Bye Bye Budnik

Demokratiekrise, Rechtsvortritt, ÖV-Bussen – drei Jahre lang hat Christian Budnik für die «Hauptstadt» ganz unterschiedliche Themen philosophisch eingeordnet und weiterentwickelt. Heute erscheint seine letzte Kolumne.

Philosoph Christian Budnik schhreibt seine letzte Kolumne fuer die Hauptstadt. Fotografiert fuer die Hauptstadt im Brocki Bistro in der Lorraine. Bild: Christine Strub, ©christinestrub.ch
Philosoph und Chronist der Stadt: Christian Budnik. (Bild: Christine Strub)

In 38 Kolumnen haben Sie für die Hauptstadt ganz unterschiedliche Themen behandelt. Wie sind Sie jeweils darauf gekommen?

Budnik: Es gab ganz unterschiedliche Entstehungsgeschichten. Ich habe irgendwann angefangen, Berner Nachrichten mit Blick auf mögliche Themen für die Kolumne zu lesen und habe mich dann immer gefreut, wenn etwas zu einem Philosophie-Thema gepasst hat. Zum Beispiel die Eröffnung der Kollektivunterkunft Tiefenau oder aber die Panne des Bundesamts für Statistik bei den Wahlen 2023. Diese Ereignisse haben mich angeregt, über Immigration und das Vertrauen in Institutionen nachzudenken.

Sie haben aber auch aus Ihrem Alltagsleben geschöpft?

Budnik: In anderen Situationen hatte ich ein interessantes philosophisches Thema und suchte einen Berner Bezug. So habe ich beispielsweise zum Thema Sucht bei der Anlaufstelle Contact recherchiert oder das Identitätsthema mit den Renovationen am Berner Münster verknüpft. Die Tatsache, dass ich mit meiner Partnerin zwei Töchter habe, die in Bern aufwachsen, bietet einen grossen Fundus an Themen. In unterschiedlichen Kolumnen habe ich diese vertieft: Der Wert der Kindheit, Erben, das Geschäft mit dem Klassenfoto oder etwa Mobilität für alle. Ich muss zugeben, dass ich manchmal auch einfach über etwas oder jemanden wütend war, wie zum Beispiel über Gianni Infantinos Moralrelativismus vor der WM in Katar.

Haben sich während Ihrer dreijährigen Kolumnistenzeit Themen herauskristalliert, die besonders prägend waren – und die Sie jetzt weiter begleiten?

Budnik: Die Krise der Demokratie und ihrer Institutionen war sicher zentral in den letzten Jahren. Es war bereits eines der Themen, das mich motiviert hat, überhaupt mit der Kolumne anzufangen. Ich habe seit 2016, also zur Zeit der ersten Trump-Wahl und des Brexit-Referendums, immer mehr Anzeichen gesehen, dass es global nicht gut steht um die Demokratie. Die Corona-Pandemie hat das in Teilen noch verstärkt.

Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe?

Budnik: In diesem Zusammenhang habe ich zur Frage «Was ist Vertrauen?» geforscht und dabei festgestellt, dass das Ganze nicht nur mit ökonomischen oder institutionellen Verwerfungen zu tun hat. Es ist auch eine Folge davon, dass wir uns als Bürger*innen nicht mehr richtig verständigen können. In meinen Kolumnen ist es mir deshalb immer wieder um die Frage gegangen: Wie finden wir als Bürger*innen zu einer gemeinsamen Perspektive zurück, die für demokratische Konsensbildung notwendig ist? Ich habe hier keine Antwort, und ich denke, es gibt hier ohnehin nicht nur eine Antwort. Manchmal kann es aber schon helfen, das Trotti nicht mitten auf dem Trottoir abzustellen.

Philosoph Christian Budnik schhreibt seine letzte Kolumne fuer die Hauptstadt. Fotografiert fuer die Hauptstadt im Brocki Bistro in der Lorraine. Bild: Christine Strub, ©christinestrub.ch
Was die Demokratie schwächt und am Leben hält, war eine der zentralen Fragen in den Kolumnen Budniks. (Bild: Christine Strub)

War das Kolumne-Schreiben eigentlich eine «Einbahn-Kommunikation» oder  gab es viel Feedback?

Budnik: Ich habe viele positive Rückmeldungen von ganz verschiedenen Menschen bekommen. Und auch die kritischen Rückmeldungen waren in der Mehrzahl sehr konstruktiv. Das hat mir die Stadt noch etwas näher gebracht. Es ist ja nicht sehr einfach, sich in Bern verwurzelt zu fühlen. Ich lebe inzwischen seit fast 20 Jahren hier, so lange wie sonst nirgendwo, habe eine Berner Familie und viele Freund*innen und Bekannte aus Bern. Und doch hatte ich in den letzten Jahren immer wieder das Gefühl, ein Fremdkörper zu sein. Vielleicht weil die Berner Identität so ausgeprägt ist und sich alle hier schon seit dem Kindergarten kennen. Seit ich aber die Kolumne schreibe, hatte ich viel seltener dieses Gefühl. Das ist doch eigentlich sehr schön.

Hand aufs Herz: Drei Jahre lang alle vier Wochen eine Kolumne abzugeben, ist nicht immer leicht. Was hat Ihnen geholfen?

Budnik: Ich hatte immer den Anspruch, dass die Philosophie nicht nur im kleinen Rahmen einer Fachdebatte stattfinden soll, sondern auch mit sozialpolitischen Debatten verknüpft ist. Insofern war die Kolumne ein tolles Betätigungsfeld dafür, und es hat mir sehr häufig Spass gemacht, diese Art Übersetzungsarbeit zu leisten. Für mich spielte aber auch die «Hauptstadt» und die ihr zugrunde liegende Idee eines unabhängigen Lokaljournalismus eine Rolle. Damit habe ich mich identifiziert und dazu wollte ich einen relevanten Beitrag leisten – vor allem in einer Zeit, in der es viele Entlassungen im Journalismus gab. 

Philosoph Christian Budnik schhreibt seine letzte Kolumne fuer die Hauptstadt. Fotografiert fuer die Hauptstadt im Brocki Bistro in der Lorraine. Bild: Christine Strub, ©christinestrub.ch
Gemeinsame Themen, eine gemeinsame Sprache: Wie schafft man einen Gemeinschaftssinn? (Bild: Christine Strub)

Ganz banal gefragt: Was macht man eigentlich als Philosoph und wohin geht die Reise jetzt für Sie?

Budnik: Ich habe seit mehr als 20 Jahren Philosophie an der Uni betrieben. Das berufliche Ziel in der akademischen Welt ist für uns alle eine Professur. Die sind aber rar, und man kann sich den Standort nicht aussuchen. Da ich mir, hauptsächlich aus familiären Gründen, nicht vorstellen kann, aus Bern wegzuziehen, habe ich dieses Ziel in den letzten Jahren aufgegeben. Man kann als Philosoph*in aber andere wertvolle berufliche Ziele verfolgen. Es dauert manchmal nur lange, sich als Akademiker neu zu orientieren.

Welchen Weg schlagen Sie ein?

Budnik: Mir war es immer wichtig, dass sich meine philosophische Arbeit irgendwie sinnvoll in der Welt niederschlägt. Deswegen freue ich mich sehr, demnächst bei der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften zu starten. Ich werde dort dabei helfen, medizinethische Richtlinien für Ärzt*innen auszuarbeiten. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob und wie Kinder behandelt werden sollen, die mit einer Variation der geschlechtlichen Entwicklung geboren wurden.

Alle Kolumnen Christian Budniks zum Nachlesen:

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Diskussion

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Maja Balmer
17. April 2025 um 07:42

Danke für all ihre Gedanken, es war für mich immer sehr spannend, ihre Artikel zu lesen! Ich wünsche ihnen viel Freude bei ihrem neuen Wirkungkreis.