologin, spezialisiert auf Angststörungen. «Angst bedeutet, dass man befürchtet, dass etwas eintritt – oder auch nicht.» Dabei würden persönliche Themen dominieren. Grosse Themen wie Krieg oder die Klimakrise seien ihrer Erfahrung nach hingegen eher selten Anlass für konkrete Ängste.
Mit Letzterem war Magdalena Erni nicht einverstanden. Die 21-Jährige ist Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. «Für mich sind die Folgen der Klimakrise eine akute Gefahr, die bei mir konkrete Ängste auslöst – etwa weil es vermehrt Hitzetote geben wird.» Angst allein sei aber nicht ihr Antrieb: «Das gemeinsame Engagement für ein Anliegen stiftet immer wieder auch Hoffnung.»
Genau dieses gemeinsame Engagement wiederum sieht Benjamin Ruch in Gefahr. Der 41-Jährige ist Schulseelsorger und Lehrer an der Kantonsschule Baden. Ruch beobachtet bei seinen Schüler*innen zunehmend eine «konforme Apathie». Statt sich zu engagieren, dominiere die Haltung, dass einen das alles nicht betreffe. «Was folgt, ist ein Rückzug ins Private, bei dem es primär wichtig ist, erfolgreich zu sein und Geld zu haben.»
Als Älteste in der Runde könne sie da Zuversicht verbreiten, sagte Dorothee Schmid: «Das Alter schafft biografische Ressourcen.» Sie wisse, was sie bereits alles erlebt habe, was sie bewältigen könne. Man könnte auch sagen: Was wichtig ist im Leben. «Und das stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft», so Schmid.
Eine schöne Perspektive, wie ich finde. Eine Perspektive, die Hoffnung gibt.
Auf hauptstadt.be gibt es heute im Verlauf des Tages eine ausführliche Zusammenfassung des Hauptsachen-Talks zu lesen. Ebenfalls werden wir die ganze Diskussion als Podcast veröffentlichen.
Die weiteren Themen des Tages:
- Ursina Anderegg: Seit Januar leitet Ursina Anderegg (GB) als Gemeinderätin die grösste Stadtberner Direktion. Als Bildungsdirektorin sorgte sie jüngst mit ihrem Entscheid, die zweisprachigen Klassen zu schliessen, für rote Köpfe. Im ausführlichen Interview mit der «Hauptstadt» spricht Anderegg nun über ihre ersten Monate im Amt, nimmt Stellung zum umstrittenen Schulentscheid und erklärt, wie ihre Pläne mit den städtischen Kitas aussehen.
- Bee-Flat: Das Kulturangebot Bee-Flat im Progr hat zum zweiten Mal in Folge ein Defizit geschrieben. Für das Jahr 2024 beläuft es sich auf knapp 93 000 Franken. Weil das eigene Vermögen bereits im Vorjahr aufgebraucht wurde, überlebt der Verein aktuell nur dank vorgezogener Beiträge von Geldgeber*innen. Die Ursachen für die schlechte finanzielle Lage seien vielfältig, wie der Verein in einer Medienmitteilung schreibt. So kämpfe man unter anderem mit steigenden Betriebskosten und einem veränderten Ausgehverhalten. Um die Finanzen zu stabilisieren sollen die Preise angehoben, die Stadt um Hilfe angefragt und ein Crowdfunding lanciert werden.
- Tour de Berne: Das Velorennen für Frauen mit Ziel auf dem Bundesplatz kann 2025 nicht stattfinden. Das haben die Veranstalter*innen gestern via Soziale Medien und ihre Website mitgeteilt. Grund dafür ist die Fussball-Europameisterschaft der Frauen im Juli. Für diese wird auf dem Bundesplatz eine grosse Public-Viewing-Zone eingerichtet. Die Organisation der Tour de Berne wäre dadurch deutlich komplexer geworden. 2026 soll das Rennen dann wieder stattfinden.
- Gleis 49: Ist das Verhältnis zwischen Bern und Biel von Minderwertigkeitskomplexen geprägt? In ihrer neuesten Kolumne diskutieren Nicoletta Cimmino und Jürg Steiner über trotzige «Ici c’est Bienne»-Ausrufe und Stadtberner Beamtenstadt-Klischees. Hier geht’s aufs Gleis 49.
- Kantonsregierung: Hervé Gullotti (SP) und Cyprien Louis (Grüne) wollen Berner Regierungsrat werden. Das schreiben die Nachrichtenagentur SDA und das Journal du Jura. Gulotti ist Präsident der Gemeinde Tramelan und gehörte von 2017 bis 2024 dem Kantonsparlament an. Als Ratspräsident war er zeitweise «höchster Berner». Louis ist unter anderem Co-Präsident der Grünen des Kantons Bern. SP und Grüne wollen den Jura-Sitz in der Berner Regierung bei den Wahlen im nächsten Frühling mit einer gemeinsamen Kandidatur angreifen. Den garantierten Sitz des Berner Juras in der Kantonsregierung hat zurzeit Pierre Alain Schnegg (SVP) inne. Ob er wieder antritt, ist noch nicht bekannt.
- Extremismus: Mitglieder der rechtsextremen Gruppe «Junge Tat» haben an der Lenk im Berner Oberland ein Trainingswochenende durchgeführt. Mit dabei waren auch Rechtsextreme aus Deutschland, wie das SRF-Regionaljournal berichtet. Auf dem Programm standen politische Vorträge, Kampfsport, Klettern und ein Workshop zur Durchführung von Demonstrationen. Ein Teil dieser Aktivitäten wurde – ohne das Wissen der Gemeinde und ohne die notwendige Bewilligung – auf dem Areal der Volksschule Lenk durchgeführt. Die Gemeinde will nun Massnahmen ergreifen, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt.
- Ypsomed: Das Burgdorfer Medizintechnik-Unternehmen Ypsomed ist im vergangenen Geschäftsjahr kräftig gewachsen. Es erzielte einen Umsatz von rund 750 Millionen Franken. Der operative Gewinn stieg gegenüber dem Vorjahr um 31 Prozent auf 113 Millionen Franken. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Ypsomed mit einem Umsatzwachstum von rund 20 Prozent, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt.
- Kita-Ende: Die Kita Kaleidoskids im Murifeld-Quartier muss «mangels Kindern» schliessen. Verkündet hat sie das unter anderem via Aushänge im Quartier. Die Schliessung passt zur angespannten Lage in der Berner Kita-Landschaft. Morgen Freitag verkauft die Kaleidoskids-Kita von 8 bis 13 Uhr sämtliches Material. Zu ergattern gibt es unter anderem Massivholzmöbel, Geschirr oder Bücher zu einem günstigen Preis.
PS: Morgen Freitag, 23. Mai, ist der Tag der Nachbarschaft. In der ganzen Schweiz wird mit Aktionen das nachbarschaftliche Miteinander zelebriert. Informiere dich doch mal in deinem Quartier und schaue, ob auch bei dir etwas stattfindet. Oder noch besser: Organisiere selbst kurzfristig etwas – beispielsweise ein gemeinsames Znacht mit den Nachbar*innen.