Könizbergwald – Hauptstadt-Brief #439

Samstag, 15. März 2025 – die Themen: Mordfall; Turnweg; Klima; Wärmeverbund; SCB; Futsal Minerva; gesperrter Kornhausplatz; Fotoausstellung im Dock 8.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Am kommenden Montag kommt der Mordfall an einem achtjährigen Mädchen im Könizbergwald vor Obergericht. In erster Instanz wurde die Mutter für die Tat vom Februar 2022 verurteilt. Beweise gab es keine, es war ein Indizienprozess.

Kurz vor Prozessbeginn hat die deutsche Wochenzeitschrift «Zeit» eine insgesamt fast fünfstündige Podcast-Serie zum Fall veröffentlicht. Ich habe sie mir angehört – obwohl ich solche Themen normalerweise meide.

Es ist eine ungewöhnliche Aussensicht. Die Podcasterin und Kriminalreporterin Anne Kunze arbeitet mit vielen Originalaufnahmen und -dokumenten. Zum Beispiel mit Tonspuren der Stimme des ermordeten Mädchens. Oder dem Anruf der Grossmutter beim Notruf. Und sie hat Interviews geführt: Auch mit der Verurteilten.

Anne Kunze vergrub sich über eineinhalb Jahre in den Fall. Auch aufgrund einer Aussage, die man ihr gegenüber am Anfang ihrer Recherche gemacht hat. Sie lautete: «In der Schweiz sitzt niemand so lange unschuldig in Haft.» Kunze machte das stutzig. Kein Rechtssystem sei unfehlbar, auch das der Schweiz nicht, findet sie.

Ich kann diese Skepsis nachvollziehen. Ich kann auch verstehen, dass die Verurteilung, die nur aufgrund von Indizien geschah, in Zweifel gezogen werden kann.

So sorgfältig er gemacht ist, irritiert mich dieser ausführliche Podcast trotzdem: Er entspricht dem Zeitgeist, Menschen mögen True-Crime. Auf dem Sofa sitzend, wohlig schaudernd. Aber dieser True Crime geschah vor unserer Haustür. Nicht vor langer Zeit, sondern vor drei Jahren. Und es gibt kein rechtskräftiges Urteil.

BERN 13MAR15 - My Post 24, Paket online bestellen und im Paket Post Automaten My Post 24 der Post CH AG abholen. Bern, Freitag 13. Maerz 2015.

© SEVERIN NOWACKI Fotograf BR Postfach 5751 CH-3001 Bern Switzerland +41 79 761 33 46 PC 30-455681-8 info@nowacki.ch www.nowacki.ch
Bilderserie von Severin Nowacki (7/12): Im März 2015 kann man erstmals Pakete online bestellen und im Paket-Post-Automaten abholen. (Bild: Severin Nowacki)

Und das ist heute auch noch wichtig:

  • Fahrverbot Turnweg: Nach einem mehrjährigen Rechtsstreit bis vor Bundesgericht kann die Stadt Bern am Turnweg im Nordring ein Fahrverbot umsetzen, wie Recherchen meiner Kollegin Jana Schmid ergeben haben. Voraussichtlich nach den Frühlingsferien wird der Abschnitt beim Breitenrain-Schulhaus für den motorisierten Verkehr gesperrt. Interessant: Ausgerechnet die Kantonspolizei hatte sich an der Einsprache beteiligt, denn gleich nebenan befindet sich eine ihrer Einsatzzentralen.  
  • Klima I: Fast zwei Stunden lang beschäftigte sich der Berner Stadtrat am Donnerstag mit dem Umsetzungsplan zur Energie- und Klimastrategie 2035. Dabei konnten die zahlreichen Anträge dazu faktisch gar nichts bewirken: Der Rat konnte die Vorlage nur annehmen oder ablehnen. Trotzdem zeigte sich, wie der neu gewählte Stadtrat im Klimathema ticke, analysiert mein Kollege Jürg Steiner wie immer pointiert. Seine Einordnung und weitere Debatten findest du hier im aktuellen Stadtrat-Brief.  
  • Klima II: Der Wärmeverbund Bern-Wabern kann realisiert werden. Der Stadtberner Energieversorger ewb und die Gemeinde Köniz haben einen Zusammenarbeitsvertrag unterzeichnet, wie sie am Donnerstag mitteilten. Das Projekt soll Köniz und Bern helfen, ihre Klimaziele zu erreichen. Die sowieso bevorstehende Sanierung der Seftigenstrasse biete dazu Gelegenheit. Mit dem neuen Wärmeverbund, der etwa je zur Hälfte auf dem Gebiet von Bern und Köniz liegt, könnten künftig bis zu 5000 Wohneinheiten mit Wärme versorgt werden. Dafür soll das überschüssige Wasser der Pumpenstation Schönau genutzt werden. Der Baustart ist für 2027 geplant, die ersten Wärmelieferungen sollen 2028 erfolgen.
  • Epischer Hockeymatch: Erst um 23.40 Uhr entschied sich das erste Playoff-Viertelfinalspiel zwischen dem SCB und Fribourg Gottéron. Die Freiburger gewannen nach doppelter Verlängerung schliesslich 3:4. Weil es so lange ging, gab es wohl das erste Mal seit Jahrzehnten keine Ehrung des besten Spielers. Die Mannschaften verschwanden nach Spielende direkt in die Kabine, schreibt Valentin Lagger auf eishockey-online.ch. Bereits am Sonntag kann sich der SCB revanchieren. Sieger der Serie wird, wer zuerst viermal gewonnen hat. Später am heutigen Tag findest du die Bilder dieses ersten Spiels auf unserer Webseite.  
  • Futsal-Final: Die Frauen des Berner Clubs Futsal Minerva spielen dieses Wochenende erstmals im Final der Swiss Futsal Women’s League. Die Qualifikation schafften sie letztes Wochenende mit einem 2:0-Sieg gegen den Futsalclub Lion. Das Finale findet morgen Sonntag um 15:30 Uhr in der Weissensteinhalle in Bern statt. Dort trifft Minerva auf den AS Charmilles aus Genf.  
  • Kornhausplatz: Der mehrstündige Polizeieinsatz am Donnerstagabend beim Kornhausplatz dürfte auf einen versuchten Einschleichdiebstahl zurückzuführen sein. Nach Angaben der Kantonspolizei wird eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruchs und versuchten Diebstahls erstattet, berichtet die Nachrichtenagentur sda. Der Täter sei geflüchtet. Die Polizei hatte den Platz grossräumig abgesperrt, nachdem eine Meldung über einen angeblich bewaffneten und vermummten Mann eingegangen war.  
  • Long Covid: Vor fünf Jahren gab es den ersten Lockdown wegen Corona, vor drei Jahren erwischte das Virus auch die Bernerin Monika Grossen. Richtig gesund wurde sie danach nicht mehr, sie erhielt die Diagnose Long Covid. Wie sie damit umgeht und wie ihr die Fotografie in dieser schlimmen Zeit geholfen hat, kannst du im Porträt lesen, das ich über sie geschrieben habe. Denn heute ist ein grosser Tag für sie: Ihre Fotoausstellung im Dock 8 eröffnet.

PS: Ich kann dir das Stück «Koste es, was es wolle» von Haupt & Riesen im Schlachthaus Theater sehr empfehlen. Es spielt im Supermarkt und geht um Frauenarmut, indem einzelne Schicksale näher beleuchtet werden. Was mich aber besonders berührt hat: Die poetischen Choreografien inmitten der Supermarkt-Gestelle. Es ist eine leise und nachhallende Sprache. Heute ist Derniere (18 Uhr, mit Gratis-Kinderbetreuung).

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