Parteienfinanzierung – Hauptstadt-Brief #194
Donnerstag, 6. Juli 2023 – die Themen: Transparenz, Reisen, Polizei, Fussball, Familiengärten, Wahlen, Münster.
Lange waren in der Schweiz Parteifinanzen ein gut gehütetes Geheimnis. Das gilt ab sofort nicht mehr für die Stadt Bern: Per Ende Juni mussten die politischen Parteien erstmals ihre Finanzierung offenlegen. Deshalb ist auf der Website der Stadt Bern seit wenigen Tagen einsehbar, welche Einnahmen und Ausgaben die Parteien für das Jahr 2022 deklarieren.
Ein erster Blick in die Zahlen zeigt, dass die Lokalparteien nicht im Geld schwimmen. Aber auch, dass es bei der Vergleichbarkeit der Ausgaben noch hapert.
Das haben die Stadtparteien 2022 ausgegeben:
- GB: 255’894 Franken
- FDP: 181’533 Franken
- SP: 152'951 Franken
- GFL: 77’729 Franken
- SVP: 75'455 Franken
- GLP: 40’215 Franken
- Mitte: 18'415 Franken
Die grössten Ausgaben weisen das Grüne Bündnis (GB) und die Freisinnigen aus. Das heisst aber nicht, dass diese am meisten Geld für die Stadtpolitik ausgeben. Denn in diesen Zahlen ist je ein grosser Betrag für die Kampagne zu den Kantonswahlen 2022 enthalten. Beim GB sind das 93’000 Franken, bei der FDP 110’000 Franken. Die Stadtpartei der SP hingegen hat gemäss ihrer Deklaration keinen Franken für die Grossratswahlen ausgegeben, denn die Finanzierung SP-Kampagne lief via die Kantonalpartei.
Und wofür geben die Parteien das Geld mehrheitlich aus? Bei GB, SP und GFL fliesst ein Grossteil in Löhne ihrer Parteisekretär*innen. Die SVP verwendet das meiste Geld für Abstimmungskampagnen und Werbung, die FDP für Administration.
Auch die Einnahmen wurden deklariert. Die wichtigsten Geldquellen sind Mitgliederbeiträge und Mandatsabgaben. Weniger Klarheit herrscht bei den Spenden: Während das Grüne Bündnis Spenden in der Höhe von 23’216 angibt, darunter eine Spende über 5400 Franken einer Privatperson, deklariert zum Beispiel die SP null Franken Spenden.
Der Grund dafür ist unter anderem: Die städtische SP ist in Quartiersektionen unterteilt. Darum weist sie bei den Einnahmen 128'123 Franken an Beiträgen aus den Sektionen aus. Die Rechnungen der Quartiersektionen hingegen sind nicht deklariert. Damit zeigen die offengelegten Zahlen wohl nicht die ganze Finanzkraft der städtischen Sozialdemokrat*innen. Dazu sagt Meret Schindler, die SP-Co-Präsidentin: «Wir prüfen zusammen mit den Sektionen, ob wir als Stadtpartei die Finanzen weiterer Parteiebenen deklarieren sollten und werden das bei Bedarf auch tun.»
Neben dem Grünen Bündnis weist übrigens keine Partei eine Spende über 5000 Franken aus. Eine solche müsste namentlich ausgewiesen werden.
Die neue Transparenz in der Politikfinanzierung ist für unsere Demokratie ein wichtiger Schritt. An der Übersichtlichkeit kann noch gefeilt werden. Dazu müsste die Parteienfinanzierung aber auf allen politischen Ebenen transparent sein. Auf Bundesebene kommt das bald. Dort gelten neue Offenlegungspflichten für die Jahresrechnungen 2023. Auf Kantonsebene fehlen solche Regeln aber.
Der Blick nur auf das erste Jahr lässt noch kein richtiges Fazit zu. Aussagekräftiger wird die Entwicklung über mehrere Jahre sein. Und richtig spannend werden die Deklarationen im städtischen Wahljahr 2024.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Reisen: Der Berner Autor Christian de Simoni plädiert für unspektakuläres Reisen zu unauffälligen Orten – am besten zu Fuss. Meine Kollegin Marina Bolzli traf de Simoni – nach einer kleinen Irrfahrt mit ihrem Velo – zu einem Spaziergang im Spiegel ob Köniz, und de Simoni formulierte den verheissungsvollen Satz: «Man muss an Orte, die flüstern.»
- Polizei: Auf 18 Standorte ist die Kantonspolizei Bern heute im Raum Bern verteilt. Das soll sich ab 2028 ändern. Dazu haben am Dienstag in Niederwangen die Arbeiten für das neue Polizeizentrum Bern begonnen, wie der Kanton mitteilt. In fünf Jahren sollen in Niederwangen, gleich neben der Autobahnauffahrt, rund 1’400 Personen arbeiten. Der Kanton rechnet mit Gesamtkosten von 373 Millionen Franken.
- Fussball: Im letzten Brief verkündeten wir, dass die hochtalentierte YB-Spielerin Iman Beney mit nur 16 Jahren den Sprung ins Schweizer WM-Kader geschafft hat. Doch die Freude bei Beney war von kurzer Dauer: Wenige Stunden später riss sie sich im Training das Kreuzband; sie verpasst damit die WM. Als ihren Ersatz hat die Nationaltrainerin Amira Arfaoui aufgeboten. Die Bümplizerin spielte einst ebenfalls bei YB.
- Familiengärten: In den Familiengärten des Berner Vierer- und Mittelfelds dürfen sich Kinder unter sechs Jahren nur noch an maximal 50 Tagen pro Jahr aufhalten. Grund dafür sind deutlich erhöhte Werte für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die dort gemessen wurden. Laut Mitteilung der Stadt Bern besteht für die Kleinkinder eine Gefahr, falls sie «sehr regelmässig» Erde verschlucken würden. Das auf den Familiengärten produzierte Obst und Gemüse kann weiterhin gegessen werden. Die Stadt geht davon aus, dass die Bodenbelastungen unter anderem auf Asphaltierungen aus dem Jahr 1914 zurückgehen, als auf dem Viererfeld eine Landesausstellung stattfand.
- Nationalratswahlen: Die Mitte, die EVP und die Grünliberalen des Kantons Bern gehen für die Nationalratswahlen vom Oktober dieses Jahres eine Listenverbindung ein. Das Bündnis sei offen für weitere Parteien, teilten die Parteien gestern mit. Die FDP, die dafür in Frage kommt, führt derzeit laut Bund/BZ jedoch Gespräche für eine Listenverbindung mit der SVP.
- Berner Münster: In unserer Gesellschaft ist Identität ein wichtiges Debattenthema geworden. Unser Philosophiekolumnist fügt ihm eine weitere Facette hinzu – anhand des Münsters, das dauersaniert werden muss.
PS: Am kommenden Sonntag ist in Bern der Velosport hoch im Kurs. Am Vormittag findet das Frauenradrennen Tour de Berne – das Velo-Pendant zum Frauenlauf – mit Zieleinfahrt auf dem Bundesplatz statt. Wer mitfahren will, kann sich heute noch anmelden. Und am Sonntagnachmittag kannst du im Fabrikgarten unter der Monbijoubrücke weitere Velofahrkünste bestaunen, bei The Summit, einem Velopolo-Turnier mit Art Exhibition.