Autobahnanschluss – Hauptstadt-Brief #471
Dienstag, 3. Juni 2025 – die Themen: Wankdorf; Literatur; Gastro; Bier; Regierungsratswahlen; Fussball; Gaswerkareal; Tesla.
Die Berner Stadtregierung hat einen mit Spannung erwarteten Entscheid gefällt: Sie hat sich zur «Verkehrsmonster-Initiative» positioniert. Die vom Verein Spurwechsel lancierte Volksinitiative wollte den Gemeinderat verpflichten, sich gegen den vom Bund geplanten Ausbau des Autobahnanschlusses Wankdorf zu wehren.
Das tut er nun – freiwillig. Der Gemeinderat hat gestern bekanntgegeben, dass er der Initiative zustimmt und eine Beschwerde gegen die Pläne des Bundes für das Bauprojekt einlegt. Er will Verhandlungen mit dem Bund aufnehmen und sich für einen Umbau im Wankdorf einsetzen, der nicht zu Mehrverkehr führt. Damit erfüllt der Gemeinderat die Forderung der «Verkehrsmonster-Initiative». Mit seiner Positionierung erledigt sich deshalb auch die Initiative. Es wird keine Volksabstimmung geben.
Der Gemeinderat hat damit seinen Kurswechsel in dieser Frage definitiv vollzogen. Denn vor drei Jahren, in ihrer früheren Besetzung, hatte sich die Berner Stadtregierung noch hinter das Projekt gestellt. Das wäre nun nicht mehr glaubwürdig gewesen: Die neu gewählten Gemeinderät*innen Melanie Mettler (GLP), Ursina Anderegg (GB) und Matthias Aebischer (SP) hatten sich vor der Abstimmung alle öffentlich gegen den Autobahnausbau ausgesprochen.
Der Ausbau des Anschlusses Wankdorf, wegen seiner vielen Zufahrten auch Spaghettiteller genannt, ist damit aber noch nicht vom Tisch. Das Bauprojekt liegt in der Kompetenz des Bundes, die Stadt Bern kann sich lediglich dagegen aussprechen. Schliesslich geht es um die Frage, über wie viel lokalen Widerstand sich das Departement von Bundesrat Albert Rösti (SVP) hinwegsetzen will, und ab wann es das nicht mehr tut.
Hätte hier eine – im linken Bern mit grosser Wahrscheinlichkeit haushoch gewonnene – Volksabstimmung gar mehr Druck ausgeübt als der nun eingeschlagene Weg des Gemeinderates?
Nein, findet Markus Heinzer, Präsident des Vereins Spurwechsels. Die Positionierung des Gemeinderates und seine Beschwerde gegen das Bauprojekt erzeugen aus seiner Sicht einen starken Druck auf den Bund. «Wir gehen nicht davon aus, dass Albert Rösti jetzt noch mit dem Kopf durch die Wand gehen will.» Der Verein Spurwechsel zeigte sich in einer Mitteilung sehr erfreut über den Entscheid des Gemeinderates und schrieb: «Der Spaghettiteller ist gegessen!»
Das mag etwas voreilig sein. Sicher ist aber, dass neben der Beschwerde des Gemeinderats weitere Beschwerden gegen das Projekt eingehen werden. Solange diese hängig sind, kann der Bund nicht bauen.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Literatur: An den Solothurner Literaturtagen vom Wochenende erhielt Eva Maria Leuenberger einen Schweizer Literaturpreis für das Langgedicht «die spinne». Es setzt sich mit Auswirkungen der Klimakrise auf die Gefühlswelt auseinander. Leuenberger hielt für die Auszeichnung keine Dankesrede – weil das Thema nicht mit einer Auszeichnung erledigt sei. Hauptstadt-Autorin Nina Hurni hat Berner*in Eva Maria Leuenberger anlässlich der Literaturtage getroffen und bespricht die Lyrik.
- Gastro: Die Kult-Beiz Lluna Llena im Breitsch schloss am Samstag nach 29 Jahren. Schon nächstes Wochenende wird das Lokal unter dem Namen «The Tipsy Bear Pub and Garden» wieder eröffnen. Die neuen Pächter Michael Hunt und Peter Guinan stammen ursprünglich aus Irland und wollen eine Berner «Quartierversion eines Irish Pubs» schaffen. Meine Kollegin Edith Krähenbühl hat mit den beiden über ihre Vision gesprochen.
- Bier: Im Kanton Bern gibt es fast 200 Bierbrauereien, darunter unzählige Klein- und Mikro-Brauereien. Damit ist Bern im schweizweiten Vergleich eine Brauerei-Hochburg. Doch der Markt ist in jüngster Zeit schwieriger geworden. Meine Kollegin Victoria Habermacher hat zwei kleine, lokale Brauereien besucht, um herauszufinden, wie es ihnen ergeht.
- Regierungsratswahlen: Die Bieler Gemeinderätin Lena Frank und der Meiringer Grossrat Beat Kohler wollen für die Grünen in die Kantonsregierung. Das haben die beiden Ende letzter Woche gegenüber dem Bieler Tagblatt bzw. Bund/BZbekannt gegeben. Wahrscheinlich ist, dass weitere Parteimitglieder ihr Interesse an einer Kandidatur verkünden werden – noch nicht geäussert haben sich beispielsweise die Nationalrätinnen Aline Trede und Christine Badertscher. Auch für den Jura-Sitz gibt es Interesse von grüner Seite: Cyprien Louis will kandidieren. Die Partei wird im August definitiv bestimmen, wen sie für die Wahlen im Frühjahr 2026 ins Rennen schickt.
- Fussball I: Am Sonntagnachmittag fand im Berner Wankdorf-Stadion das Finalspiel des Schweizer Fussball-Cups zwischen dem FC Basel und dem FC Biel statt. Vor dem Spiel marschierten Tausende Fussballfans durch die Stadt, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtete. Die Basler gewannen das Spiel mit 4:1. Die Freude der Fans nach dem Spiel wurde durch einen schweren Unfall getrübt. Gegen 18 Uhr stürzte am Bahnhof Wankdorf ein Mann vom Perron aufs Gleis und wurde von einem einfahrenden Zug erfasst. Laut Kantonspolizei Bern wurde er schwer verletzt und in kritischem Zustand ins Spital gefahren. Der FC Basel sagte deshalb seine Cupfeier ab.
- Fussball II: Eine Gruppe von YB-Fans musste eine Niederlage vor dem Berner Verwaltungsgericht einstecken. Die Fans hatten eine Beschwerde eingereicht gegen eine Sperrung des Fan-Sektors durch die Stadtberner Sicherheitsdirektion bei einem Heimspiel im Januar 2024. Der damalige Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) hatte die Sperre verfügt, nachdem YB-Fans in Zürich randaliert hatten. Im gestern veröffentlichten Urteil entschied das Verwaltungsgericht, dass die Fans für die Beschwerde nicht legitimiert waren, wie Bund/BZ schreiben.
- Gaswerkareal: Im November können die Stadtberner Stimmberechtigten voraussichtlich über drei Vorlagen zum Gaswerkareal abstimmen. Die Stadt will auf dem Areal ein neues Quartier mit 300 bis 500 Wohnungen bauen. Gestern hat der Gemeinderat die Vorlagen zum Projekt zuhanden des Stadtrats verabschiedet. Es geht um die Umzonung des Areals, die Abgabe von Land im Baurecht und um einen Kredit von 25,2 Millionen Franken.
- Tesla: In der Region Bern gab es kürzlich offenbar vermehrt Farb-Attacken auf Teslas. Auch das Logo eines Tesla-Geschäfts im Wankdorf wurde mit Farbe schwarzer beschmiert, wie Nau.ch berichtet.
PS: Was braucht es für Frieden in Syrien nach dem Sturz von Assad? Darüber diskutieren heute Abend drei Expert*innen im Politforum im Käfigturm. 18:30 Uhr, Eintritt frei.