Das war das erste Jahr der «Hauptstadt»

Macht die «Hauptstadt» Neuen Berner Journalismus? Wie genau? Im Jahresbericht 2022, den wir zum Publikationsjubiläum veröffentlichen, zieht die Geschäfts- und Redaktionsleitung eine erste Bilanz.

Impressionen aus Ostermundigen fotografiert am 2.5.2022 in Bern. (Jana Leu)
Die «Hauptstadt»-Pop-up-Redaktion Ostermundigen im Mai 2022. (Bild: Jana Leu)

Ein Jahr lang schauten wir immer nach vorne, auf die nächste und übernächste Herausforderung. Jetzt halten wir kurz inne und bilanzieren, was die «Hauptstadt» im ersten Geschäftsjahr geleistet und geschafft hat.

Man könnte das erste Geschäftsjahr mit der Leichtathletikdisziplin Weitsprung vergleichen. Wir nahmen kurz, aber energisch Anlauf, stiessen entschlossen ab. Wie lang wir in der Luft bleiben und wie weit der Sprung gehen würde, wussten wir nicht. Rückblickend können wir sagen: Es war kein lockerer Sprung, wir legten alle Kraft in ihn. Wir übersprangen viele unerwartete Hindernisse und liessen uns nicht von unserer Richtung abbringen. Nach dem ersten Jahr sehen wir keinen Grund, nicht noch weiter springen zu wollen. 

Die «Hauptstadt» finanziert sich mit Abo-Einnahmen sowie Anschubbeiträgen der Stiftung für Medienvielfalt, der Volkart Stiftung und der Burgergemeinde Bern. Die «Hauptstadt» ist werbefrei und gemeinnützig.

Die Redaktion der «Hauptstadt» bei der ersten Redaktionssitzung, 3. März 2022
Engagiert, beweglich, offen: «Hauptstadt»-Redaktion an ihrem Sitz am Eigerplatz. (Bild: Manuel Lopez)

Wenn wir nach dem ersten Geschäftsjahr Bilanz ziehen, schauen wir also weniger auf Reichweite und Klickzahlen. Uns interessiert die publizistische Leistung, der Impact in der Berner Öffentlichkeit. Gelingt es uns, die Unterzeile unseres Titels einzulösen? Machen wir «Neuen Berner Journalismus»? Wird sichtbar, was die «Hauptstadt» ausmacht und was sie zur lokalen Medienvielfalt beiträgt? Gewinnen wir weiter neue Abonnent*innen?

Neuer Berner Journalismus: der Leistungsausweis

Wir haben weder den Lokaljournalismus noch die journalistischen Formate neu erfunden, das wäre vermessen gewesen. Aber wir haben einiges produziert, das es ohne die «Hauptstadt» nicht geben oder über das ohne die «Hauptstadt» in Bern nicht diskutiert würde. 

  • Wir verschicken jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag am Morgen um 7 Uhr per E-Mail den «Hauptstadt»-Brief, ein Berner Lokal-Briefing, das kurz und kompetent zusammenfasst, was in Bern wichtig ist. Es ist kein blosses Teaser-Mail unserer eigenen Stoffe, sondern wir schauen über unseren Tellerrand und fassen lokale News auch dann zusammen, wenn wir sie nicht selber thematisiert haben. Ein solches Format gab und gibt es in Bern sonst nicht, es ist auf grosses Interesse gestossen. Die Öffnungsrate des Newsletters liegt konstant bei rund 65 Prozent. Aus Reaktionen von Leser*innen wissen wir, dass der «Hauptstadt»-Brief auch Menschen erreicht, die bisher keine lokalen News konsumiert haben, was uns natürlich besonders freut.

  • Mehrmals in diesem Jahr hat die «Hauptstadt» brisante Themen exklusiv aufgegriffen mit der Folge, dass wir von anderen Medien – teilweise sogar international – als Quelle zitiert worden sind. Vier Beispiele: Wir schrieben als Erste über das Zerwürfnis zwischen der Leitung des «Progr» und den Betreibern der Turnhalle-Bar. Wir meldeten exklusiv die Entlassung des Ballet-Probenleiters bei Bühnen Bern. Wir griffen als Erste auf, dass die neue Abfallcontainer-Pflicht in der Stadt Bern zum Abbau von Parkplätzen führt. Wir berichteten exklusiv über eine Verhaftung auf der Schützenmatte, bei der die Polizei Gewalt anwendete und daraufhin aufgrund unserer Berichterstattung eine interne Untersuchung anstrengte.

Interview mit Gemeindepräsident Thomas Iten im Kulturbahnhof fotografiert am 12.5.2022 in Ostermundigen. (Jana Leu)
Austausch mit Hauptstädter*innen: FüBi in Ostermundigen. (Bild: Jana Leu)
  • Umgesetzt hat die «Hauptstadt» ein innovatives Modell für publikumsnahen Lokaljournalismus. Wir verlegten unsere Redaktion mehrmals für eine Woche in eine Agglomerationsgemeinde. Wir berichteten pop-up-mässig aus Ostermundigen, Zollikofen und Muri-Gümligen und öffneten die mobile Redaktion stets auch mit einem Anlass für interessierte Hauptstädter*innen – mit einem Feierabendbier in Ostermundigen und Gümligen, mit einem Brunch in Zollikofen.

  • Die «Hauptstadt» will nicht nur als Medium, sondern auch mit persönlicher Tatkraft den Diskurs fördern. Deshalb stellten sich «Hauptstadt»-Journalist*innen als Moderator*innen für öffentliche Debatten zur Verfügung – zum Beispiel für «Fokus Bern» (Kantonswahlen 2022), die «Neue Helvetische Gesellschaft Bern», «Lobbywatch» oder politische Parteien. Zusätzlich hat die «Hauptstadt» zusammen mit dem Kulturlokal «Progr» im Herbst 2022 die Talk-Reihe «Hauptsachen» lanciert. Einmal im Monat findet in der Aula des «Progr» ein von der «Hauptstadt» organisierter und moderierter Talk zu einem aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Thema statt; bisher zu Kulturpolitik, City Card und Autobahnausbau.

     

  • Um den Kontakt zu einem jüngeren urbanen Publikum aufzubauen, bespielt die «Hauptstadt» ihre Social-Media-Kanäle einerseits mit den Inhalten der Website, andererseits aber auch mit eigens für Social Media konzipierten Formaten. So kuratiert unsere Social-Media-Redaktion die gefragten Instagram-Ausgehtipps «Bärner Nachtläbe».

Hauptsachen Takk fotografiert am 03. November 2022 in der berner Turnhalle für die Hauptstadt. (simonboschi.ch / hauptstadt.be)
Öffentlich diskutieren, um weiterzukommen: Hauptsachen-Talk im Progr, hier zum Thema City Card. (Bild: Simon Boschi)
  •  Einen im Vergleich zu ähnlichen Portalen aussergewöhnlichen Effort leistet die «Hauptstadt» in der Bildsprache. Mit der im «Hauptstadt»-Brief publizierten Serie «Bern in Bildern» geben wir jeweils für einen Monat einem*r meist jüngeren Fotograf*in die Möglichkeit, ihren Blick auf Bern zu werfen.

  • Die «Hauptstadt» kooperiert auf der Plattform WePublish nicht nur im technischen Bereich mit anderen neuen Lokalmedien, sondern spannt auch journalistisch zusammen. So hat sie im Sommer mit «Bajour» und «Tsüri» gemeinsam eine Serie zur städtischen Verkehrswende sowie zusammen mit «Tsüri» einen Vergleich der Klimareglemente von Bern und Zürich recherchiert. 

Das sind aus unserer Sicht die wichtigsten Leistungen – das, was die «Hauptstadt» mit «Neuem Berner Journalismus» erreicht hat. Wie wir bereits vor dem Publikationsstart betont haben: Journalismus besteht nicht bloss aus dem, was am Schluss als Text, Ton oder Bild erscheint, sondern auch daraus, wie diese entstehen und warum. Die Basis des unabhängigen Lokaljournalismus, den wir anstreben, besteht aus einem gemeinnützigen Geschäftsmodell, das auf den Mehrwert für die lokale Demokratie fokussiert; einer Unternehmenskultur, die auf Transparenz, Wertschätzung und Ermutigung setzt; einem Publikationskonzept, das auf kritische, aber konstruktive Beiträge Wert legt. Da lösen wir den Anspruch von «Neuem Berner Journalismus» ohne Abstriche ein.

Die Hauptstadt fotografiert am 12. September 2022 im Quadrat Zollikofen für die Hauptstadt. (simonboschi.ch / hauptstadt.be)
«Hauptstadt» ahoi: «Quadrat»-Gründer Dan Hodler montiert die «Hauptstadt»-Fahne in Zollikofen. (Bild: Simon Boschi)

Lesen Sie im Weiteren, wie wir bei Unternehmensaufbau und Publikationskonzept vorgegangen sind. 

Unternehmensaufbau

Im Dezember 2021 war klar: Die Finanzierung für ein neues Online-Medium in Bern ist gesichert. Über 3000 Erstabonnent*innen hatten die «Hauptstadt» in einem Crowdfunding im Herbst 2021 unterstützt, dazu kam eine Anschubfinanzierung von Stiftungen. 

Jürg Steiner, Marina Bolzli und Joël Widmer, die das Projekt bis zum Crowdfunding weitgehend ehrenamtlich vorangetrieben hatten, stellten sich zur Verfügung für den Unternehmensaufbau. Das Ziel war ehrgeizig: Bereits im März sollte Publikationsstart sein. Bis dahin musste aber die geeignete Unternehmensform gefunden, eine Website programmiert, Mitarbeiter*innen eingestellt – und nicht zuletzt ein Publikationskonzept erarbeitet werden. 

Unternehmensform

Die «Hauptstadt» wird vom 2021 gegründeten Verein für Berner Medienvielfalt herausgegeben. Der Verein für Berner Medienvielfalt ist aus dem rund 20-köpfigen Kollektiv des «Neuen Berner Journalismus» entstanden, das in Plenumsversammlungen und Arbeitsgruppen das Medienprojekt in ehrenamtlicher Arbeit bis zum Crowdfunding vorantrieb. Erste Präsidentin wurde bei der Vereinsgründung Marina Bolzli. Um die Good Governance einzuhalten, musste fürs Präsidium auf Anfang 2022 eine andere Person gefunden werden, da Marina Bolzli heute Teil der Geschäftsleitung (GL) der «Hauptstadt» und somit operativ tätig ist. In der Folge wurden in den Vereinsvorstand gewählt: Isabelle Stupnicki (Präsidentin), Peter Stämpfli (Vize-Präsident), Andrea Knecht, Arne Scheuermann und Christoph Aebischer. Der Vereinsvorstand verantwortet die Herausgabe der «Hauptstadt» strategisch.

Die Hauptstadt fotografiert am 12. September 2022 im Quadrat Zollikofen für die Hauptstadt. (simonboschi.ch / hauptstadt.be)
Redaktionsalltag in der Möbelausstellung Quadrat in Zollikofen im September 2022. (Bild: Simon Boschi)

Die operative Leitung der «Hauptstadt» liegt bei der Geschäftsleitung, die aus Joël Widmer, Jürg Steiner und Marina Bolzli besteht. Sie sind zuständig für Finanzen, Marketingstrategie,  IT, Personal und die redaktionellen Inhalte. Gemeinsam haben sie auch die Redaktionsleitung inne.

Der Verein für Berner Medienvielfalt ist im Kanton Bern steuerbefreit.

Website

Die Website wurde zusammen mit der externen IT-Firma Seccom geplant und von ihr erstellt. Sie basiert auf der technischen Infrastruktur von WePublish, einem Open-Source-CMS für kleine und unabhängige Medien, das unter anderem von der Stiftung für Medienvielfalt unterstützt wird. Die «Hauptstadt» ist Teil des WePublish-Netzwerks, wie zum Beispiel «Tsüri», «Bajour», «Kultz» oder «Baba News». Auf dieser Basis ist den Partner*innen ein Artikelaustausch möglich, das sogenannte Peering.

Mitarbeiter*innen

Ab Januar 2022 waren die drei Geschäftsleiter*innen Marina Bolzli, Jürg Steiner und Joël Widmer zu je 50 Prozent für den Unternehmensaufbau angestellt, ab März erhöhten sie ihr Pensum auf je 70 Prozent. Die finanziellen Ressourcen ermöglichen die Schaffung von 4,4 FTE (Vollzeitstellen). Das Credo der «Hauptstadt» ist, ein gutes offenes Arbeitsklima mit möglichst wenig Hierarchien zu schaffen. Dazu gehören auch Teilzeitarbeit und Einheitslohn. 

Die eingerechnet der Redaktionsleitung (RL) neun Angestellten der «Hauptstadt» arbeiten momentan in Pensen zwischen 20 und 70 Prozent. Es gab keine Kündigung, die Praktikumsstelle wurde turnusmässig neu besetzt. Das junge Team ist im ersten Geschäftsjahr zusammengewachsen.

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Was läuft im Steuerparadies Muri? Im November 2022 gastierte die «Hauptstadt» im Bärtschihus Gümligen (Bild: Pascale Amez)

Das Redaktionsteam 2022 bestand aus: Marina Bolzli, Joël Widmer, Jürg Steiner (alle GL und RL), Mathias Streit (Redaktion und Admin), Flavia von Gunten (Redaktion), Edith Krähenbühl (Redaktion), Jana Leu (Social Media/Praktikum Redaktion), Andrea von Däniken (Social Media/Praktikum Redaktion), Carole Güggi (ab Oktober, Redaktion), Sandro Arnet (Praktikum), Manuel Lopez, Danielle Liniger, Simon Boschi (alle Bild), Jana Schmid (Stellvertretung Redaktion), Nicolai Morawitz (Stellvertretung Redaktion).

Publikationskonzept

Weniger ist mehr. Das ist nicht nur ein Werbeslogan, sondern die Überzeugung der Macher*innen der «Hauptstadt». Einerseits lassen die Ressourcen gar nicht mehr zu, andererseits fehlen im News-Dschungel oftmals Einordnung und Priorisierung. Als publizistisches Rückgrat fungiert der «Hauptstadt»-Brief, der dreimal wöchentlich am Morgen als Newsletter in die digitalen Briefkästen der Abonnent*innen flattert und ihnen sagt, was in, um und für Bern wichtig ist. Die News werden dabei nicht nur weitergegeben, sondern eingeordnet. Dazu kommen Recherchen, Reportagen, Interviews und Porträts. Sie haben mit Bern und der Lebenswelt von Berner*innen zu tun, sie sind kritisch gegen die Machthabenden, ob das wie in der Stadt Bern Rot-Grün-Mitte oder wie im Kanton Bern die Bürgerlichen sind.

Publizistik

Neben 116 «Hauptstadt»-Briefen hat die «Hauptstadt» vom 7. März bis 31. Dezember 2022 um die 250 Artikel auf ihrer Website veröffentlicht. Einige davon lösten ein breites, schweizweites Medienecho aus.

Interview mit Gemeindepräsident Thomas Iten im Kulturbahnhof fotografiert am 12.5.2022 in Ostermundigen. (Jana Leu)
Scharfe Worte: Slam Poet Andreas Kessler performt im alten Bahnhof Ostermundigen. (Bild: Jana Leu)

Im ersten Publikationsjahr war die «Hauptstadt» auch in der Agglomeration unterwegs und ist für Themenwochen mit ihrer Redaktion temporär umgezogen. So lernt die Redaktion einerseits die besuchten Gemeinden und Quartiere besser kennen, andererseits ist durch diesen Fokus eine fundiertere Berichterstattung möglich.

Dazu kommen weitere Schwerpunktwochen, zum Beispiel zu den Themen Stadtlandwirtschaft, Verkehr oder Fachkräftemangel.

Hier einige Schlüsselwerte zu unserer Publizistik

Das sind die fünf meistgelesenen Artikel 2022:

Finanzierung

 Die Leser*innen sind die Basis der «Hauptstadt». Das macht uns unabhängig von Interessengruppen, aber abhängig von Abonnent*innen, denn die Abos sind unsere weitaus wichtigste Finanzierungsquelle. Es ist eine Abhängigkeit, die wir gerne eingehen und die im letzten Jahr erfreulich war – denn die Zahl der Abonnent*innen lag Ende Jahr über den Erwartungen. Im Finanzplan rechneten wir mit 3900 verkauften Abos, Ende Dezember waren wir bei 4069. 

Die «Hauptstadt» ist damit in einem hart umkämpften Medienmarkt sehr erfolgreich gestartet. Das zeigt auch der Vergleich mit anderen journalistischen Startups. So hat die Onlineausgabe des «Nebelspalter» – die ein Jahr vor der «Hauptstadt» lanciert wurde – Ende 2022, also erst nach zwei Jahren, die Zahl von 4000 voll zahlenden Abonnent*innenkommuniziert.

Interview mit Gemeindepräsident Thomas Iten im Kulturbahnhof fotografiert am 12.5.2022 in Ostermundigen. (Jana Leu)
Besuch im Labor: Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten beim Interview mit der «Hauptstadt». (Bild: Jana Leu)

Ökonomisch hat die «Hauptstadt» ihre Ziele für 2022 erreicht. Sie konnte dank der guten Abo-Entwicklung und verschiedenen Beiträgen zur Anschubfinanzierung ihre Rechnung für das Jahr 2022 positiv abschliessen. Zu den Anschubfinanzierer*innen gehören die Stiftung für Medienvielfalt, die Volkart Stiftung, die Burgergemeinde Bern, die BEKB und das Migros-Kulturprozent.  

Der Selbstfinanzierungsgrad via Abos ist mit rund 70 Prozent im ersten Jahr schon erstaunlich hoch. Doch wir sind uns bewusst, dass bei der ersten Abo-Erneuerung im März 2023 ein Teil der Erstabonnent*innen abspringen wird, auch wenn wir natürlich darauf zählen, dass die meisten an Bord bleiben. Dementsprechend haben wir für das zweite Betriebsjahr finanzielle Rückstellungen gemacht. 

Ausblick

Das erste Jahr der «Hauptstadt» stimmt uns positiv, unser neues gemeinnütziges Geschäftsmodell auf nachhaltige Beine zu stellen. Doch der Markt für Lokaljournalismus ist naturgemäss beschränkt. Da die Anschubfinanzierung nach wenigen Jahren endet, müssen wir bis in zwei Jahren die Zahl der Abos auf rund 6000 steigern können. Die «Hauptstadt» hat dabei einen marktverzerrenden Nachteil. Sie erhält als Onlinemedium keinerlei Subventionen, während lokale TV- und Radiosender und die Berner Tamedia-Zeitungen von  staatlicher Medienförderung profitieren.

Diese Problematik hat kürzlich auch eine Studie im Auftrag der Stiftung Mercator aufgezeigt. Während lokale Zeitungen noch rentabel betrieben werden, sind lokale Digitalangebote nicht im gleichen Umfang finanzierbar. Die Werbeerlöse für Lokalmedien liegen im digitalen Raum um ein Vielfaches tiefer als bei Print-Produkten. Die Autor*innen der Studie werfen die Frage auf, «ob der Lokaljournalismus in der heutigen Zeit überhaupt noch am Markt finanziert werden kann». Geklärt werden müsse deshalb, ob Medienförderung das Ziel hat, Verlage zu einer nachhaltigen, selbsttragenden Finanzierung zu führen, «oder ob wir uns als Gesellschaft einen gemeinwohlorientierten Journalismus leisten und unterstützen wollen – analog der Landwirtschaft oder Kulturförderung».

Die Hauptstadt fotografiert am 12. September 2022 im Quadrat Zollikofen für die Hauptstadt. (simonboschi.ch / hauptstadt.be)
«Hauptstadt» an der Bernstrasse in Zollikofen. (Bild: Simon Boschi)

Die «Hauptstadt» ist mit ihrem gelungenen Startjahr ein wichtiges Pilotprojekt, das aufzeigt, wie die Medienvielfalt im Lokalen gerettet werden kann. Nun zählen wir darauf, dass noch mehr Leser*innen in uns investieren und uns mit ihren Abo-Beiträgen Zeit geben, publizistisch noch besser zu werden und uns im Berner Medienmarkt zu etablieren.

Die Hauptstadt will in Zukunft von Leser*innen getragen werden. Auf dem Weg dahin sind wir aufgrund der nicht vorhandenen Subventionen für Onlinemedien natürlich froh um Spenden und weitere Finanzierungsbeiträge. Der Trägerverein der «Hauptstadt», der Verein für Berner Medienvielfalt, ist derzeit von Steuern befreit. Spenden an die «Hauptstadt» können daher von den Steuern abgezogen werden.

Das Jahr #2

Das erste Jahr der «Hauptstadt» war herausfordernd und bereichernd. Wir haben ein Unternehmen aufgebaut, Prozesse etabliert, eine Redaktion geformt und publizistisch ab und an über die Grenzen Berns hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Wir können aber versprechen: Das zweite Jahr wird noch besser, insbesondere publizistisch. 

Denn nun sind die grössten Sorgen eines Start-ups im ersten Betriebsjahr überstanden. Wie andere Jungunternehmer*innen haben wir unterschätzt, was es neben Recherchieren und Schreiben alles braucht, um ein Medienunternehmen aufzubauen und am Laufen zu halten. Wir haben die Website optimiert, unsere Prozesse verbessert, kleinere und grössere Burnouts durchgestanden und aus Fehlern gelernt. 

Damit können wir im Jahr zwei den Fokus noch stärker auf den journalistischen Inhalt richten. Dafür brennen wir – denn dafür haben wir die «Hauptstadt» gegründet.

Februar 2023. Redaktions- und Geschäftsleitung «Hauptstadt»

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Diskussion

Unsere Etikette
Pascal Lorenzini
07. März 2023 um 06:24

Ein grosses "Bravo" an euch alle von der Hauptstadt. Ich bewundere euer Engagement für unabhängigen Berner Journalismus. Diesen hatte ich schon in meinen Einstiegsjahren im Journalismus auf dem Platz Bern noch im vergangenen Jahrtausend schmerzlich vermisst. Und in den folgenden 20, 25 Jahren ist's ja auch nicht besser geworden...

Darum: Macht weiter auf eurem Weg. Bern braucht die Hauptstadt. Bern braucht euch!