Pop-Up – «Hauptstadt»-Brief #264

Samstag, 6. Januar 2024 – die Themen: Markuskirche; Norient-Gründer; Skirennen Adelboden; Madeleine Amstutz; Vorsätze; Berner Kopf der Woche: Eva Ming.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Während des Essens erklingt plötzlich Orgelmusik von der Empore herab. Eigentlich nicht erstaunlich, schliesslich befinden wir uns in einer Kirche. Und doch erstaunlich, denn diese Kirche wurde für gut zwei Monate verwandelt in ein Pop-Up-Restaurant.

Die Markuskirche im Breitenrain ist kein kleines Gotteshaus, und deshalb ist das aus dem Boden gestampfte Restaurant ungewöhnlich gross. Bis zu 200 Gäste finden darin Platz – seit Wochen ist es jeden Abend voll. Es scheint, als ob der Hunger der Berner*innen auf etwas Einmaliges gigantisch wäre.

Bei Kerzenlicht diniert man zwischen Kanzel und Empore, für die wenigen Wochen wurden eine Bar, eine Küche, eine Backstube aufgebaut. Wo früher Konfirmationsfeiern stattfanden, gibt es jetzt ein grosses Weinlager, aus dem sich die Gäste gleich selber die passende Flasche (es gibt auch sehr teure) aussuchen können. Alles ist auf ein unverwechselbares, aber nicht ganz billiges Erlebnis ausgelegt. 

Das temporäre Restaurant in der Markuskirche ist vielleicht das pompöseste der zahlreichen Berner Pop-Ups. Pop-Ups, egal ob Restaurant oder Bar, haben im letzten Jahrzehnt eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben, wie letzthin auch meine Kollegin Andrea von Däniken beleuchtet hat

Sobald etwas nur beschränkt und für kurze Zeit zu haben ist, bekommt es für die Menschen plötzlich mehr Wert. Das passt zu einer Gesellschaft, in der sich sehr viele fast alles leisten können, was sie möchten. Man ist auf der Suche nach einzigartigen Erlebnissen, nach immer Neuem.

Ich bin davon nicht ausgenommen. Und diesen Moment, als aus dem Nichts die Orgel ertönte, so schnell werde ich ihn nicht vergessen.

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Dauerhaft eingewintert. (Bild: Mik Matter)

Und das möchte ich dir mit ins Wochenende geben:

  • Berner Musikkenner: Thomas Burkhalter hat sich quasi seinen eigenen Beruf geschaffen. Er ist Musikanthropologe, Künstler, Kulturunternehmer. Wenn in ein paar Tagen das von ihm gegründete Norient Festival startet, wird Bern ein bisschen zur Weltstadt. «Mit Musik kannst du relativ tief in Gesellschaften eintauchen. Und du kommst dabei schnell auf wirtschaftliche und politische Fragen», hat er mir bei meinem Besuch in seinem Atelier erzählt.
  • Ski-Wahnsinn: Heute und morgen finden am Chuenisbärgli in Adelboden die Weltcup-Rennen statt. Nachdem bis am Donnerstag eine weisse Schneise aufzeigte, wo gefahren werden wird, schneit es seit gestern fast ununterbrochen. Rund 220 Helfer*innen sind Tag und Nacht im Einsatz, um die Piste zu präparieren, wie BZ/Bund schreiben. Im Ganzen arbeiten dieses Wochenende etwa 1300 Menschen für die Rennen. Es ist ein Grossanlass für die ganze Region. Über 10 Millionen Franken würden dabei insgesamt abgeschöpft, meldet das Regionaljournal. Nun muss nur noch das Wetter einigermassen mitspielen: Der Nebel könnte der Durchführung noch einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Einsprache erhoben: Die Berner Grossrätin Madeleine Amstutz (SVP) hat gegen ihren Ausschluss aus der SVP Kanton Bern Einsprache erhoben. Gemäss Amstutz wurden die parteieigenen Vorgaben für das Parteiausschlussverfahren nicht eingehalten. Das sagte die Politikerin der Nachrichtenagentur sda. Im November 2023 beschloss die Geschäftsleitung der Berner SVP den Parteiausschluss der Sigriswilerin. Als Grund wurde ihr parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Amstutz kandidierte bei den eidgenössischen Wahlen auf der Bürgerlichen Stadt- und Landliste BSL. Mit der Kandidatur auf einer parteifremden Liste habe sie gegen die Parteistatuten verstossen.
  • Zeit der Vorsätze: Hast du auch einen Vorsatz fürs neue Jahr gefasst? Vielleicht könnte dich ja unsere freie Autorin Janine Friedrich dazu inspirieren. Seit drei Jahren schaltet sie am Sonntag ihr Handy nicht mehr an. Wie sie dazu gekommen ist, was es ihr bringt und was sie dabei verpasst, schildert sie in diesem Text.
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Berner Kopf der Woche: Eva Ming

An der Länggassstrasse 47 in Bern zeigt sich, was passiert, wenn Leidenschaft auf Ausdauer trifft: 2023 feierte Länggass-Tee das 40-Jahr-Jubiläum. Und in dieser Woche übernimmt die einstige Studijob-Mitarbeiterin Eva Ming die Co-Geschäftsleitung des Teegeschäfts.

Nach der Matur machte Eva Ming, heute 31-jährig, ein Praktikum bei Länggass-Tee und arbeitete während ihres Geografiestudiums weiterhin im Geschäft. Dann forschte sie drei Jahre lang am Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Bern zu globalen Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft und feministischen Geografien. 2022 kehrte sie ins Teegeschäft zurück, kümmerte sich um die Teeschule, die Kommunikation und andere Projekte.

In dieser Folge des Gusto-Podcasts schwärmt Eva Ming, wie es sie beglücke, wenn Einsteiger*innen in den Kursen ihre Sinne schärfen und mit der Zeit Aromen in den Tees erkennen. Ihre eigene Freude an der Sache übertrage sich auf die Kursteilnehmer*innen, glaubt Ming.

Im Podcast kommt auch Katrin Lange zu Wort, die Mitgründerin von Länggass-Tee. Sie erinnert sich an das Vorstellungsgespräch mit Ming: «Yes, die auf jeden Fall», habe sie sich damals gedacht, «mit dieser Frau möchte ich etwas machen.»

Dieses «Etwas» entwickelte sich zum Generationenwechsel im Geschäft per Januar 2024: Katrin Lange zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück, ihre Söhne Kaspar und Sebastian bilden zusammen mit Eva Ming und Sofie Utz die neue Geschäftsleitung. (Text: Flavia von Gunten)

PS: Die Berner Kulturagenda BKA ist wegen eines Serverwechsels noch bis zum 8. Januar offline. Wenn du trotzdem ausgehen willst, empfehle ich dir die Nachtläbe-Tipps der «Hauptstadt». So läuft morgen Sonntag das Antirassismus-Drama «Green Book» in der Cinématte (16 Uhr). Was gäbe es Besseres an einem verregneten Sonntag?

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Diskussion

Unsere Etikette
Erich Brand
08. Januar 2024 um 11:19

amstutz ist irgendwie am stutz...