Das war das zweite «Hauptstadt»-Jahr
Hindernisse sind da, um übersprungen zu werden. Die «Hauptstadt» blickt auf ein lehr- und erfolgreiches Jahr 2023 zurück. Und geht jetzt weiter voran auf neuen Wegen im Lokaljournalismus.
Offiziell Qualitätsjournalismus: Swiss Press Award
Für das Konzept der Pop-Up-Redaktionen in Aussenstationen (namentlich das erste Aussenspiel in Ostermundigen im Mai 2022) erhält die Redaktion der «Hauptstadt» eine Nomination für den Swiss Press Award 2023. Im April wird ihr der zweite Preis in der Kategorie «Local» verliehen. Neben dem Preisgeld von 3000 Franken bedeutet das vor allem, dass der Journalismus der «Hauptstadt» sichtbar ist und als Qualitätsprodukt wahrgenommen wird.
Pop-Up-Redaktionen: Weitere Ausflüge
Auch im Jahr 2023 unternimmt die «Hauptstadt» vier journalistische Ausflüge an andere Orte: Sie berichtet aus Bethlehem/Bümpliz, aus dem Politforum Käfigturm in der Innenstadt, aus Wabern und aus dem Bernapark in Deisswil. Das Konzept der Aussenredaktionen erweist sich als zielführendes Mittel, damit die kleine Redaktion tief in ein Thema eintauchen kann. Vor Ort erfolgt an öffentlichen Anlässen, zu denen die «Hauptstadt», wenn möglich, Kulturschaffende zu einer kleinen Performance einlädt, eine Verbindung mit der lokalen Bevölkerung. Für die Aussenredaktionen erhält die «Hauptstadt» im Jahr 2023 eine einmalige Projektfinanzierung der Stiftung Mercator.
Publizistik: Profil geschärft
Im vergangenen Jahr hat die Redaktion ihr publizistisches Profil gefestigt und geschärft. Einerseits mit dem nützlichen, dreimal wöchentlich erscheinenden «Hauptstadt»-Brief, der konstant von zwei Dritteln der Adressat*innen geöffnet wird. Anderseits mit vielen Reportagen, Recherchen und Interviews, die nicht nur von Abonnent*innen oft gelesen wurden. Unterstrichen wird die Relevanz der «Hauptstadt» dadurch, dass andere Medien regelmässig Artikel der «Hauptstadt» aufgreifen. Dazu gehören unter anderem ein Porträt über einen Bauernhof, der aufhört zu metzgen, eine Recherche zur Asylunterkunft Mühleberg, eine Recherche zu Wahlkampfspenden des TCS oder Hintergrundartikel zur Verkehrspolitik.
Klicks: Die meistgelesenen Artikel
- Burrens wollen nicht mehr metzgen (April 2023)
- Trotz Teilzeittrend wird mehr gearbeitet als früher (März 2023)
- «Man sollte den Blick auf den Islam normalisieren» (Juni 2023)
- Wer chillt in Zukunft im Weyerli? (August 2023)
- Kontroverse Blicke aufs Betteln (Januar 2023)
Sondereffort: Die grosse Burger-Recherche
Ab Ende Oktober 2023 publiziert die «Hauptstadt» eine elfteilige Serie, die die wichtige Rolle der grossen Berner Burgergemeinde unter die Lupe nimmt. Wo nimmt die wohl mächtigste Burgergemeinde der Schweiz in der Stadt Bern Einfluss? Und wie ist sie überhaupt entstanden? Die vom Journafonds mitfinanzierte Serie stösst auf grosse Resonanz, so wird daraufhin auch ein Vorstoss im Stadtrat eingereicht, der fordert, dass Personen mit Burgerrecht nicht mehr der Stadtregierung angehören dürfen. Bei einem «Hauptsachen»-Talk zum selben Thema werden die Veranstalter*innen förmlich überrannt. Es ist das erste Mal, dass die Rolle der Burgergemeinde so detailliert journalistisch aufgearbeitet wird.
Veranstaltungen: Beliebte Hauptsachen-Talks
Die «Hauptsachen»-Talks in Zusammenarbeit mit dem Berner Kulturhaus Progr werden 2023 weitergeführt und können sich etablieren. An den insgesamt sechs Talks sind regelmässig um die 80 Interessierte anwesend. Je nach Thema erscheinen ganz unterschiedliche Menschen. Damit erfüllt die «Hauptstadt» das Bedürfnis der Berner*innen nach Nähe. Es ist eine neue Art von Lokaljournalismus, die mit den Menschen vor Ort gemeinsam weiterkommen und etwas erreichen will.
Stadtrat-Brief: Erfolgsprodukt
Mit einem Crowdfunding wurde Ende 2022 die lückenlose Berichterstattung aus dem Berner Stadtparlament lanciert. Im Februar 2023 startet die Redaktion mit dem Versenden des Stadtrat-Briefs, einem Newsletter, der nach jeder Sitzung die wichtigsten thematischen Debatten aus dem Stadtrat verständlich zusammenfasst. Das Produkt schliesst eine Lücke im Berner Lokaljournalismus und stösst auf eine Nachfrage, die sich direkt monetarisieren lässt. In einem weiteren Crowdfunding Ende 2023 kommt die Finanzierung für ein weiteres Jahr Stadtrat-Brief problemlos zusammen.
Social-Media: Kuratierte Ausgehtipps
Die «Hauptstadt» investiert redaktionelle Ressourcen in ihre Social-Media-Kanäle (Twitter, Instagram, Linkedin, Facebook), einerseits zur konsequenten Verbreitung ihrer Artikel, anderseits, um eigenständige journalistische Formate auszuspielen. Der kuratierte Veranstaltungskalender «Bärner Nachtläbe» (Instagram), den die «Hauptstadt» jede Woche gemeinsam mit dem Bewegungsmelder herausgibt, hat sich als Wegweiser in den Wochend-Ausgang etabliert. Vor allen städtischen Abstimmungen arbeitet die «Hauptstadt» die wichtigsten Pro- und Kontra-Argumente niederschwellig auf Instagram auf, um junge Stimmberechtigte zu erreichen. Die Zahl der Follower*innen wächst kontinuierlich. Auf Instagram folgen der «Hauptstadt» gut 6000 Menschen, auf X gut 3000, auf LinkedIn und Facebook rund 1200.
Abos: Knick im Frühling, Zunahme im Jahresverlauf
Im März 2023, ein Jahr nach Publikationsstart, steht die Erneuerung von fast 3600 Abos, die meisten davon aus dem Crowdfunding vom Herbst 2021, an. Aus Erfahrungen der Republik ist klar, dass mit einem Abo-Knick zu rechnen ist. Der fällt bei der «Hauptstadt» allerdings leicht stärker aus als in den Finanzplänen eingerechnet. Dort war eine Erneuerungsquote von 66 Prozent veranschlagt. Schliesslich sind es rund 59 Prozent. Dank vorsichtiger Finanzplanung und einem konstanten Abowachstum in den darauffolgenden Monaten hat die «Hauptstadt» bis Ende 2023 wieder knapp 3100 zahlende Abonnent*innen.
Kooperation: Wähl Mal!
Zusammen mit den Partnermedien Tsüri und Bajour lancierte die «Hauptstadt» vor den nationalen Wahlen im Oktober die multimedialen Kampagne «Wähl mal!». Damit wurden Erstwähler*innen aus den Regionen Zürich, Bern und Basel dazu motiviert, an den eidgenössischen Wahlen vom Oktober teilzunehmen. Auf der Webseite von «Wähl mal!» (wählmal.ch) konnten Wähler*innen Wahlversprechen abgeben. Sie wurden danach mittels Sprachnachrichten von Bundespräsident Alain Berset ans Wählen erinnert. Die Kampagne fand viel Beachtung, unter anderem in der NZZ, die sie mit einem kritischen Kommentar als relevant adelte. Die «Hauptstadt» organisierte für die Kampagne in der Berner Rathaus-Bar ein Pubquiz mit Kandidierenden.
Marketing: Die neue Abo-Kampagne
Ein neues Angebot wie die «Hauptstadt» muss sich zuerst etablieren. Um noch näher an die Menschen zu kommen, beauftragt die Geschäftsleitung der «Hauptstadt» die Berner Kommunikationsagentur Bold, eine neue Kampagne zu erarbeiten. Daraus ergibt sich der eingängige Slogan «Ich lese unabhängig», der im Jahr 2024 weiter verwendet werden soll. Dazu werben echte Berner*innen und «Hauptstadt»-Leser*innen als Testimonials für die «Hauptstadt». Die Kampagne wird dort ausgespielt, wo sie für die «Hauptstadt» bisher erfolgreich und auch bezahlbar war: Im öffentlichen Verkehr und auf Plakaten in der ganzen Stadt. Zudem werden regelmässig beliebte Artikel der «Hauptstadt» auf Social Media beworben.
Zukunftsaussichten: «Hauptstadt» bleibt ein Labor
Klein, aber journalistisch fein und finanziell stabil, will die «Hauptstadt», ein Medium, das nach wie vor in allen Belangen vor allem von Journalist*innen getragen wird, in die Zukunft ziehen. Lokaljournalismus zu finanzieren ist anspruchsvoll. Abonnent*innen tragen momentan knapp 60 Prozent zum Jahresbudget der «Hauptstadt» bei. Wie können die restlichen 40 Prozent, von denen heute ein gewichtiger Anteil noch Stiftungsgelder sind, künftig erwirtschaftet werden? Abowachstum alleine wird es nicht richten – und darum tüftelt die «Hauptstadt» in den kommenden Monaten an neuen Finanzierungsideen herum. Nacheinander sollen sie konkretisiert und – falls erfolgsversprechend – implementiert werden. Als erstes ist eine Aufwertung der Gönner*innen-Abos geplant. Danach wird geprüft, ob das Erfolgsprodukt, der dreimal wöchentlich erscheinende «Hauptstadt»-Brief, auch für Werbung genutzt werden könnte, ohne dass die Unabhängigkeit tangiert wird.
Wir bleiben dran. Weil wir überzeugt sind, dass es im Lokaljournalismus neue Wege braucht. Natürlich sind sie hindernisreich. Aber irgendjemand muss vorangehen. Und die «Hauptstadt» ist bereit dazu!
Februar 2024, Geschäfts- und Redaktionsleitung «Hauptstadt»