Sozialhilfe – «Hauptstadt»-Brief #338

Dienstag, 2. Juli – die Themen: Sozialhilfegesetz; Wahlkampf; Frauensport; Vereinbarkeit; Gespensterhaus.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Das Sozialhilfegesetz des Kantons Bern ist seit 2001 in Kraft. Seither wurde es 19 Mal revidiert. Geblieben ist ein unleserliches Flickwerk, findet die Kantonsregierung – und plant eine Totalrevision des Gesetzes. Das hat Sozialdirektor Pierre-Alain Schnegg (SVP) gestern den Medien verkündet. 

Diese Massnahme ist keine Kosmetik. Im Gegenteil: Mit der Revision will die Regierung eine Reihe von Änderungen in der kantonalen Sozialhilfe einführen. Mehrere Vorstösse aus dem Parlament sollen umgesetzt werden. Viele der Änderungen sind Verschärfungen, oder sollen zumindest Kosten sparen. 

  • Der Kanton soll den Vollzug der Sozialhilfe durch die Sozialdienste stärker beaufsichtigen. Er könnte den Sozialdiensten Massnahmen anordnen und Sanktionen verhängen, wenn sie die Massnahmen nicht umsetzen. 
  • Ein neues Fallführungssystem soll eingeführt werden. Es erleichtert den Datenaustausch zwischen Steuerämtern und Sozialdiensten. 
  • Menschen, die Sozialhilfe beziehen, soll der Grundbedarf um bis zu 30 Prozent gekürzt werden können, wenn sie das Sprachniveau A1 in Deutsch oder Französisch nach sechs Monaten nicht erreicht haben. 
  • Wenn Sozialhilfebeziehende eine Arbeit finden, sollen sie früher erhaltene Leistungen nicht mehr mit ihrem Lohn zurückzahlen müssen. 
  • Beim Lastenausgleich zwischen Kanton und Gemeinden soll den Gemeinden ein Selbstbehalt auf ihren Sozialhilfekosten auferlegt werden. Das System setzt laut Kanton einen «Anreiz zur Kosteneffizienz». Es werde für 230 Gemeinden Minderkosten und für 110 Mehrkosten bedeuten.

Es würden mit dem neuen Gesetz keine Sozialleistungen gesenkt, kommunizierte Schneggs Direktion wiederholt am einberufenen «Point de Presse» im Berner Rathaus. 

Allerdings lasse, sagte Manuel Michel, Leiter des Amts Integration und Soziales, «das eine oder andere Element positive Auswirkungen auf die Sozialhilfekosten erhoffen». Klartext zu reden, schien nicht oberstes Ziel der Medienkonferenz zu sein. Begleitet wurde sie von einer ebenso umständlich formulierten Medienmitteilung.

Am Donnerstag startet die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs. Sie dauert bis Oktober. Nächstes Jahr kommt das Gesetz in den Grossen Rat. Danach kann das Referendum dagegen ergriffen werden. In Kraft tritt das neue Sozialhilfegesetz frühestens im Herbst 2026.

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light always comes with a shadow. (Bild: Daria Samoilova)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Wahlkampf I: Wie bereiten sich Stadtberner Politiker*innen vor, wenn sie einen Sitz in der Regierung ergattern wollen? Wie viel Geld und wie viel persönliches Engagement investieren sie in den Wahlkampf? Langsam nimmt der Wettstreit um die Gemeinderatswahlen im November Fahrt auf: Kandidat*innen sind engagiert auf der Strasse, an Anlässen und in den Sozialen Medien unterwegs. Mein Kollege Joël Widmer hat das Drum und Dran des Berner Wahlkampfs analysiert: zu hören in der neuen Folge des Polit-Podcasts «Im Hinterzimmer» der «Hauptstadt».
  • Wahlkampf II: Das Wahlsystem in der Stadt Bern hat seine Tücken und Besonderheiten. Meine Kollegen Jürg Steiner und Joël Widmer haben vor einigen Monaten einen Artikel dazu verfasst – «für Laien». Sie erhielten die Rückmeldung, der Text sei für Laien ungeeignet und immer noch zu kompliziert. Jetzt haben sie den Artikel überarbeitet, als Ergänzung zur neuen Podcast-Folge. Hier also wirklich: Die Berner Stadtregierung wählen, erklärt in fünf Punkten.
  • Frauensport: Am Sonntag stand der Bundesplatz im Zeichen des Frauensports. Gegen 250 Teilnehmerinnen des Breitensport-Radrennens für Frauen «Tour de Berne» rollten über die Ziellinie. Gleichzeitig fand auf dem Platz ein Kick-off-Anlass für die Frauen-Fussball-Europameisterschaften statt, die im Juli 2025 auch in Bern stattfinden werden. Gemeinderat Reto Nause, Turnierdirektorin Doris Keller und Nationaltrainerin Pia Sundhage sprachen über die Bedeutung des «grössten frauenspezifischen Sportanlasses Europas». Dann starteten sie per Knopfdruck den Countdown: In einem Jahr ist es soweit.
  • Vereinbarkeit: Ein Mandat als Stadträt*in lässt sich oft schwer mit dem Berufs- und Privatleben vereinbaren. Die «Hauptstadt» hat darüber schon gesprochen und geschrieben. Eine interne Umfrage im Stadtrat zeigt nun auf: Rund 80 Prozent der Ratsmitglieder beurteilen die Arbeitsbelastung ihres Mandats in Kombination mit Beruf, Ausbildung oder mit privaten Verpflichtungen als herausfordernd. Die Stadt hat gestern die Auswertung der Umfrage veröffentlicht. Es werden verschiedene Verbesserungsvorschläge präsentiert, etwa Stellvertretungen ermöglichen oder weniger Sitzungen durchführen.
  • Gespensterhaus: An der Junkerngasse in der Berner Altstadt steht ein Haus, das mehr als 600 Jahre alt ist und trotzdem nie dauerhaft bewohnt war. Man erzählte sich in Bern Spukgeschichten zu dem Gebäude, das lange als Lagerraum oder Garage genutzt wurde. Eigentümer ist der Bund. Nun hat dieser das «Gespensterhaus» saniert. Entstanden ist eine vierstöckige Luxuswohnung mit Tiefgarage. Jetzt ist eine zahlungskräftige Mieterschaft gesucht: 5'820 Franken pro Monat kosten die 178 Quadratmeter Wohnfläche, wie Bund/BZ schreiben.

PS: Kennst du Heilpflanzen? Möchtest du wissen, wie man sie in der modernen Medizin einsetzt? Morgen Abend kannst du es lernen. Bei einer Führung im Stiftgarten mit dem Biologen und Naturheilpraktiker Kevin Nobs. 17:30 Uhr, Kollekte, Anmeldung erwünscht.

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Diskussion

Unsere Etikette
Hanspeter Zaugg
02. Juli 2024 um 14:07

Stichwort Gespensterhaus:

Zu empfehlen : "Das Gespensterhaus" Schweizerfilm 1942

Praesensfilm Regie Franz Schnyder

Und es Spukt wirklich selber erlebt als 9 jähriger Wölfli dort eine Nachtübung gemacht es wahr scheusslich lustig.

Stichworz Sozialhilfe

in der Schweiz sind 2,9 % von Sozialhilfe abhängig

Stand 2022 im Kanton Bern liegt sie bei ca 3,7 % wer mit strengerem Regiem und Gesetzen die SozHilfe Quote senken will und zwar auf gedeih und verderb der Irrt eine Sockelsoz,hilfequote müssen wir in unserer ach so vortschritlichen Welt annehmen ob wir wollen oder nicht.

Wer den menschn mit Repressionen kommt verängstigt Sie und macht sie dumpf letargisch und gleichgültig.